Mit Rufen auch nach dem Rücktritt von Ajatollah Sejed Ali Chamenei wagten sich regimekritische Studenten in Teheran ungewöhnlich weit vor. Als Nachfolger von Revolutionsführer Ajatollah Khomeini ist er seit 14 Jahren der mächtigste Mann in der Islamischen Republik und gilt eigentlich als unangreifbar. Der Oberster Führer des Landes, zugleich geistliches Oberhaupt und höchste Instanz bei politischen Entscheidungen, steht laut Verfassung sogar über dem Gesetz.
1989 zum Nachfolger Khomeinis bestimmt
Der 63-jährige Chamenei schloss sich schon 1962 der islamischen Bewegung Khomeinis an und saß für seine Überzeugung vor der Revolution von 1979 mehrere Jahre in Gefängnissen des Schah-Regimes. Der am 15. Juli 1939 in der Stadt Mesched im Nordosten Irans geborene Chamenei galt zunächst als gemäßigter Politiker, als er 1980 Parlamentsabgeordneter wurde. Im Jahr darauf kam er bei einem Anschlag oppositioneller Volksmudschahedin in Teheran knapp mit dem Leben davon. Sein rechter Arm blieb gelähmt. Im Oktober 1981 wurde er zum Präsidenten der Republik gewählt und behielt dieses Amt, bis er einen Tag nach dem Tod Khomeinis am 4. Juli 1989 von einem Expertenrat zu dessen Nachfolger bestimmt wurde.
Die Islamische Republik Iran
Iran ist mit rund 67 Millionen Einwohnern das bevölkerungsreichste Land Vorderasiens. In der Hauptstadt Teheran und seinen Vororten wohnen fast elf Millionen Menschen. Mit einer Fläche von 1,6 Millionen Quadratkilometern ist das erdöl- und erdgasreiche Land knapp fünf Mal so groß wie Deutschland. Die wechselreiche Geschichte und hohe Kultur des früheren Persien reichen weit in das Altertum zurück.
Staatsreligion ist der schiitische Islam, der das öffentliche Leben bestimmt. Nach dem Sturz des westlich orientierten Schahs Reza Pahlevi 1979 etablierte Revolutionsführer Ajatollah Khomeini einen «Gottesstaat». Seit einigen Jahren ist besonders die Innenpolitik des Landes durch den Kampf zwischen Reformern und Konservativen geprägt. Für eine Liberalisierung des Landes steht der relativ machtlose Präsident Mohammed Chatami. Das letzte Wort hat als höchste Instanz sein Gegenspieler, der Oberste Führer Ajatollah Ali Chamenei, der 1989 Khomeini folgte.
Besonders junge Menschen in dem Land mit einer inoffiziellen Arbeitslosenquote von mehr als 50 Prozent begehren gegen das Regime der Mullahs auf. Nach deutlicher Verschärfung des Presserechts 1999 kam es wiederholt zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Studenten und Sicherheitskräften.
Chamenei, dem das Charisma seines Idols Khomeini völlig fehlt, fühlte sich dessen Erbe als Revolutionsführer voll verpflichtet und schwenkte bald auf einen konservativen Kurs ein. Er trat nun als Sprachrohr der treuen Revolutionskräfte auf, die im Krieg gegen den Irak (1980-88) viele Menschenleben geopfert hatten. Dafür erlangte er bei den Verfechtern eines strikt nach Grundsätzen des schiitischen Islam geführten Staates Ansehen und Autorität.
Chamenei blieb hart
Als der reformorientierte Mohammed Chatami 1997 mit rund 70 Prozent der Stimmen zum Staatspräsidenten gewählt wurde, glaubten vor allem viele junge Iraner an den Beginn einer neuen Ära von größeren Freiheiten. Doch Chamenei blieb hart. Wiederholt griff er gegen ihm zu radikale Reformer ein. Im Juli 1999 ließ er Sicherheitskräfte eine pro-demokratische Studentenrevolte nach sechs tägiger Dauer niederschlagen und über 1000 Hochschüler festnehmen. Wiederholt wurden reformorientierte Zeitungen geschlossen und Dissidenten verhaftet. Damit sorgte Chamenei zwar kurzfristig für Ruhe, die Kritik aber konnte er nicht mundtot machen.