Nick Leeson Im Alleingang die Barings Bank ruiniert

Vor zehn Jahren trieb der Börsenmakler Leeson die traditionsreiche Barings Bank mit gigantischen Fehlspekulationen im Alleingang in den Ruin und schockierte die internationale Finanzwelt.

Vielleicht hätten sich die Personalchefs der Londoner Barings Bank die Zeugnisse von Nick Leeson genauer ansehen müssen. Schon in der Schule war ihr Mitarbeiter, der später mit hunderten Millionen jonglierte, durch die Abschlussprüfung in Mathematik gefallen. Vor zehn Jahren trieb der Börsenmakler das traditionsreiche Bankhaus mit gigantischen Fehlspekulationen im Alleingang in den Ruin und schockierte die internationale Finanzwelt. Der damals 27-jährige Heißsporn hatte an der Börse in Singapur etwa eine Milliarde Euro Verlust gemacht - zu viel für die älteste britische Handelsbank, bei der sogar die Queen Kundin war.

Nick Leeson galt vor der Pleite als brillanter "Mann mit goldenem Händchen", der forsch und dynamisch an Asiens Weltbörsen "zauberte" und anfangs hohe Gewinne verbuchte. Mit erst 21 Jahren schickte ihn die Investmentbank Barings, gegründet 1762 von den Gebrüdern Baring aus Bremen, nach Singapur. Dort ging es um riskante Millionengeschäfte, von denen die traditionsbewussten Topmanager in London wohl selbst kaum etwas verstanden. Beim Derivatehandel spekuliert der Händler zum Beispiel auf die Entwicklung von Börsenindizes und Zinssätzen. Im Prinzip sind das riskante Wetten auf künftige Veränderungen der Märkte.

"Es tut mir leid"

Verführt von außergewöhnlich hohen Gewinnchancen, schob Leeson die immensen Risiken einfach beiseite. Er häufte Verluste an, die er eine Zeit lang mit immer neuen Finanztricks vor der Londoner Zentrale geheim halten konnte. Bankmanager auf der ganzen Welt hätten durch die Barings-Pleite ihre Lektion gelernt, sagt Simon Hills von der British Bankers' Association: "Je weiter ein Börsenhändler vom Hauptquartier der Bank entfernt ist, desto größer ist die Gefahr des Betruges." Durch die weitgehende Automatisierung des Handels gebe es zwar heute weniger Möglichkeiten zum Betrug. "Das heißt aber nicht, dass sich der Fall Barings nicht wiederholen kann."

Als am 27. Februar 1995 die gigantischen Fehlspekulationen aufflogen, tauchte Börsenhändler Leeson unter. Seine Kollegen fanden eines Morgens nur noch einen Zettel an seinem Computerbildschirm: "Es tut mir leid." Die Flucht dauerte nur einige Tage. Am Frankfurter Flughafen wurde Leeson vom Bundesgrenzschutz festgenommen und nach Singapur ausgeliefert. Dort verurteilte ihn ein Gericht wegen Betrugs zu sechseinhalb Jahren Gefängnis. Nach mehr als 230 Jahren hatte ein einziger Mann die Geschichte der Barings Bank beendet. Die niederländische ING-Gruppe nutzte die Gunst der Stunde und übernahm das britische Bankhaus für ein Pfund, das unter anderem Großbritanniens Kriege gegen Napoleon mitfinanziert hatte.

Heute ist Leeson ein gefragter und gut bezahlter Referent in Großbritannien

Nick Leeson musste hinter Gittern zwar seinen vornehmen Lebensstil aufgeben, sein Geschäftssinn aber ging ihm nicht verloren. Er verkaufte seine Geschichte, die später unter dem Titel "Rogue Trader" ("Verbrecherischer Händler") auch verfilmt wurde, an eine britische Boulevardzeitung. Seitdem er 1999 wegen guter Führung nach vier Jahren vorzeitig aus der Haft entlassen wurde, verdient sich der ehemalige Börsenmakler als gefragter und gut bezahlter Referent in Großbritannien seine Brötchen. Der heute 37-Jährige schildert Bankern, wie er die Barings Bank ruiniert hat und gibt offen zu, dass alles sein Fehler gewesen sei. In seiner Freizeit studiert Leeson Psychologie.

Michael Haselrieder/DPA

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