An Tagen wie diesem Von 8:00 bis 23 Uhr im Laufrad eines Popstars

Yvonne Catterfeld kam am 2. Dezember 1979 in Erfurt zur Welt und bekam schon früh Klavier-, Gitarren- und Gesangsunterricht. Nach dem Abitur ging sie auf die Musikhochschule und studierte in Leipzig zwei Jahre Jazz- und Popularmusik. Sie sang bereits in diversen Bands, als ihr nach dem Grundstudium der Erfolg in die Quere kam. Seitdem nimmt sie ein Freisemester nach dem anderen. Und im Gegensatz zu vielen anderen Pop-Sternchen ihrer Generation bescheinigen ihr Kritiker Stimme und Handwerk. Mit "Für dich" hatte sie 2003 ihren ersten Nummer-eins-Hit. Neben goldenen Schallplatten für diese Single und ihr Album "Meine Welt" erhielt sie die "Goldene Stimmgabel" und einen Bambi als "Shooting Star des Jahres" 2003. Seit 2002 spielt sie nebenbei die Julia Blum in der Vorabendserie "Gute Zeiten Schlechte Zeiten" (GZSZ). Ihr neues Lied "Du hast mein Herz gebrochen" schoss dieses Jahr ebenfalls sofort in die Charts

Yvonne Catterfeld kam am 2. Dezember 1979 in Erfurt zur Welt und bekam schon früh Klavier-, Gitarren- und Gesangsunterricht. Nach dem Abitur ging sie auf die Musikhochschule und studierte in Leipzig zwei Jahre Jazz- und Popularmusik. Sie sang bereits in diversen Bands, als ihr nach dem Grundstudium der Erfolg in die Quere kam. Seitdem nimmt sie ein Freisemester nach dem anderen. Und im Gegensatz zu vielen anderen Pop-Sternchen ihrer Generation bescheinigen ihr Kritiker Stimme und Handwerk. Mit "Für dich" hatte sie 2003 ihren ersten Nummer-eins-Hit. Neben goldenen Schallplatten für diese Single und ihr Album "Meine Welt" erhielt sie die "Goldene Stimmgabel" und einen Bambi als "Shooting Star des Jahres" 2003. Seit 2002 spielt sie nebenbei die Julia Blum in der Vorabendserie "Gute Zeiten Schlechte Zeiten" (GZSZ). Ihr neues Lied "Du hast mein Herz gebrochen" schoss dieses Jahr ebenfalls sofort in die Charts.

8.00 Uhr:

Wo bin ich? Gestern München, heute Köln, morgen London. Yvonne Catterfeld könnte Werbung für Haarfestiger machen. Nur wann? Alles, was an Zeit übrig ist, braucht sie zum Schlafen, acht Stunden Minimum, dann hält sie auch Tage wie diesen aus: Fünf Interviews, zwei Fernsehshows, Proben und Aufzeichnung, Moderation und Gesang. Einen ruhigen Tag nennt sie das und verschwendet glatt zehn Minuten fürs Frühstück. Sonst reichen fünf. Eine Brezel vielleicht? Nein: Disziplin! Yoghurt und Obst, ein halbes Rosinenbrötchen, dazu ein paar schnelle Infos von Helen. Die Oberteile? Wann kommt die Band? Was ist mit den Flügen? Helen ist Yvonnes Kalender, die Tochter ihrer Managerin, eine Freundin, allwissend.

9.30 Uhr:

Die Limousine hält vor einem schäbigen Wohnhaus in Köln-Sülz. Komische Adresse. Das soll ein Fernsehstudio sein? Helen geht vor, gucken. Im Treppenhaus trifft sie einen Kameramann. Also doch. "Das jüngste Gericht" heißt die Sendung, eine Kochshow für junge Leute. Für die neue Staffel lädt sich Viva in die Küchen seiner Zuschauer ein. Die Bude ist voll. Etwa Fernsehleute auf 30 Quadratmetern. Die Zuschauerin Nicole steht ratlos zwischen Scheinwerfern und Technik. Yvonne soll der Überraschungsgast sein, weil Nicole ein großer GZSZ-Fan ist.

10.30 Uhr:

Verkabelt und frisch gepudert klingelt der Überraschungsgast noch einmal an der Tür. Gastgeberin, verblüfft: Wahnsinn! Das glaub ich ja nicht! Nach dem dritten Versuch hält die Regisseurin die Überraschung für gelungen. Eine Kamera fällt aus, dann die Sicherung, nur der Moderator bleibt am Draht. Tobi Schlegl will mit Yvonne ständig über Pornos reden oder etwas Abfälliges über Dieter Bohlen hören, der ihre Hits komponiert. Sie muss aufpassen, schnippelt konzentriert Paprika und Zwiebeln für ein Chili con Carne und schlängelt sich an jeder Falle vorbei. Es arbeitet in ihr, eigentlich ist sie schlagfertig. "Guten Tag - Gesundheitsamt" - so hat sie die Fernsehköche begrüßt. Doch wenn die Kamera läuft, beißt sie sich lieber auf die Zunge. Ich will durch Leistung überzeugen, sagt sie, nicht durch Schlagzeilen. Klingt fast altmodisch in ihrer Branche. Prompt will ihr Schlegl eine Affäre mit Ben andichten, dem Schmusesänger mit Häkelmütze. Da steigen ihr plötzlich Tränen in die Augen, es sind aber nur die Zwiebeln. Der Flegel gibt auf: "Nicht mal 'ne Knutscherei unter Mädchen - du bist ja eine richtige Pop-Nonne!"

11.40 Uhr:

Das Chili köchelt, in Yvonne köchelt es auch. Diese Interviews, immer das Gleiche, die Fragen, die Antworten, das ganze Fernseh-Blabla: Es heißt, du bist noch zu haben? Wie viel von dir steckt in Julia Blum? Sie hasst diese Fragen. Noch zu haben!? Sie ist ja gar nicht auf der Suche! Und Julia Blum haben die Drehbuchautoren gerade mit ihrem Lehrer für eine wilde Nummer aufs Klo geschickt. Das gefällt ihr zwar nicht, aber nie würde sie etwas gegen "Gute Zeiten Schlechte Zeiten" sagen. Sie ist dankbar dafür, für ihre Popularität, die sie davon trägt, für den Spaß am Schauspiel, den sie erst bei GZSZ entdeckt hat, aber auch für die langen Drehpausen. Erst im April geht es weiter, wieder täglich Dreh bis Dezember. Hörst du dann auf? Gute Frage. Nächste Frage.

12.00 Uhr:

Das Chili ist fertig. Als sich Yvonne zum Kosten über den Topf beugt, flüstert ihr Helen von hinten zu: Nicht so tief - der Ausschnitt! Eigentlich wollte sie sich in der Auszeit ganz auf ihre Musik konzentrieren, nun geht fast jeder Tag für die Promotion der neuen Single drauf. Kochen mit Tobi gehört auch dazu. Zum Essen wünscht die Regie, dass die Zuschauerin noch etwas über die neue Single fragt. Tut sie auch. Danach ist die Sendung im Kasten. Küsschen links, Küsschen rechts, bis zum nächsten Mal. Yvonne lässt ihr Chili stehen. Hat Spaß gemacht, sagt sie. Frische Luft.

13.10 Uhr:

In den hässlichen Industriebrachen von Hürth wegelagern schon mittags Autogrammjäger. Jede Woche wird hier donnerstags die Chart-Sendung "Top of the Pops" aufgezeichnet, fette Beute für die Fans. Yvonne lässt sich fotografieren, unterschreibt. Zwei Mädels sind dabei, die reisen ihr überallhin nach. Wenn sie abends vor Fernsehstudios auf sie warten, stellen sie sich früh den Wecker für die Wiederholung von GZSZ. Echt, fragt Yvonne, toll! Es klingt ehrlich. Und ehrlich gesagt weiß sie auch nicht, was sie sonst sagen soll. Helen drängelt. Sie hat noch zwei Telefoninterviews dazwischengeschoben.

13.15 Uhr:

"Call-Time Yvonne", so steht es auf dem Ablaufplan. Über die Gänge huschen lauter wichtige junge Frauen mit Funkgeräten und flüstern in ihre Headsets. "Melanie für Sonja." Sie dirigieren die Stars in ihre Garderoben oder auf die Bühne. Erste Kamerateams lungern in der Kantine herum. Yvonnes "Familie" ist auch schon da: Holger Hoffmann vor allem, Lieblings-Maskenbildner, Conny von der Plattenfirma und die Band. Es gibt Ärger wegen der Bühnenklamotten, irgendwas fehlt oder gefällt nicht. Conny hatte zu wenig Zeit zum Einkaufen, Yvonne kommt seit Wochen nicht dazu, noch seltener zum Wechseln in ihre kleine Wohnung nach Berlin. Privatleben? "Wie bitte?!" Jeder Tag ein Ablaufplan. Produktmanager steht auf Connys Visitenkarte.

14.20 Uhr:

Das Produkt Catterfeld ist gefragt wie nie. Allein in dieser Sendung muss sie moderieren und mit zwei Songs auftreten. Bei dem Bandprojekt "Zeichen der Zeit" steht sie mit Ben, den Söhnen Mannheims und anderen Rappern mit auf der Bühne und "performt", wie die Fernsehleute sagen, das Lied "Du bist nicht allein", derzeit Platz 8 der Single-Charts. Ihr eigenes Stück "Du hast mein Herz gebrochen" steht nach vier Tagen in den Läden auf Platz eins der so genannten Trend-Charts. Die Co-Moderation der Sendung ist Routine für sie. Gestern abend erst hat sie die Kärtchen bekommen, auf denen steht, was sie zu sagen hat, ein bisschen Klatsch, "der nächste Top-Act" - es wimmelt nur so davon in dieser Sendung: Die Atomic Kitten sind da, außerdem die Sugababes, Sabrina Setlur und die neuesten Superstar-Kandidaten, die Deutschland gerade sucht.

15.15 Uhr:

Die Proben laufen perfekt. Nicht ein einziges Mal muss Yvonne etwas wiederholen. Viel komplizierter ist der ständige Wechsel ihrer Outfits für Moderation und Auftritt. Im Zehn-Minuten-Takt wird sie wegen irgendwas irgendwohin gerufen. Ton-Assistenten fummeln an ihr herum, Achtung Lichtwechsel, Position 34, Kamera 2, dann wieder Pause, warten - "echt ein ruhiger Tag", sagt sie dann, gar kein Vergleich mit manchen Drehtagen für GZSZ in Potsdam, wenn sie abends noch für Nena oder Mariah Carey im Vorprogramm singen musste. Du musst was essen, mahnt Helen. Vergiss es. Nach einem Bissen von ihren Spinatcannelloni wird Yvonne wieder ins Studio gerufen. Der Teller bleibt randvoll zurück.

17.45 Uhr:

Hinter der Bühne trifft sie Ben, die Häkelmütze, mit dem sie angeblich etwas hat. Wenn, dann lassen sie es sich mit keinem Wimpernschlag anmerken. Wäre eine Traumgeschichte, die sich auch die gemeinsame Firma BMG nicht entgehen lassen würde. Das Business lebt von so was. Die Luft ist dünn. Rotlicht. Aufzeichnung.

18.15 Uhr:

Mindestens zweimal wird jeder Auftritt wiederholt, hinterher noch ein Trailer mit jedem Star als Werbung für die Sendung. Das zieht sich. Knapp 100 Teenies stehen vor der Bühne, klatschen und schreien, wann immer die Regie es verlangt. Ein Animateur hat das vorher mit ihnen geübt, feuert sie an und dirigiert sie so in die Kameras, dass es später aussieht, als drängelten sich Tausende vor der bunten Bühne. Dafür haben sie 15 Euro Eintritt bezahlt. Nach und nach begreifen sie ihre Aufgabe als lebendige Studiodekoration und verlieren die Lust. Der Pausenclown muss sie bei Laune halten - der schwerste Job im ganzen Team.

18.40 Uhr:

Wieder umziehen, Interviews, zwischendurch ein Fotoshooting. Der Fotograf hat seine Anlage auf einem Gang hinter der Bühne aufgebaut und nimmt die Stars, wie sie kommen. Holger pudert, pinselt, rennt Yvonne mit dem Lockenstab nach. Helen winkt die Fernsehteams am Fließband vorbei: Exklusiv, Explosiv, Punkt 12 - GZSZ. Einer von den Söhnen Mannheims kommt hinter die Pappwand, wo die Moderatoren warten, und will mal wieder was mit Yvonne machen. Gern, sagt die, aber in den nächsten drei Monaten leider nicht, keine Zeit. "Du bist nicht allein" war ein Hit und hat bestimmt viele Mädchen getröstet. Yvonne wäre es gern einmal.

19.30 Uhr:

Mit Ole, dem Stammmoderator von "Top of the Pops", muss sie für 30 Sekunden mitten unter die Zuschauer. Zwei Bodyguards begleiten sie raus und rein. Der Animateur sorgt für "Dauerapplaus". Gern hätte sich Yvonne die Performance der Sugababes angesehen. Die sind zwar nicht Alicia Keys oder Erykah Badu, ihre persönlichen Favoriten - aber immerhin: Eine der Babes hat sie angesprochen und ihr Video gelobt.

20.05 Uhr:

Ein Radioreporter von "Hit-Radio RPR" hat zwei Stunden gewartet. Erst als alle Fernsehteams durch sind, ist er dran. "Auf Yvonne zu warten lohnt sich immer", sagt er und stellt seine Fragen zur Single, zu Liebeskummer und persönlichen Erfahrungen damit. "Ich bin 24", sagt Yvonne, "da ist mir so was auch schon passiert." Es ist kalt vor Studio 18. Sie zieht sich ihren Mantel wie eine Decke bis zum Hals.

20.15 Uhr:

Ihre Band steht bereit. Gitarre, Schlagzeug, Bass, die Hemden frisch gebügelt, zwei Background-Sängerinnen dabei. Yvonne freut sich schon riesig auf die Tournee, live und vorher tagelang im Proberaum. Nicht jeder neue Superstar steht auf diese Schinderei. Auch sie musste bei der BMG darum kämpfen. Die Kids im Studio maulen jetzt, sie wollen heim. Yvonne zurrt sie noch einmal an die Bühne und haucht: "Du hast mein Herz gebrochen, als du bei ihr warst, aus Tagen wurden Wochen oder auch ein Jahr, oh Baby?" Der Text hat ihr erst nicht gefallen, aber dann - je öfter man ihn hört ? Der Titel wird sich noch ein paar Wochen in den Charts halten. Also noch mal umziehen, noch mal singen. Die zweite Aufzeichnung ist für nächste Woche. Es soll so aussehen, als wäre sie zweimal da gewesen.

21.30 Uhr:

Nach der Aufzeichnung fällt sie dem Regisseur um den Hals. Endlich Feierabend. Denkste: Helen hat noch zwei Interviews zugesagt. Kurz nach 22 Uhr verlässt der kleine Tross das Studio. Am Tor stehen immer noch vier Fans und bekommen ihr Recht. Im Hotelzimmer klappt Yvonne ihren kleinen CD-Player auf, fängt an zu trällern, so nennt sie ihre Übungen, und lernt Texte. Das ist der schöne Rest des Tages, eine Stunde vielleicht, die ihr allein gehört. Höflich bittet sie um Verständnis - und schließt die Tür.

Holger Witzel