Mercedes A-Klasse Pubertät beendet

Die neue Mercedes A-Klasse ist zur erwachsenen Kompakt- Limousine gereift - kürzer als die Konkurrenten, aber dennoch mit mehr Platz

Zum Start der neuen A-Klasse liefert Mercedes eine Weltpremiere obendrauf. Sogar gratis für alle Modellvarianten. Die Überraschung heißt "selektives Stoßdämpfersystem". Mit ihm wählt das Fahrwerk je nach Zuladungsgewicht und Fahrstil den besten Kompromiss zwischen harter und weicher Dämpfereinstellung. Eigentlicher Clou dabei: Der blitzschnelle Wechsel klappt vollautomatisch, aber völlig ohne Elektronik-Klimbim. Grobfaserige Sitzmuskeln der Normalo-Kunden dürften die feinfühligen Unterschiede des Regelwerkes allerdings kaum mitbekommen. Lästermäuler der Konkurrenz sehen in den neuen Dämpfern deshalb eher ein Marketing-Mätzchen. Unverzichtbar sind sie tatsächlich nicht. Das wird die Schwaben wenig kratzen. Sie wollen den ehemaligen Elchtest Um-kipper in der Neuauflage jetzt zu einer eigenen Modellfamilie ausbauen. Im Herbst startet auch eine dreitürige Variante. Zum Sommer 2005 folgt, so viel ist schon sicher, ein sportlich aufgepeppter Van. Der wird dann höchstwahrscheinlich B-Klasse heißen. Ob danach eine Cabrio-Variante namens SLA folgen wird, steht noch nicht fest; die Wahrscheinlichkeit für einen Serienstart soll aber derzeit größer als 50 Prozent sein. Den Prototyp gibt es schon.

Was die rollende Keimzelle der neuen Modellfamilie draufhat, zeigt ein stern-Fahrbericht.

Glanz & Gloria: blendend. Trotz verschiedener Macken und Pannen bleibt Mercedes auf der Hitliste der Begierde ziemlich weit oben. Das gilt auch für kleine Modelle wie die A-Klasse. Die ist inzwischen erwachsen geworden. Ohne die geschwungene Jugendstil-Architektur in Heck und Cockpit wirkt der ehemalige "Baby-Benz" jetzt erwachsen und cool, nicht mehr so verspielt.

Gleiten & Geniessen:

lobenswert. Absolut langstreckentauglich. Platz satt für fünf, obwohl die A-Klasse deutlich kürzer als der Golf ist. Auch in der zweiten Reihe reichen Kopf- und Beinfreiheit für die große Tour. Sitze, Sitzposition, Raumgefühl und Umluftwirkung überzeugen. Allerdings könnte das Fahrwerk trotz der gefeierten Dämpfer-Neuheit etwas sanfter arbeiten. Pluspunkte sind die tempoabhängige Lenkhilfe und die verbesserte Innenraum-Variabilität. Mit weniger Handgriffen wird aus der Limousine ein kleiner Möbeltransporter, ohne dass nach dem Umbau der Gang zum Orthopäden droht.

Technische Daten

Motoren
(kW/PS) Benziner: 70/95, 85/116, 100/136; Diesel: 60/82, 80/109, 103/140 Fahrleistungen/Verbräuche
Höchstwerte: 170 bis 201 km/h; Benziner: ab 6,2 Liter/Super je 100 km; Diesel: ab 4,9 Liter je 100 km Gewichte/Abmessungen
Länge/Breite/Höhe: 3,84/1,76/1,59 Meter; Leergewicht: 1195-1365 kg; Ladevolumen (min/max): 435/1995 Liter Preise
Benziner ab 17 632 Euro, Diesel ab 19 024 Euro

Gas & Spass: achtbar. Diesel- und Benzinmotoren sind ebenso wie die Getriebeabstufungen nicht auf sportliches Schaulaufen ausgelegt, eher auf nervschonendes, dennoch druckvolles Gleiten. Damit ist die A-Klasse keine lahme Kiste, aber auch kein Spitzenrenner.

Geld & Wert:

erträglich. Die Serienausstattung der untersten Ausstattungslinie "Classic" für mindestens 17 632 Euro (Dreitürer) ist klassenüblich und in Ordnung. Rätselhaft bleibt, warum es kein Sechsgang-Schaltgetriebe für alle Modelle gibt und der Partikelfilter für Diesel, lieferbar ab Frühjahr, 522 Euro Aufpreis kostet. Die Selbstzünder bleiben in der Mercedes-typischen Preisspitze, während etwa der A 200, eine Benzinvariante, preiswerter als ein Audi A3 Sportback oder ein BMW 120i ausfällt. Kostenlos obendrauf gibt's für alle A-Klässler ein vorbildliches Sicherheitskonzept. Beim Crash taucht der Motor unter den Wagenboden ab, und durch die um 20 Zentimeter erhöhte Sitzposition sinkt das Risiko nochmals.

Fazit:

Eine ausgereifte Allzweck-Limousine der Kompaktklasse. Ohne ernsthafte Schwachstellen. Wer es in Kurven spektakulär krachen lassen will, sollte allerdings anderswo einkaufen.

Peter Weyer