Im Stand hat der Porsche Targa einen spektakulären Moment. Auf Knopfdruck hebt sich erst die hintere Scheibe und schiebt sich wie ein riesiger Insektenpanzer über das Heck. Begleitet vom Surren der beiden Elektromotoren klappen dann die Verkleidungen des Überrollbügels (ja der neue Targa hat wieder einen) auf, und das Magnesiumdach verschwindet in einem Zug in der Heckmulde, ehe sich die Scheibe wieder in die Ausgangslage zurückbewegt. In nur etwa 19 Sekunden ist die Metamorphose vom Coupé zum Oben-Ohne-Sportler vollzogen.
Geschlossen wie offen schaut der neue 911er Targa deutlich besser aus als das Vorgänger-Modell. Zurück zu den Wurzeln heißt die Devise beim neuen Coupé-Cabrio-Zwitter. Kein Geringerer als Ferry Porsche selbst gab 1963 sein Placet zu dem damals neuen Modell, das zwei Jahre später auf der IAA seine Weltpremiere feierte und noch einmal zwei Jahre später auf den Markt kam. Von den rund 853.000 weltweit verkauften Porsche 911 sind etwa 13 Prozent Targas. Anfang der 70er Jahre erlebten die Autos mit dem Überrollbügel eine Blütezeit. Da betrug der Anteil am 911er-Gesamtvolumen satte 40 Prozent.
Trotz der optischen Retrospektive nahmen die Ingenieure bei der Entwicklung des Targas technische Anleihen beim Cabrio. Der Unterbau ist gleich. Der deutlich sichtbare Unterschied liegt in dem Überrollbügel und dem Gewicht. Der Targa ist 40 Kilogramm schwerer als das Cabrio. Im Vergleich zum Coupé sind es dann schon 110 Kilogramm. Das schlägt sich in messbaren Werten nieder. Den Sprint von null auf 100 km/h absolviert der 400-PS-Targa mit PDK und Sport-Plus-Paket in 4,4 Sekunden. Das sind 0,3 Sekunden mehr als das Coupé. Der Verbrauch ist mit 9,2 Litern fast identisch zu der geschlossenen Version.
Bei der Agilität macht das jüngste 911er Familien-Mitglied eine gute Figur und lässt sich dank der präzisen mitteilungsfreudigen Lenkung souverän ums Eck zirkeln. Aber das Bessere ist der Feind des Guten. Den Extra-Speck merkt man dem neuesten 911er im Grenzbereich an. Beim Einlenken ist der Targa träger und drängt in sehr schnell gefahrenen Kurven etwas mehr nach außen, als die geschlossene Variante. Diese Selbstbestimmungsversuche werden aber durch den Allradantrieb in Verbindung mit den Regelsystemen zuverlässig unterbunden. Die Geräuschkulisse ist Porsche-typisch: Stellt man den Targa mit dem optionalen Sport-Plus-Paket scharf, ist nicht nur die Gasannahme unmittelbarer, die Lenkung direkter und die Gangwechsel schneller, auch die vierflutige Auspuffanlage bollert herrlich beim Gaswegnehmen.
"Der Targa ist für Autofahrer, die nicht auf die Rennstrecke gehen", sagt der Leiter der Baureihe August Achleitner. Schließlich ist die Dachmechanik aufwendig und die Heckscheibe wiegt inklusive Rahmen rund 33 Kilogramm. Sie funktioniert auch nur im Stand, weil beim Bewegen des Dachs die Bremsleuchten teilweise verdeckt werden.
Doch wer nun glaubt, dass sich im Targa aufgrund des hohen Glasanteils das Aquarium-Feeling des Vorgängers wiederholt, täuscht sich grundlegend. Bei offenem Dach weht eine steife Brise im Innenraum. Das raue Lüftchen nimmt zu, je weiter man mit dem Sitz nach hinten rückt. Um die Verwirbelungen und die daraus resultierende Geräuschkulisse wenigstens einigermaßen zu reduzieren, installierten die Techniker nach Mercedes-E-Klasse-Muster einen manuell ausfahrbaren Spoiler auf der Windschutzscheibe. Design-Puristen pfeifen deswegen auf den Plastikbalken und genießen lieber den Sturm im Innenraum.
Der Liebhaber moderner Porsches findet sich blind im Interieur zurecht. Alles ist am gewohnten Platz. Nur dem Infotainment-System könnten die Sportwagenbauer aus Zuffenhausen so langsam mal ein Update gönnen. Da gibt es inzwischen modernere Lösungen. Zumal der Porsche Targa 911 4S kein Schnäppchen ist: Mit einem Grundpreis von 124.094 Euro ist die halboffene Variante 11.781 Euro teurer als das Coupé, aber immer noch 952 Euro billiger als das Cabrio.