Am Dienstag gab Volkswagen reumütig zu, bei elf Millionen Fahrzeugen an den Abgaswerten an einer ganz eigenen Stellschraube gedreht und damit bei der amerikanischen Schadstoffeinstufung betrogen zu haben. Eine spezielle Software sorgte dafür, dass die VW Diesel beim auf einem Rollenprüfstand durchgeführten US-Abgastest deutlich besser abschnitten. In der Realität lag der Schadstoffausstoff um ein Vielfaches über dem Erlaubten. Die Steuersoftware ist nach Konzernangaben "auch in anderen Diesel-Fahrzeugen des Volkswagen Konzerns vorhanden". Bei der Mehrheit dieser Motoren soll die Software jedoch keinerlei Auswirkungen haben. Es geht dabei um die Vierzylinder-TDI-Triebwerke vom Typ EA 189. "Ausschließlich bei diesem Motortyp wurde eine auffällige Abweichung zwischen Prüfstandswerten und realem Fahrbetrieb festgestellt", teilt VW offiziell mit, "Volkswagen arbeitet mit Hochdruck daran, diese Abweichungen mit technischen Maßnahmen zu beseitigen. Das Unternehmen steht dazu derzeit in Kontakt mit den zuständigen Behörden und dem Deutschen Kraftfahrtbundesamt." Die aktuell in Europa angebotenen Diesel der Schadstoffklasse Euro 6 sollen nicht betroffen sein und die gesetzlichen Umweltnormen erfüllen.
Das Dieselbeben

Doch zurückrudern bringt wenig, denn jetzt ist der VW-Diesel wohl nicht nur in den USA in den Brunnen gefallen. Volkswagen dürften die Untersuchungen der EPA (Enviromental Protection Agency) im Auftrag des US-Bundesstaates Kalifornien mehrere Milliarden Euro kosten. Aus diesem Grunde gab der größte europäische Autobauer am heutigen Tage eine Gewinnwarnung heraus und stellte für das dritte Quartal dieses Jahres einen Betrag von 6,5 Milliarden ergebniswirksam zurück.
Bei dieser Summe dürfte es nicht bleiben. Der Wert der Volkswagenaktie hat seit Anfang der Woche um mehr als Viertel seines Wertes eingebüßt. Die personellen Konsequenzen werden demgemäß nicht lange auf sich warten lassen. Hier soll jedoch erst Ende der Woche eine Entscheidung fallen. Es scheint jedoch wahrscheinlich, dass der mittlerweile 68jährige Volkswagen-Konzernchef Martin Winterkorn seinen Hut nehmen muss. Es war jüngst bekannt geworden, dass Martin Winterkorn an sich um drei weitere Jahre als Konzernchef bis 2018 verlängert werden sollte. Da der von BMW als Markenchef zu Volkswagen gewechselte Herbert Diess ist erst zu frisch im Unternehmen und muss der internen Verflechtungen zwischen den einzelnen Anteilseignern erst Herr werden. Er kommt nach die neue Nummer eins kaum in Frage. Ein externer Vorstandsvorsitzender ist angesichts der schwierigen Konstellation des Volkswagenkonzerns unwahrscheinlich. Mehr als bei jedem anderen Autohersteller haben die Gewerkschaften bei VW die Hosen an. Zudem gibt es eine 20-Prozent-Beteiligung des Landes Niedersachsen, die seit Jahrzehnten immer wieder für Diskussionen sorgt und den Konzern bei Entscheidungen ähnlich lähmt wie die einflussreichen Arbeitnehmer, ohne die in Wolfsburg nichts geht.
Aktuell gibt es für Volkswagen wohl nur zwei personelle Alternativen für einen neuen Vorsitz: der bisherige Porsche-Chef Matthias Müller, der Konzern und dessen schwierige Gemengelage besser als sonst jemand aus der ersten Reihe kennt. Er ist mit einem Alter von 62 Jahren jedoch kaum eine langfristig Lösung; könnte den Konzern jedoch wieder zurück auf die Bahn bringen, ehe ein Nachfolger gefunden ist, der den Konzern dann verjüngt in die Zukunft führt. Eine Alternative wäre allenfalls Skoda-Chef Winfried Vahland (58), der im Konzern als bestens verdrahtet gilt und die Tschechen in den vergangenen Jahren auf die Erfolgsstraße gebracht hat. Er ist vielen im VW-Konzern jedoch seit Jahren zu hemdsärmelig und wird von vielen als der falsche Mann als Konzernchef angesehen.
Anfang September wurde bekannt, dass nicht Martin Winterkorn Chef des neu zu bildenden Aufsichtsrats werden soll, sondern der bisherige VW-Finanzvorstand Hans Dieter Pötsch. In diesem Fall dürfte der jetzige Audi-Chef Rupert Stadler neuer Finanzvorstand bei Volkswagen werden und der jetzige Audi-Entwicklungschef Ulrich Hackenberg nun auch offiziell zum ersten Mann in Ingolstadt werden. Das Personalkarussell dreht sich durch das amerikanische Diesel-Desaster schnell denn je. Hier dürften noch weitere herunterfallen.