Hintergrund: Das Dilemma der automobilen Start-ups Hoffen auf die Gemeinschaft

Sono Sion
Sono Sion
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Dem Sono Sion droht erneut das Aus. Wenn das Start-up nicht bis Ende Januar 2023 rund 94,5 Millionen Euro auftreibt, war es das mit dem Solar-Elektromobil. Noch gibt es Hoffnung. Doch die Schieflage des Münchner Unternehmens offenbart die Probleme vieler automobiler Start-ups.

Die Idee ist nicht neu, aber charmant. Man nehme ein Elektroauto und packe möglichst viele Solarzellen auf und an die Hülle, umso möglichst weit mit der Kraft der Sonne anstelle mit teurem Strom zu fahren. Dieser Geistesblitz könnte auch von einem Teilnehmer von Jugend forscht stammen. Nur dass Sono Motors die Fotovoltaik optimiert und auf automobile Bedürfnisse zugeschnitten hat. Anstelle von klassischen Solarpanels, wie man sie auf den Hausdächern findet, haben die Macher von Sono flexiblen Panels aus Spritzguss ersonnen, die mit einem Kupferelement an der Rückseite, wo sich auch die Leiterplatten befinden, versehen sind. Damit erreichen diese Zellen im Vergleich zu der klassischen Version eine größere Effizienz, sind deutlich leichter und sollen auch einem Crashtest standhalten.

Mithilfe dieser Solarzellen soll der Sono Sion ohne Laden im Jahresdurchschnitt pro Woche 112 Kilometer weit kommen, maximal sind sogar 245 Kilometer drin. Diese Panels sind ein Clou und können auch bei öffentlichen Verkehrsmitteln wie Bussen ihren Dienst versehen. Die Nachfrage ist bereits vorhanden. Nur beim eigenen Auto geht den beiden CEOs Jona Christians und Laurin Hahn erneut die Luft beziehungsweise das Geld aus. Ein Grund sind angeblich die krisengeschüttelten Finanzmärkte und die taumelnden Aktienkurse. Deshalb sei die Finanzierung des Sion-Programms durch die Aufnahme von Eigenkapital zunehmend schwieriger geworden.

Wie schon vor drei Jahren soll die Gemeinschaft in die Bresche springen und die überlebensnotwendige Finanzspritze bereitstellen. In einem Aufruf, der sich im Detail sehr spannend liest (man beachte den Gebrauch des Verbs „wagen“) wenden sich die beiden Start-up-Gründer an die Sion-Fans. „Viele Investor:innen raten uns dazu, dass wir uns auf unser weniger kapitalintensives B2B-Solargeschäft, das bereits Umsätze generiert, konzentrieren und das Sion-Programm aufgeben sollten. Wir verstehen die Marktsituation und wären bereit, unser Geschäftsmodell im Interesse des langfristigen Unternehmenserfolgs zu restrukturieren. Bevor wir es jedoch wagen, die Sion-Entwicklung einzustellen, wollen wir unserer Community von über 21.000 Sion-Reservierer:innen eine letzte Chance geben, das Sion-Programm am Leben zu halten und unsere Finanzierungslücke teilweise zu schließen.“

Unter dem Hashtag (was sonst?) #saveSion läuft seit Anfang Dezember eine Crowdfunding-Kampagne, bei der 3.500 Kunden bis Ende Januar den ermäßigten Preis von 27.000 Euro für das Elektromobil auf den Tisch legen und so insgesamt 94.5 Millionen Euro in das Start-up pumpen können. Unlängst hat Sono Motors freudig eine erste Wasserstandsmeldung abgegeben und verkündet, dass bereits 1.000 Vollzahler sich an der Rettung des Start-ups beteiligt haben.

Ob die fehlenden 2.500 noch auf den Zug aufspringen, ist offen. Zu wünschen wäre es den Sion-Machern auf alle Fälle. Doch die Malaise, in der das Münchner Start-up steckt, ist bezeichnend für junge Automobilunternehmen, die die Mobilität revolutionieren wollten. Die Liste der Sono-Motors-Leidensgenossen, die kurz vor dem Konkurs standen oder schon das Zeitliche gesegnet haben, ist lang und beinhaltet bekannte Namen: Nio, Tesla, Faraday Future oder Borgward.

Alle sind sie mit interessanten Ideen angetreten, sei es einem breiten Display, das sich über das gesamte Armaturenbrett erstreckt, einem besonders schnellen Batteriewechselsystem oder im Falle von Sono Motors, einem effizienten praxisorientierten Fahrzeug. Doch eine Idee und hochfliegende Pläne sind eine Sache, diese in die Tat umzusetzen und langfristigen Erfolg haben, sprich in die Gewinnzone zu kommen, ist eine ganz andere. Ohne Elon Musks Milliarden wäre Tesla mittlerweile ein Kapitel im automobilen Geschichtsbuch. Dazu kommt, dass die Zeiten härter werden und in Zeichen der Krisen sowie des zurückkehrenden Wirtschaftsprotektionismus der Traum von den globalen Absatzmärkten schwindet.

Von den handwerklichen Fähigkeiten wie dem Bauen eines Serienfahrzeugs samt aller dafür nötigen Prozesse ganz zu schweigen. Ein paar Prototypen sind schnell hingestellt, auch Auftragsfertiger findet man problemlos und Zulieferer lechzen geradezu nach neuen Kunden. Doch wenn es dann an die (Groß)Serienfertigung und den damit verbundenen Einsatz von Geld und Personen sowie den Lösungen bei auftretenden Problemen geht, trennt sich schnell die Spreu vom Weizen. Automobilbau ist weit mehr als das Umsetzen von Konstruktionsplänen. Vor allem wenn die Finanzierung auf Kante genäht ist, darf nichts schiefgehen, sonst wird es eng. Richtig eng.

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