MERCEDES E-KLASSE Schwabenstolz

So richtig ansehen kann man der E-Klasse seine richtungsweisende Technik nicht. Die neuen, elektronischen Helferlein haben sich unter einem unspektakulären Blechkleid versteckt.

»Die E-Klasse kann alles, was wir bei Mercedes können«, meinte DaimlerChrysler Vorstandsmitglied Jürgen Hubbert bei der Präsentation des neuen Flaggschiffs der oberen Mittelklasse in Brüssel. So richtig ansehen kann man dem jüngsten Kind des Stern-Konzerns seine richtungsweisende Technik allerdings nicht. Die neuen, elektronischen Helferlein haben die Mercedes-Designer unter einem recht unspektakulären Blechkleid versteckt.

Flachere Scheinwerfer

Ein echter Aufreger ist die E-Klasse wahrlich nicht. Das Design ist eine konsequente Weiterentwicklung der bekannten E-Klasse-Proportionen. Mercedes vertraut weiter dem 1995 Vier-Augen-Gesicht, jetzt jedoch mit Trief- anstelle der rundlichen Kulleraugen. Trotz der nur kosmetischen Eingriffe, wirkt die Frontansicht der großen Limousine jetzt deutlich dynamischer. Schuld sind, die flacher liegenden Scheinwerfer und die deutlich gepfeilte Motorhaube.

Kesse Metall-Kante

Die neue Seitenlinie kennzeichnet eine fein angedeutete Sicke, die von den vorderen bis zu den hinteren Scheinwerfern reicht. Ziel der kessen Metall-Kante: eine markante, coupéartige Linienführung. Verstärkt wird dieser Eindruck noch durch das stark gewölbte Kuppeldach, das es auf Wunsch auch als Panorama-Dach aus Glas geben wird. Am Heck schließlich, bis auf die neue, wesentlich mutigeren Heckleuchten, kaum Neuigkeiten. Ein typischer Mercedes-Po eben.

Eleganter Innenraum

Wesentlich mutiger zeigten sich die Designer im Umgang mit dem E-Klassen-Innenraum. Der Kommandostand des jungen Mercedes wirkt noch eleganter als beim Vorgänger-Modell. Hierzu trägt vor allem das neu gestaltete Multifunktionslenkrad und die gänzlich neue Mittelkonsole bei. Endlich befindet sich das zentrale Multimedia-Center zur Steuerung von Radio, Bordcomputer, Telefon und Navigationssystem außerhalb der Reichweite des Schaltknüppels. Der höheren Positionierung fielen die Bedienungselemente der Klimaanlage zum Opfer, die sich nun direkt unterhalb der Belüftungsdüsen befinden.

Luftpolster für die Sitze

Ein echtes Highlight bilden die neuen, so genannten Multikontur-Sitze. Luftpolster, die über den gesamten Sitz verteilt sind, passen sich der aktuellen Fahrsituation an. Will heißen: Neigt sich die E-Klasse in einer Kurve leicht nach links, füllen sich automatisch auch die Luftkissen auf der linken Sitz-Seite, von der Seitenneigung ist kaum noch etwas zu spüren.

Einfache Bedienung

Besonders viel Wert wurde auf die sichere und leichte Bedienbarkeit der elektronischen Features gelegt - ein kleiner Seitenhieb auf die 7er-Reihe von BMW und ihr vieldiskutiertes Bordsystem. Das neue Bedien- und Anzeigesystem Command 2 kann aber erst Ende des Jahres geliefert werden, weil Hauslieferant Bosch nach technischen Problemen gefeuert worden war und Mercedes kurzfristig zwei Konkurrenten damit betraut hatte.

Kaum Wachstum

Dezent zugelegt hat die E-Klasse in ihren Abmessungen. Die Länge blieb unverändert, lediglich in Breite, Höhe und Radstand hat die Limousine zugelegt. Die E-Klasse ist jetzt 4,818 Meter lang, 1,822 Meter breit und 1,452 Meter hoch (alt: 4818/1822/1452). Davon profitiert hat vor allem der Kofferraum, der nun 540 Liter schluckt. Beim Vorgänger waren es noch 20 Liter weniger.

Fünf Motoren zur Wahl

Zum Verkaufsstart kann die Mercedes-Kundschaft aus fünf Motorvarianten wählen. Neben drei Benzin-Motoren, die ein Leistungsband von 177 PS (130 kW) bis 306 PS (225 kW) abdecken, stehen auch noch zwei CDI-Dieseltriebwerke mit vier und fünf Zylindern zur Verfügung. Die Selbstzünder bringen die E-Klasse entweder mit 150 PS (110 KW) oder mit 177 PS (130 kW) voran. Spitzenmotorisierung bleibt weiterhin das Achtzylinder-Kraftwerk im E 500. 306 PS beschleunigen die schnelle E-Klasse in nur sechs Sekunden von null auf 100 Stundenkilometer.

Sicher ist sicher

Mächtig aufgerüstet haben die Ingenieure das ohnehin recht solide Sicherheitspaket. Sechs Airbags gehen im Fall der Fälle auf Insassenfang, immer unterstützt von den Gurtstraffern und dem Gurtkraftbegrenzer. Hinzu kommen deutlich größere Knautschzonen. Verstärkte Profilbleche oberhalb der vorderen Radkästen sollen bei einem Frontalzusammenstoß für eine bessere Verteilung der auftretenden Kräfte sorgen.

Fahrwerk als Großbaustelle

So dezent die Einschnitte am Blechkleid, so tiefgreifend haben sich die Entwickler das Fahrwerk der E-Klasse zur Brust genommen. Das elektrohydraulische Bremssystem SBC durfte bisher nur im Mercedes SL die Bremskräfte verwalten. In der E-Klasse kommt es ab Werk in allen Modellen zum Einsatz. Hierbei werden die Bremsbefehle des Fahrers nicht mehr hydraulisch übertragen, sondern elektronisch an einen zentralen Brems-Computer. Der hat, dank aufwändiger Sensoren die aktuelle Fahrsituation im Auge hat und dosiert die Bremsleistung dementsprechend. Änderungen für den Fahrer: keine, der Druck aufs Bremspedal fühlt sich an wie immer.

Von der großen S-Klasse erbt der E 500 die Luftfederung Airmatic DC. Für die restlichen Modelle ist die neue Federung auf Wunsch lieferbar. Neu an der Airmatic in der E-Klasse: Sie soll beim Ausgleich der Schräglage in den Kurven genau die Schwingungen vermeiden, die bisher bei empfindlichen Insassen zu Übelkeit führten.

Anspruch: Marktführerschaft

Rund 48 Monate Entwicklungszeit Klasse hinter sich und dabei Investitionen von über zwei Milliarden Euro verschlungen. Die Preisliste beginnt bei 30 000 Euro plus Mehrwertsteuer. Ziel ist eindeutig die Spitze in der oberen Mittelklasse. Allein in Westeuropa entscheiden sich nach Unternehmensangaben in dem entsprechenden Fahrzeugsegment 28 Prozent der Käufer für die E- Klasse, in Deutschland seien es 37 Prozent.

Von Jochen Knecht