Trend bei Elektrorädern So wird jedes Rad zum E-Bike

Darauf haben viele gewartet: Smarte und billige Umrüstsätze verwandeln jedes Rad in ein E-Bike. Eine radikale Wende, denn die Radhersteller konnten bisher nur teuer und aufwändig.

Elektrofahrräder sind der Teil der E-Mobilität, der wirklich funktioniert. In Deutschland werden mehr als 400.000 Exemplare im Jahr verkauft. Die meisten E-Radler sind allerdings ältere Semester. Seit Jahren versucht die Branche, das Seniorenimage abzustreifen. Bislang mit mäßigen Erfolg. Im nächsten Jahr könnte sich das ändern. Dann kommen Antriebe auf den Markt, die fast jedes Rad einfach und kostengünstig in ein E-Bike verwandeln.

Die größte Innovation im Bereich E-Bike seit Jahren stammt nicht von einer großen Fahrradmarke und auch nicht von einem der renommierten Motorenhersteller wie Panasonic oder Bosch. Derzeit stellen zwei Startups in den USA ihre Projekte vor, die auf den ersten Blick täuschend ähnlich aussehen: SmartWheel von FlyKly und Copenhagen Wheel. In beiden Fällen handelt es sich um Nachrüstsätze, die fast jedes Rad in ein E-Rad verwandeln können. Das Besondere ist die Technik: Antrieb und Akkus sind in einer tellergroßen Radnabe versteckt, die Steuerung des Rades erfolgt drahtlos über ein beliebiges Smartphone. Vorteil: Zum Umrüsten muss nur das Hinterrad gewechselt werden, am Rahmen selbst müssen keine Kabel verlegt oder Halterung verschraubt werden. Wer einen kaputten Schlauch wechseln kann, bekommt sein Rad auch umgerüstet.

Hinzu kommt der sensationelle Preis: Bisher kosten Umrüstsätze leicht 1400 Euro, die Wechselräder kaum mehr als 400 Euro. Vermutlich waren die Außenseiter nötig, um das E-Rad erschwinglich zu machen. Bisher konnten die Fahrradproduzenten bei den E-Rädern hohe Preise durchsetzen: Unter 1800 Euro gibt es kaum ein Markenrad. Das Interesse an Billiglösungen war daher gering. Ob die Motoren auf Dauer qualitativ überzeugen, kann jetzt allerdings noch nicht beantwortet werden.

E-Antrieb auch für Einzelstücke und Kleinserien

Diese neuen Nachrüsträder sind für urbane Trendsetter gemacht. Schon die Steuerung via Smartphone setzt eine jüngere Kundschaft voraus. Die Reichweite von 35 und 50 Kilometern genügt für tägliche Strecken, für Tourenfahrer ist sie aber zu gering. Da sich fast jedes Rad umrüsten lassen kann, können endlich auch die Liebhaber von Custom-Rädern und anderen Unikaten auf den Stromantrieb umrüsten. Kleinen Fahrradmanufakturen ermöglichen die Sets, eigenständige E-Räder anzubieten. Prognose: Der Markt für E-Räder wird schicker und bunter werden.

Technische Limits erreicht

Bei den technischen Leistungsdaten ist das E-Rad weitgehend ausgereizt. Dafür sorgt der Gesetzgeber. Im Massenmarkt spielt nur die versicherungsfreie Pedelec-Klasse eine Rolle. Hier sind Motorleistung und Höchstgeschwindigkeit streng limitiert. Die amtlich verfügte Abregelung bei 25 km/h macht das Pedelec für sportliche Fahrer uninteressant. Mehr Power am E-Rad führt zu einem Versicherungskennzeichen und dem Verbot, Radwege zu benutzen. Darauf wollen sich nur die wenigsten einlassen. Über die Leistung kann sich also kein Hersteller profilieren. Auch das Reichweitenproblem ist längst gelöst: Die größte Akkuklasse absolviert bis zu 180 Kilometer.

Smartphone als Kommandozentrale

Das Smartphone wird in Zukunft das E-Rad steuern. Die Apps für das Copenhagen Wheel und das SmartWheel lassen die etablierten Hersteller schon jetzt alt aussehen. Mit dem Smartphone als Schaltzentrale bieten sich unendliche Möglichkeiten. Es kann etwa drahtlos mit einem Brustgurt zur Messung des Herzschlags kommunizieren, gleichzeitig überträgt der Motor die gestrampelte Leistung. Wenn Copenhagen Wheel und das SmartWheel erst auf dem Markt sind, werden weitere Apps folgen.

Auch im Pulse Ergo von Kalkhoff wird der Motor so angesteuert, dass eine ideale Traningsintensität abhängig vom Pulsschlag erreicht wird - auch ohne Smartphone. Doch auf Dauer führt am Smartphone kein Weg mehr vorbei. Wenn Billigprodukte mit einer coolen App gesteuert werden, können teure Räder nicht mit einem einfachen Controller aufwarten.

Ästhetik auf teurem Niveau

Markenhersteller setzen auf ästhetische Verfeinerungen. Wurden die ersten Motoren einfach an den Rahmen geschraubt, sind die modernen Motoren wie der von Bosch in den Rahmen integriert. Langfristig werden die Motoren noch kleiner und unauffälliger werden, solange bis sie kaum größer sind als ein Tretlager. Gleichzeitig werden die Akkus auch nicht wie mehr wie ein Paket am Gepäckträger oder am Rahmen montiert. Speziell geformte Rahmen nehmen die Stromspeicher unauffällig auf. Der Antrieb macht sich praktisch unsichtbar.

Gelungene Beispiele sind das Mountainbike von Cube Stereo Hybrid 140 SL 27.5 und das Stadtrad der Mitteldeutschen Fahrradwerke, Grace Easy Red Dot (3700 Euro). Einziges Problem sind die Kosten. Solche Schönheitskorrekturen treiben den Preis nach oben. Das Mountainbike kostet etwa 5000 Euro, das Stadtrad 3500 Euro.

Die spannende Frage lautet, wie die etablierten Hersteller auf die Herausforderung der Newcomer reagieren werden. Vermutlich werden sie mit eigenen Entwicklungen nachziehen müssen, denn die Idee, ein x-beliebiges Rad für wenig Geld zu elektrifizieren, wird die Kunden begeistern.

Von Gernot Kramper