Brilliance-Crash Der China-Kracher

Von Georg Weindl
Die Pläne sind ehrgeizig: 15.000 Fahrzeuge des neuen Brilliance BS6 aus dem fernöstlichen Riesenreich sollen 2007 in Europa verkauft werden. Das dürfte nach einem ADAC-Crashtest schwer werden.

Es hat etwas von einer Andacht, als die Ingenieure und Techniker auf der Balustrade im ADAC-Technik- Zentrum in Landsberg stehen und wortlos auf die gelbe Limousine wenige Meter unter ihnen starren.

Anspannung liegt in der Luft. Im nächsten Moment ist für wenige Sekunden ein zunächst leises, dann lauter werdendes Surren zu hören, dann ein peitschenartiger Knall. Kurz und heftig wie ein Gewehrschuss. Der Rammbock prallt mit 50 km/h in die Flanke des ockergelben Brilliance BS6 und katapultiert die Karosse über den Hallenboden. Gleichzeitig wird die Szene in das gleißende Licht der mitlaufenden Hochgeschwindigkeitskameras getaucht. Glassplitter bedecken den dunklen Boden. Rauch steigt aus den Radkästen und Türspalten. Die Zuschauer hasten auf der schmalen Treppe nach unten und begutachten die Überreste des eben noch nagelneuen Wagens. Mit betretenen Mienen zücken zwei chinesische Ingenieure ihre Digitalkameras und dokumentieren das, was ihnen demnächst wohl noch viel Arbeit bereiten wird: Der BS6, ein Produkt des chinesischen Herstellers Brilliance, steht krumm wie eine Banane vor ihnen. Wo vorher der Fahrer saß, wölbt sich die Tür stark nach innen. Gute 40 Zentimeter wurde die Seite des Wagens eingedrückt. Der Dummy kauert auf dem verbogenen Sitz.

Die Seitenkollision mit 50 km/h ist Teil des EuroNCAP Crashtests, bei dem nach europaweiten Standards die passive Sicherheit von Autos getestet wird. Der seltsame Name steht für European New Car Assessment Program. Das ist ein Netzwerk aus europäischen Institutionen, darunter Ministerien, Verbraucherschutzund Versicherungsverbände. Für die Einschätzung, dass das China- Auto miserabel abgeschnitten hat, braucht Ralf Ambos keine Computerauswertung. "Hier fehlen Verstrebungen, welche die Fahrgastzelle stabil halten sollen. Deshalb sind die Verformungen im Fahrerbereich extrem und die Brust- und Beckenbelastungen mit Sicherheit sehr hoch", sagt der ADAC-Ingenieur und Crash-Projektleiter. Bei der späteren Analyse wird das ganze Ausmaß deutlich: Der Kopf ist zwar zum Glück nicht gegen den harten Dachholm gedonnert (keine Kopf- und Seitenairbags), dafür wurden aber im Brust- und Bauchbereich katastrophale Belastungen gemessen. Auf der Straße hätten die zu äußerst kritischen Verletzungen geführt.

Die EuroNCAP-Bewertungen sind für alle Autohersteller wichtige Verkaufsargumente. Wer die maximal möglichen fünf Sterne erhält, hat es beim Kunden leichter, Vertrauen zu gewinnen. Die durchaus elegante Limousine, die in einem italienischen Designstudio entworfen wurde, ist so groß wie ein Audi A6 und mit Klimaanlage sowie Ledersitzen gut ausgestattet. Kostenpunkt: maximal 23.000 Euro. Das klingt nach einem Schnäppchen. Preislich schon, doch nicht von der Sicherheit her. Denn ein weiterer Brilliance musste noch beim Frontalaufprall mit 64 km/h versetzt gegen eine verformbare Wand ran. Dabei kollabierte die Fahrgastzelle. Der Fahrerairbag öffnete sich zwar, weil aber der Instrumententräger samt Lenksäule bogenförmig nach innen gewandert war, krachte der Dummy mit dem Kopf gegen die harte Armaturentafel. Schlimm sieht es auch im Fußraum aus. "Füße und Beine sind eingeklemmt, und die Pedale stehen wie Messer im Fußraum", sagt Ralf Ambos. "Im Realfall muss man wegen der eindringenden Fahrzeugteile von schweren bis tödlichen Verletzungen ausgehen." In der Gesamtbewertung beider Tests gibt es nur 13 von 40 möglichen Punkten und damit zwei von fünf Sternen. Allerdings wird einer wegen der hohen Brust- und Bauchbelastungen beim Seitencrash gestrichen. Hans-Ulrich Sachs, Chef des Brilliance-Generalimporteurs HSO Motors, hatte vorigen November noch versprochen: "Wir wollen und werden sehr kurzfristig drei und vier Sterne erzielen."

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