Führerschein Endlich Gas geben: In Niedersachsen dürfen 17-Jährige hinters Steuer

Saskia Becker aus Stadthagen gehört zu den ersten Teilnehmern des Modellversuchs "Führerschein mit 17", den das Land Niedersachsen am Montag in Hannover gestartet hat.

Die ersten theoretischen Stunden hat sie schon hinter sich, nun will sie sich endlich hinters Steuer wagen: Saskia Becker aus Stadthagen gehört zu den ersten Teilnehmern des Modellversuchs "Führerschein mit 17", den das Land Niedersachsen am Montag in Hannover gestartet hat. Im Alleingang gab die CDU/FDP- Landesregierung den Startschuss für das bundesweit einmalige Projekt, bei dem junge Leute ein Jahr früher als üblich den Führerschein machen können und dann in Begleitung eines Elternteils Gas geben dürfen. Bei Gegnern wie Befürwortern löst der Modellversuch heftige Reaktionen aus. Während die einen glauben, die Unfallzahlen junger Verkehrsteilnehmer so senken zu können, befürchten die Kritiker genau das Gegenteil.

Zu den nachdrücklichen Befürwortern der Idee gehören die 17- jährige Gymnasiastin Saskia und ihr Vater Karsten Becker (45), von Beruf Polizist. "Ich wohne auf dem Dorf, dadurch kann ich mobiler werden", sagt die blonde junge Frau. Von ihrem Zuhause in dem kleinen Örtchen Wendthagen muss sie anderthalb Kilometer bis zur Bushaltestelle laufen, zur nächsten Disko in Herford fährt sie meist ihr Vater.

Auch der hält das Modell für sinnvoll: "Mich hat das von Anfang an überzeugt", meint Karsten Becker. "Ich bin kein Autofetischist, sondern ich möchte, dass meine Kinder sich sicher im Verkehr orientieren können." Ihm macht es nichts aus, seine Tochter zu begleiten, wenn sie sich hinters Steuer setzen will: "Umständlicher als bisher ist das nicht, im Gegenteil. Die Arbeit halbiert sich für mich, weil ich ja künftig auch Beifahrer sein kann."

Der Polizist ist überzeugt, dass das Unfallrisiko reduziert wird, wenn junge Autofahrer längere Zeit mit einem erfahrenen Begleiter an ihrer Seite unterwegs sind, anstatt sich sofort ganz alleine hinters Steuer zu setzen, wenn sie ihren Führerschein in der Hand haben. In anderen Ländern wie Belgien, Österreich oder Frankreich wurden positive Erfahrungen mit vergleichbaren Modellen gemacht.

ADAC: Beifahrer ersetzt keinen Fahrlehrer

Ganz anders sieht das dagegen der ADAC. "Wenn ein Fahranfänger auf einer Landstraße überholen will, muss er selbst lernen, die Geschwindigkeit eines entgegenkommenden Autos einzuschätzen", sagt ADAC-Sprecher Dieter Wirsich. Ein Beifahrer bringe da gar nichts: "Im Notfall kann der weder bremsen noch Gas geben, wie man das in einem Fahrschulauto kann." Auch die Bundesregierung und vor allem Verkehrsminister Manfred Stolpe (SPD) sind scharfe Kritiker des Vorstoßes aus Niedersachsen. "Das Land handelt ohne rechtliche Grundlage", sagt Stolpes Sprecher Felix Stenschke.

Zu den Befürwortern gehören andere Automobilclubs wie der ACE, aber auch die Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände. "Die Jugendlichen können ein Jahr lang Erfahrungen im Straßenverkehr sammeln. Das kann in der Fahrausbildung nie geleistet werden", sagt Vorsitzender Gerhard von Bressensdorf.

Saskia Becker jedenfalls will bald die Führerschein-Prüfung ablegen und sich dann selber hinters Steuer des Familien-Autos setzen, ihren Vater an ihrer Seite. "Ich bin noch niemals gefahren, nur einmal auf dem Hof meines Opas habe ich es probiert. Das habe ich dann aber schnell wieder sein gelassen."

Von Sigrun Stock und Heike Jahnke, DPA