Wenn stimmt, was ehemalige oder auch noch aktive Mitarbeiter des schillernden Elektroauto-Herstellers Tesla erzählen, dann ist es mit der Herstellungsqualität nicht weit her. Nach diesen Darstellungen soll es so sein, dass die Autos, sobald sie die Produktionsstraße des Werkes in Fremont, Kalifornien verlassen haben, gleich danach einen ersten Stopp einlegen müssen - zum Nachbessern.
Das haben Mitarbeiter Vertretern gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters in den USA ausgeplaudert. Motto: "Built fast, fix later" ("Schnell bauen, später ausbessern"). Demnach hätten routinemäßige Prüfungen Qualitätsprobleme in mehr als 90 Prozent der nach der Montage inspizierten Modelle S und Model X aufgedeckt. Tesla sagt dazu, dass die Kontrollen ungewöhnlich streng sind, um selbst kleinste Unvollkommenheiten zu korrigieren.
Zum Vergleich: Die effizientesten Autohersteller der Welt, Toyota zum Beispiel, müssen nach Angaben von Branchenexperten durchschnittlich weniger als zehn Prozent ihrer Autos unmittelbar nach der Fertigstellung nachbessern. Bei Tesla soll das genau umgekehrt sein, mault ein ehemaliger Supervisor. Es müsse so viel überarbeitet werden, nachdem die Autos eigentlich fertig seien, dass an der Stelle fürchterlich viel Geld verpulvert werde. Tesla sagt dazu, dass die Mehrheit der Produktionsmängel erstens geringfügig und zweitens innerhalb weniger Minuten behoben seien.
Blechfugen, Knarzgeräusche, Lackkratzer
Tesla-Chef Elon Musk hat zwar geschworen, das Unternehmen werde "der beste Hersteller der Welt", unterstützt von einer neuen, hochautomatisierten Montagelinie. Doch Arbeiter sprechen (anonym) davon, dass mitunter bis zu 2000 Autos auf Außenparkplätzen des Werkes auf ihre Nachbesserung warten würden. Tesla bestreitet auch dies. Doch der Consumer Report (so etwas wie die Stiftung Warentest) und auch das renommierte Marktforschungsunternehmen J.D. Power weisen darauf hin, dass die Probleme wohl deftiger als zugegeben sind. Vor allem mit zu großen Blechfugen (Karosserieblechlücken), fehlerhaften Türgriffen, Knarzgeräuschen in den Modellen S und X, Kratzern im Lack sowie oftmals schlechte Türausrichtungen, was auf die mangelnde Herstellungserfahrung des Unternehmens zurückgeführt wird.
Das Urteil von J.D. Power unterm Strich ist bitter und dürfte Tesla nicht erfreut haben: Die Gesamtqualität der Tesla-Fahrzeuge im Luxussegment ist "nicht wettbewerbsfähig“, da es an "Präzision und Liebe zum Detail" mangelt. Zu einer ähnlichen Einschätzung gelangte auch der Wallstreet-Analyst Toni Sacconaghi nach einer Fahrt mit dem neuen Model 3. Er schrieb im Internet, dass die Passform und das Finish "relativ schlecht" sind. Überdies beklagen sich Tesla-Besitzer in Webforen über nerviges Rasseln, fehlerhafte Software und schlechte Dichtungen, die Regenwasser in das Innere oder den Kofferraum sickern lassen würden.
Die "schneckenlahmen" Deutschen werden gefährlich
Tesla dürfte jetzt an einem Punkt angekommen sein, an dem sich das Wohl oder das Wehe des Konzerns entscheiden wird. Denn klar ist, dass langfristig nur 1-A-Qualität auf dem Weltmarkt zu verkaufen ist. Vor allem auch unter dem Gesichtspunkt, dass die immer wieder gerne als schneckengleich beschriebene lahme Konkurrenz von VW, BMW oder Daimler demnächst mit Tesla-Gegenmodellen auf den Markt kommen wird. Und wenn die drei deutschen Konzerne eines beherrschen, dann ist es das Können, Qualität zu liefern.
Genau das jedoch scheint derzeit eines von zwei großen Problemen Teslas zu sein. Das zweite: Mindestens für das neue Model 3 werden nicht annähernd die anvisierten Stückzahlen erreicht. Pro Woche waren 5000 Stück geplant, bis jetzt sind es jedoch nur ein paar hundert. Die ambitionierten 5000 sollen nun erst ab Frühjahr 2018 erreicht werden. Solange Tesla von der Stückzahl her den Nimbus eines Nischenherstellers hatte, der die etablierte Konkurrenz mit seinen schicken Elektroautos ärgert und ihr in dem Segment sogar davon prescht, solange war alles relativ gut.
Tesla braucht frisches Geld, damit der Laden läuft
Aber jetzt, mit dem Model 3, wurde der Einstieg in den Massenmarkt gewagt. Da liegt die Latte in puncto Güte und Stückzahl bedeutend höher. Und bald sollen auch noch Elektrolastwagen gebaut werden. Hinzu kommt, dass Tesla noch nie einen Jahresgewinn ausgewiesen hat, sondern stattdessen angeblich jedes Quartal etwa eine Milliarde Dollar benötigt, um dem Laden am Laufen zu halten. Das bedeutet, dass ständig frisches Geld über Kapitalerhöhungen nachgeschossen werden muss. Bislang hat es der Ankündigungs-Weltmeister und Noch-Börsenliebling Elon Musk stets geschafft, neue Geldquellen anzuzapfen.
Mehren sich jedoch Qualitäts- und Stückzahlprobleme, dann wird auch der enthusiastischste Tesla-Fan irgendwann seinen Geldbeutel geschlossen halten und keine neuen Anteile mehr zeichnen. Der Umsatz im dritten Quartal von Juli bis September lag knapp unter drei Milliarden Dollar. Das entspricht zwar einem Plus von rund zehn Prozent gegenüber dem gleichen Vorjahreszeitraum. Doch der Verlust stieg in den ersten neun Monaten 2017 deutlich auf knapp 1,5 Milliarden Dollar (Quartale eins bis drei 2016: 550 Millionen Dollar). Allein von Juli bis Ende September waren es 619 Millionen Dollar. Mehr Miese hat Tesla seinen Investoren bislang noch in keinem Quartal zuvor zugemutet. Die desolate Lage im Markt spiegelt sich an der Börse wider: Lag der Kurs des Tesla-Papiers im Juni noch bei 343 Euro, sackte er inzwischen auf unter 300 Euro.