Es hat etwas Verblüffendes, beinahe Magisches, wie das Bild sich selber zeichnet, als Alexander Ilic zur Maus greift, die neben seinem Laptop liegt. Er wischt ein paar Mal über eine Anzeige in einem Magazin, und mit jeder Handbewegung vervollständigt sich das Bild - so als hätte Ilic einen Pinsel genommen, mit dem er das Foto vom Papier einfach auf den Monitor übertragen kann. In wenigen Sekunden ist die Arbeit getan, und per Knopfdruck verliert die Maus ihre Superkräfte wieder: Ein Klick, schon verwandelt sie sich zurück in einen alltäglichen, unscheinbaren Computer-Begleiter.
Illic, ein 30-jähriger Ingenieur aus der Nähe von München, ist einer der Erfinder des begabten Eingabegeräts. "Wir wollen die Barriere senken", erklärt er; schließlich bedeute Scannen bisher meist Extra-Aufwand durch Aufstehen, Umstöpseln und das Starten spezieller Software. Mit dem LG Maus-Scanner soll all das zur Vergangenheit gehören: "Der Scanner ist immer da, und man kann sofort alle Inhalte verwenden", sagt Ilic. Es ist die Maus-Software selbst, die auf PCs ebenso wie auf Macintosh-Rechnern das Einlesen der Papiervorlagen mit übernimmt: Fotos lassen sich drehen, zurechtschneiden und auf andere Weise weiterverarbeiten. Eingebaute Texterkennung soll es leicht machen, etwa Visitenkarten ans Adressbuch zu verfüttern oder gedruckte Zahlenkolonnen in eine Tabellenkalkulation zu übernehmen.
Zufallstreffer
Ihr Leben verdankt die Scan-Maus einem Brainstorming, bei dem es eigentlich um ganz andere Dinge ging: Als Ilic nach seiner Promotion an der Technischen Hochschule in Zürich mit Freunden beisammen saß, um Ideen für eine eigene Firma zu wälzen, ärgerten sich alle gemeinsam darüber, dass sie ihre Notizen und Skizzen nach jeder Sitzung zeitraubend in den Computer übertragen mussten. "Wir dachten, es müsste doch möglich sein, einfach über das Papier zu wischen, und dann hat es jeder", erzählt Ilic.
Das Problem war kniffliger, als die vier Freunde, allesamt Informatik-Spezialisten, es sich ausgemalt hatten: Um Dokumente sicher zu erfassen, selbst wenn Vorlagen leicht verrutschten können oder die Hand mal zittert, müssen Scanner und Software so intelligent zusammenspielen, dass sie allerlei Unwägbarkeiten ausbügeln können. Rund zwei Jahre lang tüftelten die Entwickler, bastelten Prototypen und suchten Partner. Am Ende war der koreanische Elektronikriese LG so angetan, dass er sich die Rechte zunächst exklusiv sicherte und die Scan-Maus nun als erstes Gerät einer neuen Sparte von "Smart Accessories" startet. "Wir waren auf der Suche nach einem neuartigen, ungewöhnlichen Produkt", erklärt LG-Manager Hyunsuk Park, "und wir glauben, dass tragbare Scanner ein ganz neuer Markt werden können."
Konkurrent Smartphone
Dazu wird sich die Scan-Maus allerdings gegen einen anderen Trend durchsetzen müssen: Immer öfter übernehmen smarte Handys die Aufgabe, Dokumente in die Digitalwelt zu kopieren - besonders unterwegs. Dutzende von Apps wie Scanner Pro und Droidscan machen es leicht, mit der Kamera im Mobiltelefon Fotos zu knipsen und auf diese Weise Quittungen zu erfassen, Texte einzulesen und vieles mehr. Wer will, kann die Info-Schnipsel gleich vom Mobiltelefon weiterschicken an Internetdienste wie Lemon oder Expensify, die versprechen, lästige Pflichten wie die Spesenabrechnung etwas angenehmer zu machen.
Doch selbst App-Anbieter sehen Vorteile in der Scan-Maus: "Sie ist perfekt für größere Dokumente und auch für Leute, die Schwierigkeiten haben, das Handy still zu halten", sagt Expensify-Manager Matt McNamara. "Man kann nichts falsch machen, das Bild wird immer scharf." Die kalifornische Firma gehört zu einer Reihe von Software-Partnern, die darauf setzen, dass der unkomplizierte, schnelle Griff zur begabten Maus ihnen neue Nutzer bescheren wird. Auch das Zusammenspiel mit populären Diensten wie Evernote und Dropbox soll es eifrigen Scannern leichter machen, die Welt auf Papier mit den Datenwolken aus dem Internet zu vereinen.
Die Erfinder selbst haben bei allem Erfolg mit ihrem Digitaltier eigentlich nur ein Problem: "Von außen sieht es aus wie eine ganz normale Maus", sagt Ilic. "An der Form ist leider nicht erkennbar, dass es mehr kann."