Keine Frage, das iPad verführt. Von außen wirkt es kühl und elegant - geräuschloses Understatement. Das Feuer kommt von Innen. Ein Knopfdruck, und das iPad ist eingeschaltet. Langwieriges Hochfahren entfällt. Fotos und Filme, Buchtitel und Plattencover funkeln richtiggehend auf dem hochauflösenden Glasbildschirm.
Die Programme öffnen sich mit Apples speziell entwickeltem, stromsparendem Prozessor in Sekundenschnelle. Das Internetsurfen ist schnell und dank des fast zehn Zoll großen Bildschirms um Längen besser als etwa mit dem iPhone. Die Batterie hat offenbar Ausdauer: Nach 24 Stunden Test - mit Surfen, Apps herunterladen und Musik- und Videowiedergabe - zeigt das Gerät noch über die Hälfte der Laufzeit an. Die meisten der rund 150.000 iPhone-Anwendungen sind auch auf dem iPad zu haben, über 1000 bereits in einer iPad-optimierten Version. Den berührungsempfindlichen Bildschirm steuert man per leichtem Fingerdruck. Keine Maus, keine Kabel - nichts kommt zwischen den Nutzer und sein iPad.
Gefunden in ...
... der Online-Ausgabe der "Financial Times Deutschland"
Aber schnell wird auch klar: Das iPad ist in erster Linie ein Zurücklehngerät. Es ist Fabelhaft zum Konsumieren, aber unpraktisch zum Produzieren. Wer längere Mails schreiben, mehrere Programme gleichzeitig bedienen und Texte, Tabellenkalkulationen und Präsentationen erstellen will, braucht mehr. Das iPad geht mit auf Geschäftsreise? Smartphone und Laptop sollte man gleich mit einpacken. Das iPad ist - noch - kein Ersatz dafür.
Apple-Chef Steve Jobs demonstrierte die ideale iPad-Stellung bei der Enthüllung Ende Januar in San Francisco. Und die hat wenig mit aktivem Arbeiten und viel mit entspanntem Lesen, Filme und Fotos schauen, im Internet surfen und Musik hören zu tun. Bequem im Sessel sitzen, am besten ein Bein übers andere, damit man das iPad in der einen Hand halten und auf dem Knie abstützen kann, während man mit der anderen Hand das Display bedient. Wer das Tablet-Gerät länger ohne Stütze halten will, braucht bei knapp 700 Gramm Gewicht zwei Hände. Und selbst dann dürften beim Lesen eines elektronischen Buchs Ermüdungserscheinungen auftreten - genau so, als wenn man mit der gebundenen Ausgabe von "Krieg und Frieden" im Bett liegt.
E-Mails und mehr schreiben
Wer mehr als ein paar Wörter schreiben will, dürfte mit dem iPad schnell an die Grenzen seiner Geduld stoßen. Das gilt insbesondere für Zehnfingerschreiber. Sie werden zu unbeholfenen Zweifingertippern, vor allem, wenn sie den Umgang mit der virtuellen Tatstatur auf dem Bildschirm nicht schon mit iPhone oder iPod Touch erlernt haben. Hält man den iPad im Hochformat, scheinen die "Tasten" für Elfenfinger ausgelegt. Im Querformat sind sie deutlich größer, das erleichtert die Sache aber kaum. Wer also mehr als rudimentäre Zweizeiler-Mails schreiben will, greift besser zu Beruhigungspillen oder gleich zum Notebook.
Wer die Eigenheiten des Betriebssystems nicht vom iPhone her kennt, dürfte auch recht lange nach Umlauten und anderen Sonderzeichen suchen. Tipp: Um beispielsweise ein ü zu schreiben, muss die u-Taste lange gedrückt werden. Aber Hilfe ist in Sicht: Ab Mai soll (in den USA für 69 Dollar) eine externe iPad-Tastatur verfügbar sein. Doch dann schleppt der iNomade ein weiteres Stück Hardware mit sich herum.
Trotz der Tipphürden und Apples Fokus auf medienkonsumierende Nutzer, hat der kalifornische Technologiekonzern ganz klar auch Kunden im Visier, die richtig arbeiten möchten. Warum sonst hätte er seine Bürosoftware iWork für das iPad optimiert? Das Textverarbeitungsprogramm Pages, die Tabellenkalkulation Numbers und die Präsentationssoftware Keynote können für je 9,99 Dollar und in je unter drei Minuten aus dem App Store heruntergeladen werden. Wer iWork bereits für den Mac gekauft hat, muss die iPad-Version dennoch erneut bezahlen.
Unpraktisch ist, dass vom iPad aus nicht gedruckt werden kann. Dokumente müssen per E-Mail an einen Computer geschickt oder mittels des 30-Pin-USB-Kabels mit dem PC oder Mac synchronisiert und von dort aus gedruckt werden. Wer ein iWork.com-Konto in der Apple-Cloud hat, kann die Dokumente dort speichern und dann auf den Rechner mit Druckeranschluss herunterladen.
Erfreulich: In Microsofts Office-Büropaket erstellte Powerpoint-, Excel und Word-Dateien können in iPad-iWork importiert werden. Umgekehrt kann man zum Beispiel Pages-Dateien im Word-Format speichern, auf den PC oder Mac übertragen und in Word öffnen.
Mit dem iPad auf Reisen
Wer auf Reisen Videokonferenzen etwa mit Skype führen will, hat Pech. Das iPad besitzt keine Kamera. Ohne Video telefonieren funktioniert dagegen. Skype steht im App Store bereit. Zwar gibt es von Skype wie von vielen Apps noch keine fürs iPad optimierte Version. Diese Anwendungen wirken deshalb in ihrer iPhone-Originalgröße etwas verloren auf dem größeren Bildschirm des iPad. Man kann die Größe mit einem Fingerdruck verdoppeln, aber dann werden die Apps unscharf.
Jobs' Vision von der papierlosen Bedienungsanleitung
Viele Funktionen, wie etwa die gut versteckte Auswahl anderer Schriftsätze in der Pages-Textverarbeitung, sind schwer zu finden. Hilfe bietet ein Online-Leitfaden. Apple-Chef Jobs hält wenig von gedruckten Handbüchern, was selbst technikaffine iPad-Nutzer mit iPhone-Erfahrung als Arroganz auslegen könnten. Die Bedienungsanleitung in der geschmackvoll gestalteten und umweltfreundlich kleinen iPad-Schachtel erschöpft sich in drei kurzen Schritten auf einer 16-mal-11-Zentimeter kleinen Karte. Viel mehr als die Anweisung, die neueste Version von iTunes auf den Mac oder PC herunterzuladen und das iPad an den Rechner anzuschließen, erhält man nicht. Alles Weitere sei auf www.apple.com/ipad zu erfahren. Da kann man nur hoffen, dass man selten in ein Wlan- oder Mobil-Funkloch gerät, wenn man gerade eine Frage zur Bedienung hat.
Keine Frage: Viele der fehlenden Funktionen wird Apple in künftige Modelle einbauen und heute vorhandene Mängel verbessern. Das große Plus: Vielen Geschäftsreisenden wird es die mindestens 499 Dollar sowie zusätzliche 700 Gramm Reisegewicht wert sein, im Hotelzimmer den Laptop einfach einmal links liegen zu lassen und sich mit dem handlichen, nie erhitzten iPad zum Videoschauen oder Lesen auf die Couch oder ins Bett zu legen.
Und hier liegen der Charme und das Geschäftspotenzial für Apple: die Nutzer mit dem iPad laufend zum Kauf von Büchern, Magazinen, Spielen, Musik und Filmen zu animieren. Der iPad und Apples Online-Shops als in sich geschlossener Konsumkreislauf. Außerhalb von Apples Reich und kostenlos etwa bei Hulu werbefinanzierte TV-Shows und Filme anschauen, das geht ja nicht. Das populäre Videoportal setzt - wie fast alle Websites - das Videoformat Flash ein. Und das kann das iPad, wie auch das iPhone, auf Jobs' Geheiß nicht abspielen.