In endlos langen Jahren habe ich mich an die Geheimnisse des Computers herangepirscht. Jetzt endlich habe ich so viel Ahnung vom PC, dass ich nicht mehr nach dem Warum frage, wenn mal wieder etwas kaputt geht - das ist eben so. Doch wie sieht das mit der nächsten Generation aus? Wie lernen die Kinder den Umgang mit dem Computer? Nur gut, dass ich zwei Anschauungsobjekte im Haus habe.
Besser spät als nie
Ich bin erst relativ spät zum Computer gekommen. Als meine Freunde in der Schule sich bereits für die ersten Commodore-Brotkästen begeisterten, habe ich lieber Mädchen erforscht. Das schien ungleich spannender. Obwohl meine Kumpels sicherlich die lukrativere Ausrichtung gewählt haben, denn schon bald begannen sie einen einträglichen Diskettenhandel auf dem Schulhof.
Wen interessiert schon das Innenleben?
Erst Jahre später legte ich mir den ersten Computer zu. Damals jobbte ich neben dem Biologie-Studium auf dem Bau. Hier fielen dem Chef der Truppe ein paar Laptops in die Hand, die anscheinend von irgendeinem Laster gefallen waren. Mit einem dieser Boliden vom Format einer tragbaren Schreibmaschine wurden meine Dienste ausbezahlt. Da saß ich nun mit einem Graustufen-XT, winziger Festplatte, Maus und absolut null Ahnung. Damals hatte ich zum Glück einen wissenden Kumpel, der mir immer wieder die Festplatte neu mit DOS bespielte, sobald ich im jugendlichen Leichtsinn »aufräumte« und alle vermeintlich überflüssigen Dateien löschte. Damals war ich tatsächlich noch bestrebt, hinter das graue Blech zu schauen und mehr über das Innenleben des Rechners zu erfahren. Mit solchen Nebensächlichkeiten gibt sich der Nachwuchs von heute gar nicht mehr ab.
Alisa (3) kennt den Computer bereits seit ihrer Geburt. Meine Tochter stellte schnell fest, wie viel Spaß es macht, auf allen vieren durch das Büro zu krabbeln. Schließlich schrie Herr Franz immer so schön laut auf, wenn sie ganz plötzlich den Turbo einlegte und zielsicher mit dem winzigen Finger auf den Aus-Knopf seines Rechners drückte. So manches wichtige CD-ROM-Menüsystem wurde auf diese Weise geschlachtet und verpuffte im Arbeitsspeicher. Irgendwann einmal merkte Herr Franz, dass der Tower eine grüne Plastikklappe besaß, die sich vor die Knöpfe des auf dem Fußboden stehenden Rechners schieben ließ. Alisa fand das in der Folge noch viel toller als den Aus-Knopf und verbrachte Stunden damit, die Klappe hoch und runter zu schieben. Während Herr Franz weiter um seine Dateien bangte.
Fernbedienung ohne Kindersicherung
Inzwischen spielt Alisa gerne mit der Fernbedienung für meine externe Soundkarte. Es ist doch immer wieder eine Bereicherung des Arbeitstages, wenn WinAmp so ganz unverhofft auf volle Lautstärke aufgedreht wird und irgendein neuer MP3-Sound aus einer Online-Tauschbörse in extremer Dezibel-Zahl aus den Boxen bläst.
»Kann isch schon«
Alisa hat inzwischen auch den Computer selbst entdeckt. Bin ich nicht im Büro, schwingt sie sich gerne auf den Schreibtischstuhl und hackt mit beiden Händen auf der Tastatur herum. So manche vollendete, aber noch nicht abgeschickte stern.de-Kolumne reduzierte sich dabei auf den Inhalt »kj$%&&/(67i7sdf898ß8f76s«. (Wobei manche Leser meinen mögen, es gäbe keine Veränderung zum vorherigen Inhalt.) Inzwischen möchte Alisa auch selbst am Computer spielen. Das mit der Maus »kann isch schon«, murmelt sie dann, obwohl sie das Rollkugeleingabegerät immer noch falsch herum in den schokoladenverschmierten Pranken hält. Über mangelndes Selbstvertrauen muss ich bei der nächsten Generation jedenfalls nicht bangen.
Linus (bald 5) macht keinen Quatsch mehr, sondern will spielen. Am Computer. Und zwar immer genau dann, wenn ich noch ganz schnell einen wichtigen Text auf den allerletzten Drücker fertig stellen muss. Dann bettelt er »Ach biiiittte, Papa, nur eine Minute.« Ich erkläre ihm dann immer, dass ich meine Texte schreiben müsse, um Geld zu verdienen. Für sein Fahrrad, seine Benjamin-Blümchen-Hefte und damit wir wieder nach Mallorca in den Urlaub fahren können. Die Lösung ist schnell gefunden: »Du kannst weiter schreiben, wenn du mich abends ins Bett gebracht hast, ja?«
25 Euro - in einer Stunde hinweggespielt
Also gut: Dann spielen wir eben was. Ich nehme den Racker auf den Schoß und lege eine neue Kinder-CD ein. Linus schaut sich das dann an, fragt »Was muss ich da machen?«, ich erkläre es ihm und er macht es dann. Wir haben mit Max gelbe Socken für das Schloßgespenst gesucht, Töff-Töff durch die Zeit begleitet und mit Bibi Blocksberg nach bösen Hexenmeisterinnen gesucht. Erstaunlich ist, dass selbst Fünfjährige oft nicht länger als eine Stunde Zeit brauchen, um ein 25-Euro-Spiel komplett zu meistern. 25 Euro - in einer Stunde verraucht. Schlage ich Linus ein Spiel vor, dass wir schon kennen, heißt es oft: »Mensch Papa, bist du dumm. Das haben wir doch schon gespielt.«
»Wenn ich einmal groß bin...«
Eine meiner Hoffnungen wird schon jetzt bass enttäuscht. »Wenn ich einmal groß bin, will ich keine Texte schreiben«, sagt Linus. Ach herrje, wer soll denn dann das Redaktionsbüro übernehmen?
Carsten Scheibe