Peter und sein Bruder Jonas schauen bedröppelt auf ihre eigenen Füße. Sie warten darauf, dass die Standpauke ihrer Eltern vorüber geht. Das kann aber noch dauern. Auf der Telefonrechnung der Familie ist nämlich ganz plötzlich ein neuer Posten aufgetaucht. 356,30 Euro stehen da. Das sind etwa 300 Prozent mehr, als die Familie ansonsten im Monat für Telefondienste aller Art ausgibt. Dieses Mal, das haben die findigen Eltern schnell herausbekommen, war ein Dialer für die plötzliche Kostenexplosion verantwortlich. Sicherlich haben sich die Kinder Witze im Internet angeschaut oder zum Schummeln einen Hausaufgabendienst besucht - und dabei aus Versehen einen gebührenpflichtigen Dialer aktiviert.
Doch kein Zufall
Doch mitnichten. Das harte Verhör der zehn und 13 Jahre alten Brüder bringt zu Tage, dass sie sich den Dialer ganz bewusst aus dem Internet heruntergeladen und ihn installiert haben. Denn getrieben von einer unstillbaren Neugierde haben sie einen Sexserver besucht und sich einmal ordentlich im sündigen Fundus umgesehen. Die Brüder haben hunderte von sexuell expliziten Fotos gesichtet und sich in mehrere Live-Videoshows eingeklickt. Nun wissen sie mehr über das geheimnisvolle Fachgebiet Sex, als sie je erfahren wollten. Ziemlich eklig kommt ihnen das Ganze vor, das da auf dem Bildschirm zu sehen war. Wenn das Sex war, dann würden sie lieber noch eine Weile weiter mit ihrem Playmobil spielen.
Porno ist nur einen Mausklick entfernt
Peter und Jonas sind keine Einzelfälle. Immer mehr Kinder und Teenager haben Zugriff auf einen Internet-Computer oder besitzen gar selbst einen, der in ihrem Kinderzimmer steht. Das ist auch durchaus sinnvoll, weil es sich inzwischen wirklich lohnt, den Computer auch beim Anfertigen der Hausaufgaben zu benutzen - etwa, um Fakten bei Wikipedia zu recherchieren. Doch das Sündenbabel ist stets nur einen Mausklick weit entfernt. Deutschland ist zwar führend darin, Sexinhalte hinter einer Altersschutzabfrage wie X-Check zu verstecken. Aber: Auf den Vorschauseiten gibt es noch immer genug zu sehen und zu lesen. Auch wenn die entscheidenden Stellen in den Vorschaubildern mit einem Balken versehen sind. Jedes kleine Kind kann aber die harten Fakten lesen, um anschließend ihre Eltern zu befragen: "Papa, was sind denn notgeile Pusta-Schlampen?"
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Der ganze Altersschutz im Internet steht auf der Kippe. Denn was nützen brav weggesperrte deutsche Seiten, wenn es auch für Kinder keine Grenzen gibt und sich die amerikanische Pornoseite ohne Probleme und vor allen Dingen ohne Zensur öffnen lässt? Längst kursieren bei den Teenagern unter der Hand nicht nur die Raubkopien der angesagten Filme und Songs, sondern auch die Links von speziellen japanischen und holländischen Sammelseiten, die jeden Tag zigtausend kostenfreie Pornobilder aus dem Web zusammentragen. Da erfährt dann die neugierige Pferdenärrin mitunter, dass die Liebe zum Hottehü auch ganz andere Blüten treiben kann.
Wovon reden die Kids eigentlich?
Eines ist mal klar: Neugierige Kinder finden immer einen Weg. Wir haben früher auch Sexhefte in der Mülltonne gefunden oder den einen oder anderen Super-8-Film bei den Eltern von einem Freund entdeckt. Sexfilme waren schon immer ein von Heranwachsenden gern genutztes Medium, um festzustellen: Ach so geht das! Klar muss nur eines sein: Der Sex, der heute im Internet gezeigt wird, ist kein normaler Sex mehr. Es ist Akrobatiksex, Close-up-Sex und Extremsex. Hier werden extreme Wünsche ausgelebt, um doch noch den einen oder anderen zahlenden Kunden zu gewinnen, der sich von normaler Pornografie nur noch gelangweilt fühlt. Viele Eltern sind besorgt, wie sich ihre Kinder entwickeln werden, wenn sie im Internet auf Praktiken stoßen, die sie selbst nicht einmal auch nur für fünf Minuten in Betracht ziehen würden. Bei Peter und Jonas gilt es inzwischen in der Schule als cool, mit Sex-Fachbegriffen aus dem Internet um sich zu werfen. "Alte Bukkake-Tante", heißt es da. Oder "Doofer Gangbang-Longjohn". Die Lehrer tun nichts dagegen. Sie kennen die Begriffe ja selbst nicht und sind froh, nicht mehr länger die sonst auf dem Pausenhof üblichen Schimpfwörter zu hören.
Für die Eltern gilt wohl noch für lange Zeit: Die Sexseiten im Internet sind da. Sie lassen sich auch mit allen Tricks und Sperrprogrammen nicht vollständig unterdrücken. Wichtig ist, mit im Internet surfenden Kindern über die Sexseiten zu sprechen und ihnen einzutrichtern, sie nicht aufzurufen oder sie gleich wieder wegzuklicken, wenn eine entsprechende Seite auf dem Bildschirm erscheint. Ansonsten bleibt nur die Möglichkeit, die Kinder beim Surfen zu überwachen und diesen Schritt in eine fremde digitale Welt nur gemeinsam mit ihnen zu unternehmen.
Eine Glosse von Carsten Scheibe, Typemania