In meinem Schrank stehen die Komplettausgaben von "Calvin & Hobbes", der gebundene Bolide mit allen Cartoons von Gary Larson und die ersten Bände der "Peanuts"-Werkausgabe - natürlich alle in englischer Sprache. Ich habe auch sämtliche US-Printausgaben von "For Better or For Worse", von "Stone Soup", "Baby Blues", "Adam@Home", "Luann" und "Pickles". Die meisten Leser dieser Kolumne werden diese Cartoons freilich gar nicht kennen - was schade ist.
In den USA sind die Daily Cartoons ein fester Bestandteil der meisten Tageszeitungen. Oft gibt es dort einen ganzen Zeitungsbogen, der von oben bis unten zahlreiche verschiedene Cartoons sammelt. In der Woche gibt es einen einzeiligen Strip, der maximal aus drei bis vier Bildern inklusive einer Pointe besteht, am Sonntag kommt dann der zweizeilige Strip zum Einsatz, der außerdem in Farbe erscheint. In den USA gibt es Hunderte dieser Cartoon-Serien. Nur die wenigsten davon schaffen es jemals nach Deutschland. Hierzulande gebührt dem Achterbahn-Verlag das Lob, wenigstens einige gute Cartoons wie "Baby Blues" oder "Adam@Home" auf den Markt zu bringen.
Es ist erstaunlich, wie die doch dem Papier so verhafteten Cartoons nach und nach das Internet erobert haben. Längst betreiben die einzelnen Cartoon-Zeichner eigene Homepages, die ein Archiv mit allen bereits veröffentlichten Cartoons pflegen. Oft werden diese Seiten von den großen Syndikationsagenturen gehostet. King Features sammelt so jeden Tag aufs Neue die Strips von "Sherman's Lagoon", "Zits" oder eben "Baby Blues". Die Online-Strips hinken den Tageszeitungen absichtlich um 14 Tage hinterher, um keine Leser vom Printprodukt abzuziehen. Aber wen kümmert das in Europa schon, wenn er dafür jeden Morgen die neuesten Strips lesen kann, die ihm ansonsten völlig vorenthalten werden?
Schnell wird man süchtig. In "Baby Blues" geht es um die täglichen Abenteuer einer gestressten Familie mit dem inzwischen dreifachen Baby-Nachwuchs. Wer das ganze Grauen miterlebt hat, das aus einem so harmlos erscheinenden Babybettchen kommt, wird herzlich mitlachen können, wenn die Kids im Comicstrip genau den gleichen Unfug treiben wie die eigenen in der realen Welt. In "Stone Soup" steht eine Patchwork-Familie im Mittelpunkt. Die emanzipierte Oma, die pubertierenden Töchter, die gestresste Mutter, der hyperaktive Hund: Hier tobt das Leben. Bei "Adam@Home" sind es die Freuden des selbstständigen Heimarbeiters, die andere Selbstständige zum Lachen bringen. Wenn Adam sich wieder einmal nicht zum Arbeiten aufraffen kann, mit den Pfunden kämpft und seinen Heimarbeitsplatz verschönert, dann ist das einfach komisch.
Besser als das gedruckte Original
Längst ist das Cartoon-Business ein großes Online-Geschäft geworden, wie mein Lieblings-Strip "For Better or for Worse" von Lynn Johnston zeigt. Online ist es möglich, Original-Zeichnungen, Bücher mit Autogrammen, T-Shirts mit Cartoon-Motiven und tausend andere Dinge zu kaufen - etwa Kettenanhänger mit dem Häschen aus dem Comicstrip. Lynn Johnston ist sowieso eine sehr kluge Geschäftsfrau. In ihrem Comicstrip erzählt sie ernst und humorig die Lebensgeschichte einer fiktiven amerikanischen Familie - eine gigantische Soap Opera, bei der langjährige Leser zuschauen konnten, wie die Kinder der Familie groß und flügge werden. Für ihren Online-Strip hat sich Johnston nun eine kleine Revolution ausgedacht. Sie speichert ihre Cartoons als animierte GIFs. Das fällt dem Leser erst gar nicht auf. Doch dann blinzelt plötzlich eine Comicfigur oder wackelt ein Schimpfwort in einer Sprechblase - kleine Effekte nur, die aber wirken. Sie machen den Online-Comic besser als die Printversion.
Bei mir beginnt kein Tag ohne Cartoon-Lektüre. Bei diesem Unterfangen hilft mir ein kostenloses Windows-Tool namens Comic Reader von Evan Reynolds. Es kennt die Online-Adressen von weit über hundert Online-Cartoons und erlaubt es, die besten per Mausklick zu abonnieren. Am Ende platziert das Programm ein kleines Icon auf dem Windows-Desktop. Ein Doppelklick reicht dann jeden Morgen aus, um die neuen Ausgaben der eigenen Lieblings-Cartoons aus dem Netz zu ziehen und sie in eine gemeinsame Web-Seite zu übernehmen, die im Web-Browser angezeigt wird. So beginnt jeder Tag mit einem Lächeln. Wollen Sie es nicht auch einmal versuchen?
Eine Glosse von Carsten Scheibe, Typemania