Wir treffen uns dieses Mal in Kalles Landhaus, weil wir es zur Abwechslung einmal ganz rustikal mögen. Bei Kalle gibt es Gulasch und Knödel, leckeren Fisch und auch das eine oder andere Schnitzel. Und natürlich eine Runde Bier für die Jungs. Ich gönne mir ein Köstritzer Schwarzbier, Jörgi nimmt als Exil-Bayer ein Weizenbier, Robert greift zum Warsteiner, und Cookie hält der Potsdamer Rex-Brauerei die Stange.
Robert möchte Pläne machen und im März ein Klassentreffen organisieren. Aber er gibt sich noch misstrauisch: "Möchte etwa jemand von euch zur Cebit fahren? Die ist auch im März. Nicht, dass ihr nicht könnt und ich ganz alleine auf meinem frisch organisierten Klassentreffen sitze."
"Die ist für mich erledigt"
Ich winke ab und zugleich der Bedienung zu, die mein Jägerschnitzel etwas ziellos durch den Raum trägt. "Hallo, hier gehört das Schnitzel hin." Die Frau stellt das Schnitzel vor Jörgi ab. Der freut sich, er hat sich nämlich auch eins bestellt und gibt es nun nicht mehr her. Ich werfe ihm einen bitterbösen Blick zu und unke, dass die Pilze wie Knollenblätterpilze und nicht wie Champignons aussehen würden. Jörgi macht große Augen. Ich wende mich wieder Robert zu: "Die Cebit ist für mich erledigt. Und das für alle Zeiten. Richtig gute Gespräche kann man vor Ort eh nicht mehr führen. Erst einmal ist keiner mehr da, weil alle der Messe fernbleiben. Und die kommen, sind eh alle schlecht gelaunt, im Stress und völlig überfordert. Ich wickele meine Sachen inzwischen lieber fernab der Cebit ab, da habe ich mehr Erfolgsaussichten. Und was die Technik anbelangt: Alle Informationen stehen doch auch im Internet. Da muss ich nicht morgens nach Hannover fahren, mir den ganzen Tag die Füße in den Bauch stehen und abends wieder nach Hause fahren, nur um einen Bildschirm auch real anfassen zu können. Für mich ist die Cebit tot, töter, am tötesten. Sagt man das so - tötesten? (Anm. d. Red.: Nein!) Na egal, ich fahre jedenfalls nicht hin."
Auch Cookie ist nicht interessiert: "Zur Cebit fährt man nicht hin, da kommt man her. Seitdem die Standmiezen nicht mehr so sexy sind und in den Nebenhallen keine Computerpornos mehr verkauft werden, interessiert mich das alles nicht mehr. Und richtig gute Giveaways gibt es ja an den Ständen eh nicht mehr." Cookie beginnt damit, Stücke von Jörgis Schnitzel abzuschneiden und sie sich in den Mund zu stecken. Er hat sein Essen noch immer nicht. Was ist denn da nur in Kalles Küche los?
"Nur noch Schlipsträger und Langeweile"
Jörgi hat zu Ende gekaut und mischt sich ein: "Ich finde, die Cebit ist langweilig geworden. Das gilt aber auch für die Funkausstellung in Berlin. In allen Hallen sind die gleichen Geräte zu sehen - und das in hundertfacher Kopie. In der einen Halle gibt es dann USB-Speichersticks, in der anderen Mehrzweckdrucker, dann endlich TFT- und Plasmamonitore. Es gibt keine echten Innovationen mehr, die die Massen begeistern. Die Aufbruchstimmung ist raus, die schrägen Vögel aus der Gründerzeit gibt es nicht mehr - überall nur noch Schlipsträger und Langeweile. Ich wäre aber gerne Hoteldirektor während der CeBIT. Die nehmen ja glatt bis zu 700 Euro pro Übernachtung während der Messe-Zeit."
Robert freut sich über seine Knödel mit Gulasch. "Ich fahre auch nicht hin. Ich hatte eigentlich sonst immer mehrere Geschäftstreffen vor Ort. Inzwischen wickeln wir das aber lieber per Direktbildkonferenz am PC ab. Darüber hinaus stehe ich ständig per Mail mit meinen Leuten in Verbindung. Es gibt real nichts mehr zu besprechen, was einen Besuch der Messe rechtfertigen würde. Also bleibe ich lieber zuhause und arbeite den ansonst verlorenen Tag."
Ruhe in Frieden
Darauf stoßen wir an. Fast ist uns so, als würden wir die Cebit beerdigen. Vier junge Männer aus vier verschiedenen IT-Bereichen, die keine Lust mehr haben, zur Messe zu fahren. Aber was soll's - selbst Schuld. Ein frisches neues Konzept hätte die Cebit bereits zur rechten Zeit retten können. Jetzt dürfte die Messe kaum noch zu retten sein. Fliegen wir lieber zur COMDEX nach Las Vegas. Da kann man zu Hause immerhin so tun, als würde man vor Ort arbeiten, während man tatsächlich doch nur in den Casinos abhängt. Eine Glosse von Carsten Scheibe, www.typemania.de