Scheibes Kolumne Die Barbie-Registrierkasse

Technik ist toll. Davon geht Stern.de-Kolumnist Scheibe erst einmal ganz pauschal aus. Und das, obwohl er es in diesem Jahr überhaupt nicht auf die Cebit geschafft hat. Doch warum nur werden die simpelsten Errungenschaften der modernen Computer-Technik nicht im "Real Life" angewandt - etwa bei der Barbie-Registrierkasse der eigenen Tochter?

Immer wieder staune ich über den Fortschritt, den die Technik macht. Ein Beispiel: Mein erster Palm-PDA, den ich mir vor drei, vier Jahren angeschafft hatte, lag schwer in der Hand, hatte ein winziges Display und weigerte sich standhaft, Musik in jedweder Form zu verarbeiten. Ganz anders sieht das mit dem neuesten Modell aus, dem Tungsten T3. Das schmale und sehr edel gestaltete Gerät bietet endlich einmal ein hochauflösendes Display, das noch dazu mit einer soliden Hintergrundbeleuchtung aufwartet. Per Bluetooth kommuniziert es mit anderen Geräten. Und der Speicher ist so üppig dimensioniert, dass ich endlich einmal meinen Berlin-Stadtplan, den aktuellen Duden und ein Deutsch-Englisch-Wörterbuch auf einmal in das Gerät übernehmen kann. Meine 256-Megabyte-Speicherkarte schluckt außerdem die wichtigste Musik im MP3-Format, die sich wahlweise per Lautsprecher oder über Kopfhörer in absolut zufrieden stellender Qualität abspielen lässt. So ein kleines Gerät und so viele Funktionen. Gerne gibt der Geschäftsmann von Welt an die 300 Mücken für diesen Hosentaschencomputer aus.

Wo ist die Technik, wenn man sie braucht?

Das Problem: Die moderne Technik, die in meinem Palm steckt, fehlt an anderer Stelle. So hat meine Tochter zu ihrem Geburtstag eine Barbie-Registrierkasse bekommen, die teuer genug war, um dafür auch ein Palm-Zire-Einsteigermodell anzuschaffen. Meine Tochter ist begeistert. Jeden Morgen legt sie beim Frühstücken einen Hebel um. In der Lautstärke eines landenden Düsenjets knarrt dann sofort der Soundchip: "Herzlich willkommen an der Barbie-Registrierkasse". Und dann: "Lass uns Einkaufen gehen." Während meine Tochter sozusagen von Kindesbeinen schon aufs hemmungslose Shopping gedrillt wird, suche ich noch mit zittrigen Fingern nach einem Knopf, der die Lautstärke reguliert. Die Kasse hat über hundert Knöpfe, einen Lautstärkeregler gibt es aber nicht. Während meine Tochter bereits die ersten Chipkarten mit Barcode durch den Scanner zerrt, brüllt mir also die Barbie-Stimme ungehindert ins Ohr: "Kekse. Drei Euro Fünfundsiebzig." Und: "Benutze deine Barbie-Kundenkarte."

Kann denn niemand helfen?

Schnell stellen sich rasende Kopfschmerzen ein. Ich erinnere mich an ein singendes Mikrofon, das die Kinder bereits im letzten Jahr geschenkt bekommen haben. Das war exakt genauso unerträglich laut. Damals mussten wir drei Wollsocken über das Mikrofon stülpen, um es auf eine erträgliche Lautstärke zu dämpfen. Wahrscheinlich gibt es in der gesamten Spieleindustrie nur einen einzigen Fachmann, der dazu abgestellt ist, die Lautstärke der Soundchips einzustellen. Und der ist völlig taub. Oder ein überzeugter Elternhasser. Wenn die Barbie-Registrierkasse doch wenigstens einen Kopfhörerslot hätte wie mein Palm-PDA. Dann könnte meine Tochter sich ganz für sich alleine die Ohren ruinieren.

Brüllen in mehreren Sprachen

Inzwischen brüllt Barbie lauthals: "Please insert your credit card". Das macht leider Sinn, denn die dicksten Knöpfe auf der Registrierkasse sind ausgerechnet die, mit denen man die Sprache der kreischenden Kasse wechseln kann. Und da Kinder nun einmal am liebsten auf die dicksten Knöpfe drücken, wechselt Barbie alle paar Sekunden die Sprache. Ich glaube, auf Spanisch sogar ein "icho de puta" gehört zu haben, aber das war sicherlich nur eine Einbildung. Das blöde Ding hat doch ein - wenn auch ein miserables - LC-Display. Wo ist denn also das Konfigurationsmenü, das die Sprachen steuert und die einmal getätigte Voreinstellung dann vor den Kindergriffeln beschützt? Bei der Stereoanlage oder beim DVD-Player geht das doch auch.

Ich bin schwer enttäuscht. Für den Preis einer Barbie-Registrierkasse bekomme ich einen CD-Brenner, eine funkgesteuerte Maus oder eine billige Digitalkamera. Das ist Technik pur, oft auf dem allerneuesten Stand, eben echt cool. Die Barbie-Kasse blinkt nicht einmal. Und sehr stabil sieht sie auch nicht aus. Die Wahrheit ist wahrscheinlich die: Die echten Technikfreaks, die heute in den Entwicklerlabors sitzen, die haben gar keine Kinder. Und deswegen auch keine Lust, sich in diesem Bereich zu engagieren. Schade.

Eine Glosse von Carsten Scheibe, Typemania

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