Scheibes Kolumne Reise ins Innere des Körpers

DVD-Player und Digitalkamera - längst gekauft. Ja, gibt es denn keine neuen Spielereien mehr, die das Kind im Manne wecken? Kolumnist Carsten Scheibe freut sich über seine neue Mikroskop-Kamera für den PC.

Eines muss ich ja vorausschicken: Als Kind war ich leidenschaftlicher Besitzer eines Mikroskops. Während die Kumpels draußen die Schweinsblase (vulgo für Fußball) durch den Matsch kickten, fuhr ich mit dem Köfferchen in der Hand auf dem Fahrrad zu meinem Freund Christopher. Bei ihm in der Küche bauten wir dann beide unsere Mikroskope auf, um in der Folge alles auf den gläsernen Objektträger zu legen, was uns unter die Finger kam: Kopfschuppen, Popel, Federn, Fusseln und am Ende auch Zahnpasta. Was allerdings die Linse verklebte.

Diese Faszination von früher wollte ich auch meinen Kindern weitergeben, die mit vier und sechs Jahren alt genug sind, um den oft gruseligen Mikrokosmos kennen zu lernen. Bei eBay ersteigerte ich deswegen für 20 Euro ein altes Mikroskop, wurde dabei aber heftig verladen. Das miese Plastikgerät, das ich Tage später in der Post vorfand, wurde nur noch von gutem Willem zusammengehalten, brachte eine abgetakelte Lichtfunzel mit und sorgte mit zerkratzten Plastikobjektträgern nicht eben für gute Stimmung bei mir. Die Kinder waren trotzdem begeistert und fingen an, das ganze Haus zu durchsuchen, um nach interessanten Objekten zu suchen. Nach dem ersten Durchgang wanderte das Mikroskop aber trotzdem in den Müll. Da musste schon etwas Besseres her.

Mikrokosmos zum Abspeichern

Aus diesem Grund war ich schnell Feuer und Flamme, als ich in einem Pearl-Katalog die "PentaVision BMC2150 CMOS Mikroskop-Kamera" (www.pearl.de) für 79,90 Euro entdeckte. Das ist doch endlich mal wieder ein potenzielles Spielzeug, das es bislang für den Computer noch nicht gegeben hatte. Und das darüber hinaus auch Sinn macht. Beim klassischen Mikroskop kann nämlich immer nur eine Person durch die Linsen blicken. Und die Bilder, die man sieht, lassen sich nicht speichern: Die tollsten Entdeckungen aus dem Mikrokosmos gehen so für immer verloren, sobald der Objektträger wieder abgewaschen wird. Bei einem Mikroskop, das an den Rechner angeschlossen wird, können alle Anwesenden gleichzeitig das Bild sehen. Speichern lässt es sich auch.

Aussehen: Zwischen Trabant und Vibrator

Keine Frage: Das Mikroskop ist schnell bestellt und schlägt nur Tage später bei mir auf. Beim Auspacken des Geräts bin ich ein wenig enttäuscht. Das Mikroskop erinnert von seiner Farbe her an einen schlecht gemachten Vibrator und vom Material her an die Außenhaut eines Trabants. Nervig ist auch die Kabelage. Ein Kabel führt in die Steckdose, das andere in den Rechner.

Lange suche ich nach einem USB-Stecker, aber den gibt es nicht. Nur ein gelber S-Video-Clinchstecker liegt vor. Ich schnappe mir das Handbuch und stelle fest, dass ich das Kabel mit dem entsprechenden Eingang der TV-Karte verbinden muss. Gut, dass ich eine solche Karte habe, um abends beim Tippen immer "TV Total" gucken zu können. Ich stöpsele die Kamera ein und starte das TV-Programm. Da kommt aber nur das ZDF im Fenster und leider kein einziges Bild vom Mikroskop.

Ganz so technisch einfach ist es also nicht, die Kamera an den Rechner anzuschließen. Ich könnte sie ja via SCART-Kabel an den normalen Fernseher anschließen, aber kneifen ist nicht. Das Handbuch hilft mir zwar nicht unbedingt weiter. Nach ein bisschen Frickeln und Fummeln finde ich aber heraus, dass ich im TV-Programm einfach einen neuen Kanal einrichten und ihn auf die S-Video-Buchse mappen muss.

Nur in Graustufen

Das funktioniert. Ich zappe durch die bunte Fernsehwelt und bleibe bei einem grauen Störsender hängen. Das ist mein Mikroskopbild. Leider nur in Graustufen und nicht in Farbe, aber man kann ja nicht alles haben. Ich hole die Kinder in den Keller und gemeinsam unternehmen wir eine erste Reise ins Innere des Körpers. Die handliche Mikroskopkamera hat nämlich vorne einen kleinen Plastikaufsatz. So kann man sie einfach direkt auf das zu untersuchende Objekt stellen - die Linse ist so ausgerichtet, dass sie automatisch ein fast perfektes Bild liefert. Es gibt zwar ein Rädchen zum Scharfstellen, aber das Drehen am Rad bewirkt nicht wirklich etwas. So nutzen wir die Kamera wie einen Ultraschallscanner, um ihn fest auf das eigene Fleisch aufzusetzen.

Die Kinder kreischen ein erstes Mal, als ich die Kamera zum ersten Mal auf meinen Stoppelbart setze. Aus einer glitschig-schleimigen Gallerthaut erheben sich dicke fette schwarze Bäume, die nach einigen Metern (so kommt es mir vor) brutal abgeschnippelt worden sind. Dass Barthaare in der voreingestellten 200-fachen Vergrößerung so dick sind, hätte ich mir nie träumen lassen. Linus (6) will auch seine Barthaare sehen und schnappt sich das Mikroskop. Doch der Bildschirm beweist: Der zarte Flaum auf seinem Kinn ist keinen zweiten Blick wert. Dafür beweise ich ihm, dass die Haut auf seiner Hand aus lauter kleinen Arealen besteht, die durch zerklüftete Schluchten voneinander abgetrennt werden. Wir untersuchen Leberflecke, den Dreck unter den Fingernägeln und die Falten auf den Fingerknöcheln.

Zungen wie aus dem Gruselfilm

Jeder Gruselfilm-Regisseur wäre froh, das zu sehen, was wir jetzt auf dem Bildschirm haben. Unsere Zungen. Bei Alisa (4) ist die schlabberig-glibberige Oberfläche noch völlig zart. Geschmacksknopsen mit zarter Oberfläche erheben sich in Form kleiner Kugeln aus dem Schluchtenkrater des Schleimhautmuskels - wie im Lehrbuch. Und bei mir? Da sieht es aus wie auf einem Schlachtfeld. Zerplatzte Knospen, tiefe Krater, dazwischen Schützengräben ähnelnde Furchen. Au weia - ich werde alt, mein Körper degeneriert bereits. Wir schauen uns auch gleich noch die Zähne an. Aha, nicht richtig geputzt, jetzt sieht man es ganz deutlich.

Der Blick in die Nasen der Kinder zeigt rosige Haut und kaum sichtbare Haare. Bei mir kann man genau sehen, auf welcher Seite ich mir die Nasenhaare schneide und auf welcher nicht. Anschließend wird's unappetitlich, die Kinder freuen sich mächtig. Meine Frau kommt rein und erwischt uns - ich mit diesem komischen Möchtegern-Vibrator in der Nase. Ihr Kommentar: "Ich möchte nicht wirklich wissen, was ihr da macht."

Gab es nicht gerade Läuse in der Schule?

Gut so. Dann können wir uns auch noch die Augenbrauen ansehen. Ein dichter Wald aus dunklen Haaren erscheint auf dem Bildschirm. Da hat doch mal ein Buchautor geschrieben, es gäbe ganz spezielle Milben, die würden in den Wimpern und Augenbrauen leben und hier ihren Kopf ins schwammige Fleisch drehen. Wir überprüfen das und können keine Milben entdecken. Gab es nicht gerade Läuse in der Schule? Wir machen den Test, werden aber auch hier nicht fündig.

Die Kinder haben erst einmal genug. Ich speichere die ganzen Standfotos, die ich mithilfe der TV-Software gemacht habe. Vielleicht stelle ich sie mal auf die Homepage. Und während alle weg sind, suche ich auf der Nase nach Mitessern. Das sieht unter dem Mikroskop aber echt übel aus. Ich klaue mir im Badezimmer sofort so einen Nasenklebestreifen von Nivea. Der soll eine halbe Stunde kleben bleiben und dann mit Karacho abgezogen werden. Alle Hautunreiten sollen dabei verschwinden, so verspricht es die Werbung den Frauen. Ich bin gespannt, wie die Haut hinterher wohl aussehen mag ...

Eine Glosse von Carsten Scheibe

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