Nur unter dem Mikroskop wahrnehmbare Entzündungen im Hoden können Männer offenbar unfruchtbar machen. »Bei vielen Patienten mit einem unerfüllten Kinderwunsch gibt es unterschwellige Entzündungen, die zu Veränderungen im Hodengewebe führen und schließlich die Reifung der Samenzellen reduzieren oder gar einstellen können«, sagte der Oberarzt Hans-Christian Schuppe vom Gießener Zentrum für Dermatologie und Andrologie (Männerheilkunde) am Donnerstag im Vorfeld einer Tagung zur molekularen Andrologie.
Häufig keine Ursache für Unfruchtbarkeit feststellbar
Bei rund 30 Prozent der unfruchtbaren Männer könnten Mediziner trotz zahlreicher Tests bisher keine Ursache feststellen, berichtete der Direktor des Zentrums, Prof. Wolf-Bernhard Schill. »Das ist ein Gebiet, auf dem noch sehr viel Dunkelheit herrscht.« Bis vor einigen Jahren sei vor allem untersucht worden, wie Hormone im Körper die Entwicklung der Spermien beeinflussen. Der neue Forschungsansatz konzentriere sich nun auf die komplizierten Wechselwirkungen im Hoden selbst.
Hoden: kompliziertes Netzwerk aus Immunzellen
»Es gibt ein Netzwerk aus Immunzellen, Zellen der Samenkanälchen und verschiedenen Botenstoffen - ein hochkompliziertes Wimmelbild, von dem wir bisher nur einzelne Mosaiksteinchen kennen¿«, erklärte Schuppe. Weil der Hoden - ähnlich wie Gehirn oder Auge - eine »lokal sehr abgegrenzte« Region sei, lasse der Körper über die so genannte Blut-Hoden-Schranke nur bestimmte Typen von Immunzellen durch. »Die Immunzellen, die reinkommen, sollen schließlich keinen Unfug machen und zum Beispiel körpereigene Stoffe wie die Sperma-Proteine abstoßen.«
Bald Hilfe für kinderlose Paare?
Wenn die Forscher diese »lokalen Wechselwirkungen« verstehen, könnte das nicht nur kinderlosen Paaren helfen, sagte Schill. Auch Fortschritte bei der Entwicklung der bereits seit langem propagierten »Pille für den Mann« seien dann »denkbar«. Bei der Andrologie-Tagung diskutieren nach Darstellung Schills rund 100 Wissenschaftler aus aller Welt von Freitag an zwei Tage lang über neue Trends in der molekularen Andrologie.