Scheibes Kolumne Scheiß auf die Krise!

stern.de-Kolumnist Scheibe hat die Nase voll. Von der Finanzkrise möchte er sich nicht die gute Laune verderben lassen. Er ist der Meinung: In jeder Krise steckt auch eine Chance. Wer sich jetzt auf professionellere Beine stellt, wird davon profitieren können, sobald die schlechten Zeiten vorbei sind.

Die IT-Branche duckt sich in Erwartung der nahenden Finanzkrise. Die ist noch längst nicht in den unteren Abteilungen angekommen und schwebt wie eine schwarze Wolke der negativen Verheißung über dem frisch begonnenen Jahr 2009. Vor meinem inneren Auge sehe ich lauter selbstständige oder festangestellte IT-Professionals, die zusammengekrümmt, die Arme um den Kopf geschlungen und deshalb blind und gehörlos dafür beten, dass die Krise nur ja an ihnen vorbeischlingert.

Dabei überschlagen sich die Medien mit schlechten Nachrichten. Massenentlassungen bei den großen Konzernen, geringere Werbeeinnahmen, sinkender Konsum, schlechte Aussichten. Die IT-Professionals schockiert noch immer die heute veröffentlichte Nachricht, dass viele Auftraggeber nun sogar versuchen, die bestehenden Verträge nachzuverhandeln, um die Kosten zu senken.

Kennen wir das nicht alles?

Ich habe mich jetzt eine Woche lang dem mentalen Elend hingegeben und schon jetzt keine Lust mehr auf diese Weltuntergangsstimmung. Hallo? Haben wir nicht auch schon diese mit lautem Kawumm geplatzte Dot.com-Blase vor ein paar Jahren überlebt? Ist es nicht so, dass IT-Journalisten bereits seit Jahren über eingefrorene Seitenpreise klagen und oft genug bei den Verlagen neue Werkverträge unterschreiben mussten, die eine wie auch immer geartete Zweitverwertung vom Honorar freistellt?

Wir alle können nix für diese Krise, das ist ein Übel, das von den Banken kommt. Also wird uns die Finanzkrise eine Weile lang ausbremsen und danach geht es wieder bergauf. Ganz bestimmt. Natürlich wird es auf dem Weg durch das Jahr 2009 die eine oder andere Firma "reißen". Viele der 2008 im Web so beliebten Social Communities haben doch schon vor der Finanzkrise gesehen, dass viele Millionen Hits und Besucher alleine nicht ausreichen, um den Geldbeutel zu füllen. Jetzt, da neues Risikokapital nicht mehr so einfach zu bekommen ist, wird es hier zu einer massiven Marktbereinigung kommen, die durchaus ihr Gutes hat: Vielleicht bekommt der Anwender dann den längst verlorenen Überblick über das vorhandene Angebot wieder zurück.

Die Konkurrenz ist gratis

Auch für viele Shareware-Enwickler vertieft die Finanzkrise nur ein Problem, das es auch schon vorher gegeben hat. Wie soll man denn Software verkaufen, wenn es vergleichbare Angebote in Massen auch für lau gibt und die PC-Magazine lieber die Gratis-Lösungen vorstellen als die Bezahlversionen? Hier wird die Finanzkrise den eh vorhandenen Trend verstärken: Immer mehr Entwickler geben mangels wirtschaftlicher Perspektive einfach auf. Die wenigen Anbieter, die übrig bleiben, müssen ihr Portfolio möglichst schnell erweitern und bewerben, um zu überleben. Hier ist es vor allem wichtig, den eigenen Service auszubauen. Denn ein guter Kundenservice kann gerade für die finanzstarken Silver-Surfer-Rentner der Anlass dafür sein, lieber eine Bezahl-Software zu kaufen als eine Gratis-Version zu nutzen.

Mehr von Carsten Scheibe

In seiner Freizeit geht Carsten Scheibe golfen - und arbeitet daran, dass der Golfball auf der selben Bahn ankommt, von der er abschlägt. Wenn's mit dem Spielen nicht so gut klappt, schreibt er lieber - für das eigene, kostenfrei in den Golf-Clubs ausliegende Magazin "Mein Golf-Heft". Das gibt's mit allen Artikeln auch im Internet. Natürlich ist der PC auch hier ein Thema.

Apropos Service. In den letzten Jahren ging es doch am IT-Markt dermaßen rund, dass kaum Zeit blieb, das eigene Angebot einmal in Ruhe zu optimieren. Zahllose IT-Firmen am deutschen Markt sind so etwa per Telefon kaum zu erreichen. Wenn ein Kunde eine Frage hat zu einem Web-Dienst, einer Software oder einer Dienstleistung, dann bekommt er oft genug niemanden ans Telefon. In der Krise, wenn wegbleibende Aufträge für mehr Zeit sorgen, lassen sich solche Versäumnissünden gut beheben. Dann ist endlich mal wieder Zeit, den Web-Auftritt aufzupeppen, das Büro aufzuräumen, den Telefonempfang notfalls an eine externe Firma zu vergeben oder aktiv neue Kunden zu werben. Die Krise nutzen, um sich besser zu präsentieren und professioneller zu werden - das ist die Vorgabe für 2009. Natürlich gelingt das vor allem dort ohne Probleme, wo finanzielle Reserven auf dem eigenen Konto Umsatzeinbrüche wenigstens für ein paar Monate abpuffern können.

Webmaster gesucht

Aber Hoffnung gibt es überall. So gibt es zurzeit einen Engpass für Webmaster, die für Kunden neue Homepages aufsetzen, die Seiten optisch gestalten, sie mit einem einfach zu bedienenden CMS-Texteingabesystem unterfüttern, das Ganze hosten und als "Hausmeister" auch noch Ansprechpartner für die Zukunft bleiben. Entsprechende Firmen sind so ausgebucht, dass die Kunden manchmal Monate auf kleinste Änderungen warten müssen. Oder sie sind so teuer, dass alleine die Entwicklung eines simplen Portals viele tausend Euro kostet. Wer sich 2009 in dieser Sparte breitmacht, kann in aller Ruhe Kunden sammeln und 2010, wenn hoffentlich alles besser wird, so richtig durchstarten.

Eine Glosse von Carsten Scheibe, Typemania

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