Scheibes Kolumne Willste 'nen Film?

Stern.de-Kolumnist Carsten Scheibe liebt sein Heimkino mit 6.1-Dolby-Digital-ES-Sound, 16:9-Fernseher und einem riesigen Stapel Original-DVDs. Seinen Freunden ist das völlig wurscht. Sie verzichten auf allen technischen Schnickschnack, solange sie ihre Raubkopie nur umsonst bekommen.

Richtig aufgefallen ist mir das erst beim Disney-Klassiker "Findet Nemo". Während ich noch darauf wartete, die echte DVD von Disney zugeschickt zu bekommen, berauschten sich meine Freunde längst an dem Zeichentrickfilm. Olaf war der erste, der eine Kopie hatte: "Leider nur auf Englisch, aber die Kinder haben auch so ihren Spaß." Andreas konnte bereits wenige Tage später die deutsche Fassung heranschaffen - und zwar auf zwei Video-CDs. Eine kleine Umfrage in der Bekanntschaft brachte es dann an den Tag. Jeder hatte bereits die Raubkopie. Sogar Veronika. Und bei ihr hätte ich Stein auf Bein geschworen, dass sie nicht einmal einen Computer besitzt. Hat sie auch nicht: "Die hat mir Peter in der Firma kopiert." Klar, sobald jemand die Video-CD in den normalen DVD-Player legt, wird sie ja automatisch abgespielt. Unabhängig davon, ob Veronika nun technisches Verständnis hat oder nicht.

Jeder kennt einen, der einen kennt

Meine ach so rechtschaffenen Freunde, die mich stets ermahnen, auf der Straße nicht zu schnell zu fahren und die es für gefährlich halten, Waren im Internet zu bestellen, weil das den Einzelhandel schwächt, raubkopieren Filme wie die Verrückten. Lehrer Peter, Verkäuferin Heidi und auch der Motorradfreak Bolle - sie alle haben absolut keinen Skrupel, sich einen neuen Film auf einer raubkopierten Video-CD zu besorgen. Kaum einer zieht die Filme dabei selbst aus dem Netz. Jeder kennt einen, der einen kennt. Und macht eine Video-CD erst einmal die Runde, sind Kopien schnell angelegt. Kost' ja nix. Ein CD-Rohling ist für 50 Cent zu haben. Ein guter Brenner kopiert eine CD in wenigen Minuten. So werden die Kopien mal eben in fünf Minuten zwischendurch angelegt. Etwas, das so wenig Mühe macht, kann ja irgendwie nicht verboten sein. Nur mein Kumpel Peter bekennt sich: Er könne über sein Firmennetz richtig schnell große Massen aus dem Netz herunterladen. Zwei bis drei Filme schafft er am Tag. Seine Quellen nennt er nicht. Dafür verweist er stolz auf seine immense Filmsammlung. Nur seine Frau ist sauer. Weil er immer nur Actionfilme mit nach Hause bringt und nie etwas für die Kinder.

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Als Filmfreund sehe ich die Bedrohung. Jeder in meinem Umkreis sammelt Film-Raubkopien. Jeder. Und vor allem auch die ganz normalen Leute, nicht einmal nur die PC-Freaks. Für mich wäre das nichts. Ich schwöre auf ein gestochen scharfes DVD-Bild und auf meinen satten Mehrkanalsound. Der geht auf einer schnöden Video-CD völlig verloren. Da werden die Bilder runtergerechnet und der Sound wird auf Stereoformat zusammengestrichen. Macht nix, sagt Ingo. Aber dem ist es auch wurscht, wenn bei seiner im Kino mitgefilmten Version vom "Wixxer" die Leute in der Reihe davor aufstehen und mitten im Film durchs Bild laufen, sodass er die wichtigste Pointe verpasst.

Qualität? Gibt's auch illegal

Klaus lacht nur: Wenn ich so auf Qualität pochen würde, könne ich mir doch auch eine Raubkopie auf DVD besorgen. Inzwischen gäbe es sogar die ersten Brenner für 100 Euro, die DVD-Rohlinge mit zwei Ebenen bespielen können. Mir schwirrt der Kopf. Klar ist nur eins: Wenn Kinofilme weiterhin so hemmungslos raubkopiert werden, können nicht nur die Kinos, sondern auch die Videotheken und die DVD-Verleihfirmen bald einpacken. Au weia.

Eine Glosse von Carsten Scheibe, Typemania

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