Manchmal zeigt erst das Remake, wie großartig das Original war. Das Videospiel "The Last of Us" ist so ein Fall. Der Raodtrip einer 14 Jährigen und ihres Ziehvaters durch die völlig zerstörten USA wurde 2013 für die Playstation 3 veröffentlicht. Der Titel gilt als einer der besten action-adventure Videospiele überhaupt. Wegen der Grafik? Auch. Hauptsächlich wegen der hervorragend geschriebenen und inszenierten Geschichte. Nur sehr wenige Games führen den Spieler tiefer in menschliche Abgründe, tiefer in die Angst um die eigene Unversehrtheit und tiefer in die Resignation. Großes Kino für Erwachsene.

"The Last of Us" erzählt die Geschichte von Joel, einem Raubein Ende 30 und der Teenagerin Ellie. Das eher unfreiwillige Duo zieht durch die postapokalyptischen USA, um ein Gegenmittel gegen Cordyceps zu finden, einem das menschliche Gehirn befallenden Pilz. Wer ihn hat, wird erst wahnsinnig, dann mordlüstern aggressiv und im späteren Verlauf zu einem vom Pilz zugewucherten Monster. Zwanzig Jahre nach der ersten Infektion ist der überwiegende Teil der Bevölkerung befallen. Das Militär hält kleine Schutzzonen aufrecht, dazwischen kämpfen die verbleibenden Gesunden um ihr nacktes Überleben. Die Städte und Infrastruktur sind zerfallen und die Zivilisation sank auf das Niveau marodierender Banden.
Selten bekamen Protagonisten in einem Videogame authentischere Dialoge, handelten nachvollziehbarer und waren im Charakter feiner gezeichnet. Joel und Ellie sind keine Superhelden. Er ein gebrochener völlig desillusionierter Mann, sie ein in einem brutalen Überlebenskampf sozialisiertes Mädchen zwischen jugendlicher Unbeschwertheit und erwachsener Abgeklärtheit. Die beiden machen sich auf von Bosten an der Westküste der USA Richtung Westen nach Salt Lake City im US-Bundesstaat Utah. Eine monatelange Reise durch eine brutale Welt, in der sich jeder selbst der Nächste und Vertrauen ein sehr knappe Gut ist. Alles ist knapp: Munition, Verbandsmaterial, Ausrüstung. In vielen Fällen ist das geschickte Vorbeischleichen der bessere Weg als der offene Kampf gegen die Infizierten und marodierende Banden. Ellie und Joel erleben auf ihrer Reise jede nur vorstellbare Grausamkeit einer regellosen Gesellschaft.
Jetzt hat Sony die alte Spieleperle aus dem Keller geholt und grafisch umfassend aufpoliert. Herausgekommen ist eines der optisch schönsten Spiele für die Playstation 5 und erstmals auch für den PC. Die hochaufgelöste 4K-Grafik mit Ray Tracing hebt vor allem Hauttexturen und die Gesichtsanimationen auf ein neues Level. Selbst feinste Mimik bei Gefühlen wie Resignation oder ein verschmitztes Lächeln erscheinen glaubwürdig und komplettieren damit die erstklassigen Dialogzeilen.

Die Schönheit hat auf dem PC ihren Preis. Von WQHD, also 2560 x 1440 Pixeln, aufwärts ist "The Last of Us" ein erbarmungsloser Hardwarefresser. In 4K sollte die Grafikkarte mindestens 8 Gigabyte Videospeicher zur Verfügung stellen und am besten eine Nvidia 4080 sein, als CPU hat ein Intel i5 12600K oder AMD Ryzen 9 5900X auf dem Mainboard zu stecken. Vom Arbeitsspeicher gönnt sich das Spiel rund 12 Gigabyte. Der PC sollte also mit 32 Gigabyte RAM ausgerüstet sein. Selbst der Microsoft Flight Simulator 2020 ist hier genügsamer. Stolz ist der Entwickler die Bildwiederholraten oder Framerates von 30 auf konstant 60 FPS angehoben zu haben. Damit wirken Animationen und das Spiel insgesamt flüssiger.
Um die 60 FPS auch in 4K zu halten können Besitzer von Nvidia-Karten mit der DLSS-Technik nachhelfen. DLSS steht für Deep Learning Super Sampling. Dabei wird das Bild in einer niedrigeren Auflösung als der des Monitors gerendert und dann wieder auf die native Monitorauflösung hochskaliert. Das Rendern, also berechnen eines Bildes, geht in einer geringeren Auflösung deutlich schneller als in hohen Auflösungen, Folge sind höhere Bildraten bei kaum schlechterer Bildqualität. Mit DLSS lassen sich mehr Grafikverbesserungen einschalten, ohne dass die Performance sinkt. "The Last of Us" hat die neuste Version von DLSS implementiert, für die allerdings eine Karte der 4000er-Reihe notwendig ist. Vorteil der hochpreisigen Geforce-Karten: Sie erledigen die Arbeit weitgehend ohne Hilfe der CPU. AMD-Grafikkarten verfügen mit FSR über eine vergleichbare Technik, die ebenfalls im Spiel zur Verfügung steht.

Unter der schönen Oberfläche des Remakes von "The Last of Us" hat sich indes wenig getan. Mit Absicht, wie der Entwickler Naughty Dog sagt. Man wolle die Atmosphäre des Originals erhalten. Zwar wurde etwas am Kampfsystem, den Menüs und der Gegner-KI gefeilt, doch das Grundgerüst der Spielmechanik blieb. Und das ist für heutige Maßstäbe unflexibel.
Joel und Ellie bewegen sich nicht in einer offenen Welt, sondern in sehr begrenzten Schlauchleveln. Die Level sehen fantastisch aus, doch ihre Enge ist deutlich spürbar. In jedem Schlauchabschnitt wiederholen sich die Aufgaben: Gegner bekämpfen oder ihnen ausweichen, Räume nach Material durchforsten, Leitern oder rollbare Müllcontainer suchen, um über ein Hindernis in den nächsten Abschnitt zu gelangen. Unterhalb des Schwierigkeitsgrades "schwer" sind die Herausforderungen so gering, dass die immer gleichen Aufgaben mit der Zeit als eher lästig empfunden werden können. Vor allem in der ersten Hälfte des Spiels.

PC-Gamer dürften mit der unpräzisen Steuerung und der auf Konsolen-Controller zugeschnittenen Menüführung hadern. Es geht gemächlich zu in der Apokalypse. Es ist kein schneller Shooter, sondern ein wunderschöner Roadmovie für Erwachsene zum Mitspielen. Wer "The Last of Us" auf der Playstation noch nicht gespielt hat, für den lohnt das Remake in doppelter Hinsicht: Es ist ein großartiger Auftakt für den 2020 veröffentlichten zweiten Teil des Spiels, der die Geschichte von Joel und Ellie weitererzählt. PC-Spieler schauen allerdings in die Röhre. Die Fortsetzung gibt es nur für die Playstation. Doch der erste Teil ist ein guter Einstieg in die Mitte Januar in Deutschland gestartete gleichnamige TV-Serie.