Eine Couch, ein Beistelltisch und vielleicht noch ein Sessel – ausgerichtet auf den Fernseher. Die Dominanz des TV-Geräts als Freizeit-Unterhaltung ist in den meisten Wohnzimmern seit Jahren auf den ersten Blick zu sehen. Und wurde durch die immer weiter wachsenden Bildschirmdiagonalen nur noch offensichtlicher. Vor allem, wenn die Glotze sich ausgeschaltet als großer schwarzer Spiegel vom Mobiliar absetzt. Doch nun arbeitet die Branche zunehmend daran, das zu ändern. Und den Fernseher aus dem Bild zu nehmen.
Der jüngste Vorstoß kommt aus Südkorea. Statt eines weiteren rechteckigen Displays stellte LG auf der Techikmesse CES Anfang Januar eine Art Glaskasten vor und sorgte damit für ungläubige Blicke. Trotz seines komplett durchsichtigen Gehäuses handelt es sich beim Signature OLED T um einen vollwertigen Fernseher, der sich allerdings ausgeschaltet als eine Art Designer-Aquarium dezent in den Hintergrund zurückzieht.
Groß, transparent und ohne Kabel: Das sind die Fernseher-Highlights der CES 2024

Dieses Gerät ist der Star der diesjährigen Messe: Mit dem Signature OLED T hat LG das erste transparente TV-Gerät vorgestellt. Mit seinem durchsichtigen Display wirkt es im Raum völlig anders als klassische Fernseher. Damit man es freier platzieren kann, werden die Signale für die Streamingbox oder das klassische Fernsehen mit einer drahtlosen Box ins Gerät gefunkt. Nur den Stromanschluss braucht man noch.
Über den Preis will LG lieber nicht reden. Dabei dürfte der klassische Luxus-Grundsatz gelten: Wer nach dem Preis fragen muss, kann sich den Edelfernseher vermutlich ohnehin nicht leisten.
Gut getarnt
Ganz neu ist die Idee, dem Fernseher seine optische Dominanz zu nehmen, natürlich nicht. Der Signature OLED T ist der Höhepunkt eines Trends, der in den vergangenen Jahren vor allem von den beiden TV-Giganten Samsung und LG vorangetrieben wird. Den Anfang machte Samsung mit einem "The Frame" (der Rahmen) genannten Modell. Schaltet man es aus, wird es nicht zum plötzlich unnötig großen schwarzen Ungetüm, sondern verwandelt sich in einen Dekogegenstand: Der Frame zeigt Gemälde oder andere vom Besitzer gewählte Bilder, mit einer Auswahl an Bilderrahmen kann man ihn an den eigenen Innneneinrichtungsstil anpassen. Sogar einen Staffelei-Standfuß gibt es.
Wie gut das bei den Kunden ankommt, deutete sich auf der CES an. Samsung stellte dort nämlich nicht nur neue Modelle des Frame in Aussicht, die im Standby weniger Strom verbrauchen. Der Hersteller stellte auch ein Abomodell vor, mit dem man noch mehr Kunstwerke nach Hause bekommt, aus denen man wählen kann. Vor allem aber erweiterte er das Portfolio: Mit dem Frame Music gibt es nun einen Lautsprecher, der sich ebenfalls als Bild tarnt und so wie der Fernseher optisch aus dem Raum verschwindet.
Roll-Modell
Beim letzten Signature-Modell von LG passiert das nicht nur optisch: Die erste Signature-Serie zieht sich bei Nichtbenutzung sogar physisch aus dem Raum zurück – und rollt sich in einen Kasten zusammen. Den Reiz muss man nicht lange erklären. "Die Kunden verstehen sofort, was an einem einrollbaren Fernseher cool ist“, sagte LG-Marketingmanager Gerald Strömer schon 2019 gegenübert dem stern. Den damals noch nur als Prototyp gezeigte Signature OLED R kann man mittlerweile auch tatsächlich kaufen. Dass er sich im Alltag bisher nicht durchsetzt, hat einen einfachen Grund: Er kostet 100.000 Euro und ist nur als Sonderanfertigung zu bekommen.
Auch der transparente Signature T ist bislang eine Machbarkeitsstudie, kaufen kann man ihn nicht. Wenn er in einigen Jahren auf den Markt kommt, dürften zunächst ähnliche Preise zu erwarten sein. Bis LGs verschwindende Fernseher im Massenmarkt landen, werden wohl noch ein paar Jahre ins Land ziehen.
Unpraktische Lösungen
Die Idee, den Fernseher zu verstecken, gibt es schon fast solange wie die Flimmerkisten selbst. In Fernsehschränken, ausfahrbaren Schubladen oder mit Schiebetüren ließen sich schon jahrzehntelang Wege finden, um die Geräte im Mobilar zu verbergen. Mit den wachsenden Bildschirmdiagonalen ist das allerdings deutlich herausfordernder geworden als früher. Ohnehin ist es meist nur eine theoretische Lösung, verriet der Innendesigner Max Humphrey gegenüber "Wired": Die meisten seiner Kunden würden die Fernseher dann nämlich doch offen stehen lassen. Aus Bequemlichkeit – und weil sie mehr schauen, als sie sich eingestehen wollen.
"Ich versuche, die Fernseher nicht mehr zu verstecken", sagte Humphrey. Stattdessen würde er darauf achten, dass sich die Geräte ins Gesamtbild einfügen. "Sie sollen die Aufmerksamkeit nicht von anderen Dingen ablenken, die im Raum passieren." Den aktuellen Trend begrüßt er sehr: "Es ist toll, dass die Hersteller das nun mitbedenken. Dann ist es nicht mehr nur mein Problem."
Veränderter Medienkonsum
Dass es ein Bedürfnis danach gibt, den Fernseher weniger dominant sein zu lassen, dürfte auch mit einem Mentalitätswandel zusammenhängen. War der Fernseher jahrzehntelang das wichtigste Unterhaltungsmedium, hat ihm das Smartphone längst den Rang abgelaufen. Zunächst noch als Second Screen bezeichnet, auf dem man beim Fernsehen herumsurft, dürfte es sich für viele Nutzerinnen und Nutzer längst zum First Screen entwickelt haben – während der Fernseher vor allem als Hintergrund-Kulisse taugt.
Auch der Trend zum Streaming und die Vielzahl an Mediengeräten hat die Sehgewohnheiten verändert. Versammelte sich die ganze Familie früher noch vor dem Fernseher, um gemeinsam das Abendprogramm zu verfolgen, gibt es solche Lagerfeuersendungen kaum noch. Stattdessen kann jeder seine eigene Serie gucken – und dazu im Notfall auch auf das Tablet ausweichen.
Schauten die Deutschen auf dem Höhepunkt 2011 im Schnitt noch täglich 225 Minuten fern, waren es 2023 nur noch 182 Minuten – Tendenz stark sinkend. Dafür stieg die Zahl der online gestreamten Medien drastisch an: Von nur 17 Minuten im Jahr 2016 auf nun durchschnittlich 69 Minuten. Vor allem bei jüngeren Zuschauern ist diese Zahl noch einmal deutlich höher.
Verschwindet der Fernseher ganz?
Betrachtet man eine weitere technische Entwickung, könnte sich das Problem aber bald ganz von alleine erledigen. Datenbrillen wie Apples Vision Pro oder die Meta Quest lassen die Grenzen zwischen Realität und Medienkonsum verschwinden. Die Brillen erlauben es, Medien quasi unbegrenzt groß vor sich sehen zu können. Weil man dabei weiter den Raum um sich herum wahrnimmt, kann man mit mehreren Brillen auch gemeinsam einen Film oder eine Serie erleben – und bekommt trotzdem die Reaktion seiner Liebsten mit (Warum sich die Apple-Brille jetzt schon nach Zukunft anfühlt, erfahren Sie hier). Sollten sich die Brillen irgendwann durchsetzen, könnten sie also durchaus neben Computer und Smartphone den Fernseher ersetzen.
Ob die Menschen das wollen, steht allerdings auf einem anderen Blatt, sagt Paul Gagnon, ein Experte für Consumer-Elektronik, gegenüber "Wired". "Wir sind noch weit davon entfernt, den Bildschirm als Gerät zu ersetzen, das einfach bei uns zuhause steht und zum Fernsehen genutzt wird", glaubt er. Auch für die neuen Formfaktoren erwartet er keinen Massenerfolg. "Die meisten Menschen wollen einen bezahlbaren, hochwertigen Bildschirm, auf dem sie ihre Serien schauen können."
Dass der klassische Fernseher durchaus noch eine Weile im Wohnzimmer stehen wird, ist auch der Branche bewusst. Obwohl die Prestige-Modelle die meiste Aufmerksamkeit bekamen, handelte es sich bei den allermeisten Neuvorstellungen der CES um ganz klassische Geräte, die mit hellerem Bild, größeren Displays und strahlenderen Farben zu begeistern versuchen. Der schwarze Spiegel stört eben doch vor allem dann, wenn er ausgeschaltet ist.