Matthias Bürgers Hund lernt schnell. Der 34-Jährige muss nur die Record-Taste unter der Schnauze drücken, den Körper ein paar mal hin und her biegen, den Play-Button betätigen und schon führt das Tier genau die Bewegungen aus, die er ihm vorgegeben hat. Record-Taste? Play-Button? An einem Tier? Ja, denn Matthias Bürgers Hund ist ein Roboter. Ein TinkerBot um genau zu sein, so nennt Bürgers Firma Kinematics ihr Produkt.
Das kleine Startup aus Berlin stellt den angeblich "innovativsten Robotik-Baukasten" der Welt, her. So viel Selbstbewusstsein kommt nicht von ungefähr: Auf der Crowdfunding-Plattform Indiegogo hat TinkerBots mittlerweile rund 197.000 US-Dollar (umgerechnet etwa 139.000 Euro) eingefahren - fast doppelt so viel, wie die Macher als Ziel angegeben hatten. Die Kampagne läuft noch etwa einen Monat.
Bewegungen aufnehmen wie mit einer Kamera
Eigentlich sind TinkerBots Spielzeuge, die Kinder ab fünf Jahren spielerisch an Technologie heranführen sollen. "Ohne dass sie merken, dass sie dabei auch etwas lernen", sagt Bürger. Gleichzeitig sollen die Roboter aber auch für Erwachsene nicht langweilig sein. Damit das gelingt, bestehen TinkerBots einerseits nur aus wenigen würfelförmigen Teilen: Zwei verschiedene Bewegungsmodule, ein Motorblock mit Rädern, ein Greifer, ein Lichtsensor und einer für Entfernung - mehr gibt es nicht. Außer dem sogenannten Powerbrain natürlich, dem "Kopf und Herz" jedes TinkerBots, wie es Bürger ausdrückt.
Der kleine rote Würfel hat fünf Steckplätze, um ihn mit anderen Teilen zu verbinden. Auf Seite Nummer sechs befindet sich ein Bedienfeld, das ein bisschen an das einer Videokamera erinnert: Ein Pfeil zum Abspielen, ein Kreis für die Aufnahme, eine Plus- und eine Minus-Taste. Darunter ein Mini-USB-Anschluss. Doch hier werden keine Filme aufgenommen, sondern Bewegungen. Drückt man Record und verstellt die Module des Roboters, merkt er sich all diese Bewegungen und führt sie in Dauerschleife aus, sobald man den Play-Button betätigt. Plus und Minus regeln die Geschwindigkeit. Dieses sogenannte Teachen ist die die einfachste Art, dem Hund das Laufen beizubringen.
Lego-Männchen als Kranführer
Oder einem Auto das Fahren. Neben Tieren wie Hund oder Ameise lassen sich mit den Baukästen nämlich auch kleine Rennwagen bauen, die entweder mit der Teach-Funktion oder per Android-App auf dem Smartphone oder Tablet ferngesteuert werden können. Als dritte Art TinkerBot stellt Bürger einen Kran mit überproportional großem Greifarm vor. Als Kranführer hat er ein Lego-Männchen darauf gesetzt. TinkerBots bietet einen Lego-Adapter an, damit die Nutzer ihr Spielzeug noch weiter verschönern können. Offiziell abgesprochen sei das mit dem dänischen Bauklötzchen-Konzern nicht, gibt Bürger zu. Sorgen macht er sich trotzdem nicht: "Lego kann uns höchstens verbieten, seinen Namen zu benutzen."
Die Idee hinter den Klötzchen-Robotern ist, dass sie mit ihrem Besitzer mitwachsen. Ein Fünfjähriger sei vielleicht schon zufrieden, wenn er bloß auf einen Knopf drücken muss und sein Spielzeug bewegt sich, sagt Bürger. Mit fortschreitendem Alter entdecke er dann immer neue Möglichkeiten wie die Aufnahme-Funktion, die App-Fernsteuerung oder den Einsatz von Sensoren, mit denen der TinkerBot sich selbst orientieren kann. Per Arduino-Schnittstelle lassen sich die Roboter später sogar am Computer programmieren. "Unsere Zielgruppe ist also nach oben offen", sagt Bürger.
Die "Traummaschine" wurde Realität
Kinematics hat er 2013 zusammen mit Leonard Oschütz (30) und Christian Guder (33) gegründet. Oschütz entwickelte den ersten TinkerBots-Prototypen schon 2009 für seine Abschlussarbeit an der Bauhaus-Universität Weimar. Die Aufgabenstellung damals: Baut eure "Traummaschine". Seit Ende 2013 haben die drei Gründer einen Investor. Ihre Crowdfunding-Kampagne sollte laut Bürger eine zusätzliche Starthilfe sein, um die ersten Baukästen auch wirklich wie versprochen zu Weihnachten ausliefern zu können. Rund 570 Besteller hat TinkerBots derzeit, die meisten aus den USA.
Herstellen will die Firma ihre Roboter erst einmal in Deutschland. "Bei unseren kleinen Stückzahlen, macht es keinen Sinn, in Fernost zu produzieren", sagt Bürger. Er kann sich aber vorstellen, die genauen Spezifikationen öffentlich zu machen, damit sich User am 3D-Drucker ihre eigenen Spezialklötzchen herstellen können. Kinematics selbst werkelt natürlich auch schon an neuen Bauteilen und -kästen. Der erste: ein fernsteuerbarer Mini-Helikopter. Doch der besteht zu Zeit noch aus nicht viel mehr als einem Powerbrain und vier Propellern.