Internet-Adresse ".ai" Für eine Karibik-Insel mit 15.000 Einwohnern wird der KI-Boom zur Goldgrube

Anguilla KI .ai Internet
Die Strände Anguillas sind bisher die wichtigste Einnahmequelle – nun kommt KI dazu
© Michael Runkel/ / Picture Alliance
Die kleine Insel Anguilla verbindet kaum jemand mit Künstlicher Intelligenz. Und doch spült der KI-Boom Millionen in die Kassen – unter anderem durch Elon Musk.

Es ist eine Goldgrube, die sich der kleinen Insel Anguilla gerade auftut. Das britische Überseegebiet um die gleichnamige Hauptinsel liegt östlich von Puerto Rico, lebt vor allem vom Tourismus. Jetzt hat sich durch einen Zufall eine neu sprudelnde Geldquelle aufgetan: der Verkauf von KI-Internetadressen.

Die sind mit dem Boom von Künstlicher Intelligenz in den letzten Monaten deutlich gefragter geworden. Und Anguilla hat bei der Zuteilung der Landesendungen für Internet-Adressen den Jackpot gezogen: Es vergibt die bis vor kurzem noch wenig gefragte Endung .ai  – und damit die englische Abkürzung für den größten Technik-Hype der letzten Jahre.

Unerwarteter KI-Boom durch ChatGPT

"Seit dem 30. November ist alles anders geworden", erinnert sich Vince Cate gegenüber "Bloomberg". Der Mitte der Neunziger aus den USA auf die Insel gezogene IT-Experte verwaltet seit Jahrzehnten die nun so begehrten .ai-Endungen. Das genannte Datum ist kein zufälliges: Es ist der Tag, an dem ChatGPT offiziell veröffentlicht wurde. Und damit der Tag, an dem die KI-Firmen dem Inselstaat die Türen einrennen.

Seit Anfang Dezember hat sich die Zahl der Internetseiten mit .ai-Endung effektiv verdoppelt, berichtet er. Dabei spielt auch eine gerade moderne Namenswahl unter den KI-Start-ups eine Rolle. Ob Charakter.ai, Stablity.ai oder Elon Musks x.ai: Unter den KI-Firmen ist es aktuell schick, den Hinweis auf die KI-Wurzeln nur mit einem Punkt abzugrenzen. Und dann natürlich die passende URL einzukaufen, die exakt dem Firmennamen entspricht. Auch klassisch benannte Unternehmen wie Facebook, Microsoft oder Google haben allerdings bereits entsprechende Adressen registriert und leiten von dort auf die eigenen KI-Angebote um.

Sprudelnde Einnahmen

Noch ist das anguillische Internet überschaubar, nach Cates Angaben setzen knapp 287.000 Webseiten auf die .ai-Endung. Für die nur etwa 15.000 Einwohner ist das neue Geschäft aber ein wahrer Geldsegen. 7,5 Millionen Dollar brachten die Endungen 2021 ein, dieses Jahr könnten die Einnahmen auf bis zu 30 Millionen Dollar ansteigen, so Cate. "Wir rasen sogar daran vorbei. Wir haben nicht mit ChatGPT gerechnet", gibt er offen zu. Eigentlich wurden für das laufende Jahr nur Einnahmen von 8,3 Millionen Dollar durch den Endungs-Handel erwartet.

Was für Wirtschaftsgiganten wie Deutschland oder den USA nur ein Tropfen auf dem heißen Stein wäre, ist für die kleine Insel eine beachtliche Summe: Nach Angaben der Vereinten Nationen betrug das gesamte Bruttoinlandsprodukt Anguillas 2021 281 Millionen Dollar. Die URL-Verkäufe machen also auf einen Schlag fast zehn Prozent der Einnahmen des Landes aus. Angesichts des durch die Pandemie eingebrochenen Tourismus-Geschäfts eine willkommene Zusatzeinnahme.

Vorbild Tuvalu

Wie lange die Geldquelle noch sprudelt, wird sich zeigen müssen. Seit März ist das sprunghafte Wachstum gemeinsam mit dem allgemeinen Hype um KI laut Cate schon wieder etwas abgeflaut. Die Technologie dürfte aber auch auf Dauer nur noch weiter wachsen, mehr Firmen ihre Domains mit .ai-Endungen versehen.

Die Situation erinnert stark an die von Tuvalu. Die vom Klimawandel besonders bedrohte Pazifik-Kleinststaat bekam die Endung .tv zugeteilt, verkauft sie seitdem weltweit an Fernsehsender und Streaming-Anbieter wie Twitch. 12 Prozent des Bruttoinlandsproduktes soll der Inselstaat dadurch einnehmen, berichtete die "Washington Post" schon 2021. Selbst nutzen können die Einwohner die Dienste aber kaum: Das Internet auf der abgelegenen Insel ist einfach zu schwach.

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