Foto im "Donaukurier" Fake-News-Vorwürfe: Wie ein kleiner Ast zu einer großen Fahrrad-Verschwörung ausartete

"Donaukurier"-Leser wollten in dem Ast in der Speiche ein Fahrradschloss erkannt haben
Um dieses Foto entbrannte ein Streit: Viele "Donaukurier"-Leser wollten in der Speiche von CSU-Bürgermeister Christian Lösel ein Fahrradschloss erkannt und damit eine Fälschung durch die Zeitung entlarvt haben. Es war ein Ast.
© Stefan Eberl
Einige Leser des "Donaukurier" wollen auf einem harmlosen Fahrrad-Bild mit dem Bürgermeister eine Manipulation erkannt haben. Per Mail, Telefon und via Facebook wird das Blatt attackiert. Die Zeitung sieht sich zu einer Stellungnahme genötigt.

Alles begann mit einem eigentlich harmlosen Bild einer Radtour. Die Lokalzeitung "Donaukurier" zeigte in ihrer Ausgabe vom 26. September den Ingolstädter Oberbürgermeister Christian Lösel, wie er mit 40 Bürgern auf dem Rad durch die Stadt fährt. Dazu stellte die Redaktion einen kleinen Bildtext, einen ganzen Artikel war die Meldung nicht wert. Kurz darauf gingen per Mail und Telefon mehr als ein Dutzend Beschwerden ein. Auf dem Bild sei doch ein Fahrradschloss in den Speichen des CSU-Politikers zu erkennen. Die Redaktion habe hier wohl ein Foto gefälscht und dabei auch noch geschlampt, so der Tenor. Der Bürgermeister sei an diesem Abend nicht bei der Fahrradtour gewesen. Das müsse eine Erfindung der Zeitung oder des Rathauses sein, sind sich einige Leser sicher. So berichtet es ein Redakteur der Zeitung dem stern.

Den Anrufern sei geduldig erklärt worden, dass das Foto nicht gefälscht sei. Bei dem "merkwürdigen Gegenstand" handle es sich um einen Ast, der sich in den Speichen des Bürgermeisterrads verfangen hätte. Man fälsche als seriöse Zeitung grundsätzlich keine Bilder.

Tatsächlich erinnert der gebogene Ast an die Konturen eines Fahrradschlosses
Tatsächlich erinnert der gebogene Ast an die Konturen eines Fahrradschlosses
© Stefan Eberl

"Donaukurier" versucht es zunächst mit Humor

Zunächst war man in der Redaktion noch recht amüsiert über die seltsamen Unterstellungen, berichtet der "Donaukurier"-Redakteur. Das Blatt reagierte mit einer Glosse unter dem Titel "Nichts ist so, wie es scheint", die humorvoll auf die Verschwörungstheorien rund um die Mondlandung verweist. Dort heißt es unter anderem: "Aber jetzt die Wahrheit: Lösel ist wirklich nicht über die Staustufe geradelt. Das Foto ist gefälscht. Tatsächlich war der OB zu dieser Zeit auf dem Mond. Als erster Mensch. Im Flugtaxi. Mit Buzz Aldrin."

"Zunächst haben wir versucht, es ironisch aufzufangen, aber dann wurde uns klar, dass wir noch einen ernsten Text hinterherschieben müssen", sagt Christian Silvester, Redakteur vom "Donaukurier", zum stern. Der Grund dafür: die Reaktionen auf Facebook. Einen Tag nach Veröffentlichung des Bildes sei die Verschwörungstheorie dort angekommen. In einer offenen Diskussionsgruppe der Stadt Ingolstadt hätten zahlreiche Bürger über das Foto debattiert. Laut "Donaukurier" fielen Begriffe wie "Lügenpresse", "Manipulation" und "Fotomontage". Einer habe seinen Post mit "#nichtdererstebeschiss" versehen.

Vor der Wahl: Fake News: So erkennen Sie Falschmeldungen und Manipulationen
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Auch einige Lokalpolitiker hätten sich laut Silvester in die Diskussion eingeschaltet. Ein FDP-Stadtrat habe das Bild geteilt und "Mysterien des Alltags" darüber geschrieben. Bis zu 200 Kommentare soll es in der Gruppe gegeben haben. Nachprüfbar ist das nicht mehr, viele haben ihre Beiträge inzwischen gelöscht.

Bürgermeister: "Ich bin doch nur Rad gefahren"

Der Fahrradfahrer selbst, Oberbürgermeister Lösel, wandte sich bereits einen Tag nach der Veröffentlichung an die Zeitung. "Es tut mir leid, dass Sie jetzt als Lügenpresse beschimpft werden! Ich bin doch nur Rad gefahren", zitiert ihn das Blatt. Er berichtet davon, wie ihm der Ast zwischen die Speichen gerutscht sei und er ihn einige Meter mitgeschleift habe. "Es war doch nur ein kleines Stück Holz. Ich verstehe die Aufregung nicht."

In einem weiteren Artikel vom vergangenen Samstag arbeitet der "Donaukurier" die Vorkommnisse sachlicher auf und beschreibt, wie die Diskussion auf Facebook entartete. Vor allem kritisiert das Blatt, dass sich niemand in der Diskussionsgruppe gegen die Fälschungsvorwürfe gestellt habe. "Dass man uns überhaupt zutraut, ein Bild zu fälschen, ist schon abwegig. Aber wenn wir das täten, warum dann so eine banale Situation?", fragt sich Redakteur Silvester. "Es war doch nur eine Radtour. Das ist wirklich absurd."

Zumindest habe die Öffentlichkeitsarbeit gegen die Verschwörungstheorien Wirkung gezeigt. Dass auf dem Bild ein Ast zu sehen war und kein Fahrradschloss, sei nun auch bei den Bürgern und Lokalpolitikern aus der Facebook-Gruppe angekommen. Viele hätten ihre Beiträge wieder gelöscht und sich entschuldigt. Mit Blick auf tatsächliche Fake News, die zahlreich im Netz kursieren, kann Silvester der ganzen Aufregung zumindest eines abgewinnen: "Vielleicht hatte es ja etwas Lehrhaftes für manche."

Fake
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© Alexandre Marchi/Picture Alliance / Picture Alliance
Darum fällt man leichter auf Fake News herein, als man denkt

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