Von wegen genialer Visionär Das Image ist hin: Spätestens seit dem Twitter-Chaos darf Musk niemand mehr ernst nehmen

Elon Musk hat erst seit wenigen Tagen Twitter offiziell übernommen – und schon für einige Schlagzeilen gesorgt
Elon Musk ist immer wieder für Schlagzeilen gut
© Brendan Smialowski / AFP
Mit hochtrabenden Plänen und sehr viel Elan hat sich Elon Musk einen Ruf als Visionär und langfristiger Stratege erarbeitet. Dieses Image hatte schon länger Schaden genommen. Und wurde durch die Twitter-Übernahme endgültig zur Farce.

Tausendsassa: Mit diesem ziemlich angestaubten Wort hätte man früher jemanden wie Elon Musk wohl bezeichnet. Ob es der Weg zum Mars war, die Revolution um Straßenverkehr, die Neuerfindung des Internets oder die Rettung von in einer überfluteten Höhle gefangener Kinder: Der umtriebige Milliardär traute sich alles zu. Und viele Menschen folgten ihm in diesem Glauben. Spätestens seit er vor zwei Wochen Twitter übernommen hat, sollte das vorbei sein.

Denn egal unter welchem Gesichtspunkt man die Übernahme betrachtet: Sie bleibt ein chaotisches Desaster. Innerhalb kürzester Zeit hat Musk die Hälfte der Belegschaft rausgeworfen und sie dann zum Teil doch zurückbitten müssen. Er kündigte ein Abo für 20 Euro an, handelte sich dann aber selbst im Gespräch mit Horror-Ikone Stephen King auf acht Euro hinunter (hier erfahren Sie mehr). Und er wollte mit dem Abo die Verifizierung von Accounts ersetzen, führte dann doch eine zweite Verifizierung ein. Nur um sie Stunden später doch wieder streichen zu lassen. Statt eines Plans oder einer Idee herrscht pure Ratlosigkeit. Bei den Nutzern, den Beobachtern, den Aktionären - und offenbar auch bei Musk selbst.

Spontaner Kauf und schnelle Reue

Alleine der Kauf war schon eine klassische Schnapsidee. Wohl besoffen vom Gedanken, der Welt die totale Meinungsfreiheit schenken zu können, kündigte Musk nach einigen Gerüchten freudig den Kauf an. Nur um kurze Zeit - und einen abgestürzten Aktienkurs - später doch die Reißleine ziehen zu wollen. Statt die Übernahme vorzubereiten, versuchte Musk dann monatelang sie selbst wieder zu verhindern. Bis ihn ein Gericht doch in den Chefsessel zwang. 

Zusammen mit dem jetzigen Chaos lässt das tief blicken. All die Probleme, die Musk nun hat, sind seit Monaten bekannt. Und hätten seiner irren Dringlichkeit nicht bedurft. Wäre Musk wirklich der geniale Stratege und Visionär, hätte er genügend Zeit gehabt, die Pläne für die Übernahme vorher auszuarbeiten. Oder er hätte eben die neugierigen Blicke der Öffentlichkeit aushalten müssen, während er sich in Ruhe nach der Übernahme einarbeitet und eine Machbarkeit seiner Vision prüft. Doch genau das scheint Musk nicht zu können. Für ihn zählt vor allem das Spektakel.

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Geschäftsführung als Spektakel

Am besten lässt sich das am Chaos um die Verifizierung bei Twitter sehen. Bis Musk übernahm, konnten sie Personen des öffentlichen Lebens wie Prominente, Politiker aber auch Journalisten in einem komplizierten Prozess als "echt" bestätigen lassen. So sollten Falschmeldungen in den Griff bekommen werden. Musk will das nun beenden. Stattdessen soll jeder in der Lage sein, sich durch die Zahlung von acht Dollar zu verifizieren. Man werde so Journalismus demokratisieren, die Menge von Spam- und Fakeaccounts reduzieren und den Dienst profitabel machen, verkündete Musk.

Dabei ist jede einzelne der Behauptungen völliger Unfug. Aussagen und Behauptungen werden nicht plötzlich glaubwürdiger, weil jemand acht Euro zu zahlen bereit ist. Auch Betrüger und Spammer werden sich von einer solch kleinen Summe kaum aufhalten lassen. Und eine Verifizierung ersetzt sie gleich gar nicht: Um den neuen blauen Haken zu bekommen, reicht eine Zahlung - Daten muss man keine hinterlegen, geschweige den bestätigen lassen. Ob ein Acht-Euro-Abo reichen wird, um jedes Jahr eine Milliarde Euro zusätzlich einnehmen zu können, die die Übernahme kostet, darf ebenfalls bezweifelt werden.

Doch darum scheint es Musk ohnehin nicht zu gehen. Stattdessen nutzt er die Debatte vor allem zur Selbstdarstellung. Immer wieder meldet er sich als "Chief Twit" zu Wort, greift vermeintliche Eliten an, die ihre Privilegien in Gefahr sehen sollen. Dazwischen Hundefotos, die Frage, warum Smalltalk legal ist, und Wahlempfehlungen. Hauptsache, das Publikum reagiert - ob positiv oder negativ.

Typisch Elon Musk

Nun muss man natürlich sagen, dass dieses Verhalten nicht neu ist. Schon seit Jahren bringt Musk sein erratisches Getwitter immer wieder Ärger ein, machen Meldungen über seine cholerischen Ausbrüche gegenüber Angestellten die Runde. Doch obwohl ihm die Börsenaufsicht per Klage das Twittern über die Tesla-Aktie verbieten musste, gelang es ihm immer wieder, seine Unternehmen als große Vision für die Zukunft erscheinen zu lassen. Auch sein Reichtum beruht darauf: Mit reinen Autoverkäufen ist der Wert der Tesla-Aktie schlicht nicht zu erklären, die Aktionäre wetten auf Musks großen Plan.

Genau diesen Glauben sollte das Twitter-Chaos aber in seinen Grundfesten erschüttern. Derart sprunghafte Entscheidungen des Chefs mögen in Bezug auf ein Premium-Abo zwar merkwürdig, aber verschmerzbar sein. Geht es aber um Mars-Missionen oder selbstfahrende Autos, muss man zwingend langfristig und vor allem in Ruhe planen. So, wie es Musk bei Twitter eben gerade verweigert hat.

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