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Gekaufte Produktbewertungen im Internet Lob auf Bestellung

Nicht jeder, der Kundenrezensionen schreibt, haut ehrenamtlich in die Tasten
Nicht jeder, der Kundenrezensionen schreibt, haut ehrenamtlich in die Tasten
© Colourbox
Die "Süddeutsche Zeitung" hat eine Marketingagentur beauftragt, durch Blogeinträge Werbung für ihre iPhone-Applikation zu machen. Das hat eine Diskussion über gekaufte Rezensionen im Internet ausgelöst. Die sind kein neues Phänomen.
Von Katrin Blum

Geplant war Werbung, was heraus kam, war ein Desaster: Im Namen von sueddeutsche.de hatte der Schweizer Dienstleister Trigami Blogger dazu aufgefordert, über die neue iPhone-Applikation der Süddeutschen Zeitung zu schreiben. Der Auftrag: "Nach dem Runterladen der Gold Applikation müsst Ihr bitte einen möglichst positiven Kommentar im App Store hinterlassen." Viele Blogger entschieden sich, dies zu tun. Einer von ihnen, Jan Tißler, zog es vor, in seinem Blog nicht über die Applikation, sondern über den Auftrag der Marketingfirma zu schreiben. Der Titel: "Peinlich, peinlich: Süddeutsche Zeitung kauft sich lobende Blogposts." Damit löste er eine Welle der Empörung aus, denn für viele sind Rezensionen von anderen Internetnutzern ein starkes Kaufargument, weil sie authentisch sein sollen. Was passiert also, wenn Meinungen gefälscht oder gekauft sind? Welcher Aussage kann man trauen und welcher nicht? Zumal dies nicht das erste Mal ist, dass Firmen Einfluss auf Blog- und Forenbeiträge ausüben - und das auch zugeben.

Kein neues Problem

Einige Beispiele: Im Januar 2009 bestätigte der Computerperipheriehersteller Belkin, Produktbewertungen auf der Seite des Onlineversandhauses Amazon manipuliert zu haben. Im Mai 2009 deckte der Verein Lobbycontrol auf, dass die Deutsche Bahn zwei Jahre zuvor 1,3 Millionen Euro für verdeckte PR-Maßnahmen ausgegeben hatte. Darunter: Blog- und Forenbeiträge, Leserbriefe und Meinungsumfragen. Und erst im Dezember 2009 nahm der Computerhersteller Apple mehr als 1000 iPhone-Applikationen eines chinesischen Anbieters vom Markt, weil die Nutzerbewertungen zu den Programmen gefälscht waren. Das sind die prominenten Fälle. Wie hoch die Zahl der kleinen Dienstleister - Händler, Hotels, Restaurants, Werkstätten oder Friseure - ist, die sich selbst auf Bewertungsseiten wie Qype, Ciao, Yopi oder Dooyoo gute Bewertungen geben, ist unklar. Fest steht: Es gibt sie. Und fest steht auch, dass dahinter immer die Aussicht auf Profit steckt. Auch im Fall der "Süddeutschen Zeitung". Obwohl Peter Bilz-Wohlgemuth, der Marketingleiter von sueddeutsche.de, in einem Online-Kommentar dazu schreibt, die Zusammenarbeit mit Trigami sei ein Fehler gewesen. Er habe immer betont, dass er mitnichten "lobende Blogposts" haben wollte.

Remo Uherek, der Geschäftsführer von Trigami, bestätigt diese Aussage und sagt dazu, seine Firma habe "großen Mist gebaut", die interne Qualitätskontrolle habe versagt. Das Ziel sei nicht gewesen, Bloggern vorzuschreiben, was sie zu sagen hätten. Das stimmt in diesem Fall vielleicht auch. Wohl gemerkt: in diesem Fall. Denn eigentlich gehören die so genannten Advertorials zu den Standardkampagnen von Trigami: Blogger schreiben redaktionelle Werbetexte, die zu "100 Prozent positiv" sind, weil die Auftraggeber den Inhalt kontrollieren können.

Tipps zu Kundenrezensionen

• Wie hoch ist die Anzahl der abgegebenen Bewertungen? Je mehr, desto besser. Sind nur wenige Bewertungen abgegeben worden, und liegen diese auch noch zeitlich eng beieinander, ist Vorsicht geboten.
• Auch mehrere, sehr ähnlich lautende Rezensionen, die bestimmte Argumente wiederholen, sind oft gefälscht.
• Bei extrem positiven oder negativen Äußerungen sollte man auf die weiteren Beiträge eines Autors schauen und prüfen, wie viele Beiträge er zu welchen Themen er veröffentlicht hat und wie ausgewogen seine Meinung sonst ist.
• Wird direkt oder indirekt für etwas geworben, sollte darauf geachtet werden, ob die Argumente auch abgewägt worden sind. Schreibt ein Rezensent bei Amazon unter seinem "Real-Name", ist er meist auch glaubwürdig. Bei Hotelbewertungen ist es ratsam, auf die persönlichen Daten eines Bewerters achten, um festzustellen, ob man sich mit ihm identifizieren kann. Ein älteres Ehepaar ist wahrscheinlich in einem Partyhotel nicht gut aufgehoben und wird es auch nicht lobend erwähnen.

Um auf der sicheren Seite zu sein, besteht Trigami darauf, dass jeder dieser Werbetexte "ganz klar" als solcher ausgewiesen wird. "Ganz klar" bedeutet, dass am Anfang eines Beitrags "Trigami-Anzeige" steht. Wer diesen Hinweis dann überliest oder nicht versteht, weil er Trigami gar nicht kennt, hat wohl Pech gehabt und denkt womöglich, eine echte Rezension zu lesen.

Ob mit oder ohne Hinweis: "Gefälschte Beiträge kann man nie ausschließen", sagt Stephan Uhrenbacher, der Gründer des Bewertungsportals Qype. "Man kann sich aber den Kontext eines Beitrags anschauen, sprich das Profil des Schreibers. Alle Plattformen, auf denen man das Userprofil sehen kann, sind relativ sicher." Schwieriger seien Seiten, auf denen Bewertung anonym und ohne Anmeldung geschrieben werden könnten. Wenn allerdings das Profil erkennbar sei und jemand nur zu ein oder zwei Produkten oder Dienstleistern etwas geschrieben habe, sollte man vorsichtig sein. Ähnlich sieht das Juliane Fischer von Trustyou: "Es kommt prinzipiell nicht auf den einzelnen Eintrag an. Wichtig ist, sich ein Bild auf Basis vieler Bewertungen zu machen." Trustyou ist eine Metasuchmaschine, bei der nach einem Hotel oder Restaurant gesucht werden kann. Dabei wird das Internet nach Bewertungen, Meinungen und Aussagen von Nutzern durchsucht und der Kern der Inhalte wiedergegeben. "Erst ab zehn Bewertungen wird man statistisch ein stimmiges Bild von der Qualität eines Hotels erhalten", so Juliane Fischer weiter.

Die Glaubwürdigkeit von Produktbewertungen ist vor allem gegeben, wenn ein Testbericht ausführlich alle Facetten vorstellt: "Ausgewogenheit und Ausführlichkeit in Kombination sprechen für eine seriöse Rezension", sagt Anette Hahnfeld von Dooyoo. Um unseriösen Rezensionen und Beiträgen entgegenzuwirken, hat beispielsweise die Wettbewerbsbehörde der USA gerade das Gesetz überarbeitet, das unfairen Wettbewerb verhindern soll. Blogger und andere Nutzer, die Produkte bewerten, werden darin zum ersten Mal explizit erwähnt. Haben diese eine materielle Verbindung zum Anbieter eines Produktes oder einer Dienstleistung, erhalten sie etwa Sachleistungen oder Bezahlung, müssen sie dies auch offen legen, sonst droht ihnen eine Strafe. Ein solches Gesetz gibt es in Deutschland nicht - noch nicht.

Korrektur: Herr Uhereks Kommentar ist korrekt. Wir haben den Text korrigiert. Es heißt nun "Trigema-Anzeige" statt "Trigema-Review".

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