Anzeige
Anzeige

Kündigungswelle Massenentlassung statt Bällebad: Wie der Traumjob im Silicon Valley zum Albtraum wurde

Im Silicon Valley wächst der Druck (Symbolbild)
Im Silicon Valley wächst der Druck (Symbolbild)
© Javier Sánchez Mingorance/ / Picture Alliance
Großzügige Gehälter, ein freundliches Umfeld und jede Menge Goodies: Der Silicon Valley galt lange als Traumarbeitsplatz. Doch mit den jüngsten Entlassungswellen dürfte das zu Ende sein.

Es war eine einfache Philosophie: Wenn sich die Angestellten wohl fühlen, arbeiten sie auch gerne. Nach dieser Idee mauserten sich die Techkonzerne zu enorm attraktiven Arbeitsplätzen. Mit den jüngsten Entlassungswellen ist das Bild vom Traumjob im Silicon Valley allerdings geplatzt. Nicht nur der Umgang mit den Entlassenen sorgt für einen bitteren Geschmack.

Als wäre es nicht schlimm genug, dass in den letzten Monaten Zehntausende Mitarbeiter der Techgiganten Facebook, Microsoft, Amazon, Google oder Twitter auf die Straße gesetzt wurden, macht es die Art der Kündigung oft noch schlimmer. Statt in respektvollen Gesprächen erfuhren viele der Entlassenen erst von ihrer Kündigung, als ihnen der Zugang ins Büro oder das Einloggen in den Arbeitsrechner verweigert wurde. Andere wurden durch Massen-Mails oder Blogposts über das Ende ihrer Zeit bei den Konzernen informiert. Dass es dazu kommen konnte, zeigt auch den Wandel des Silicon Valley selbst. Aus dem Tal der unkonventionellen Visionäre ist längst ein ganz normales Business geworden.

Das Ende des Spaß-Büros?

Dabei waren gerade viele der Techkonzerne aufgebrochen, um es anders zu machen. Oft noch in oder kurz nach der Uni gegründet, wollten viele der Tech-Gründer einen eigenen Weg finden zu arbeiten. Die Kleidungsordnung war locker, die Hierarchien flach. "Wir sind keine gewöhnliche Firma", verkündeten die Google-Gründer 2004 in ihrem ersten Brief an ihre Investoren. Die Abgrenzung von der klassischen Wirtschaft war auch eine stolze, eine rebellische Haltung.

Es ist kein Zufall, dass das Klischee von Start-ups auch eine deutlich verspieltere Arbeitsatmosphäre umfasst. Google und andere Firmen lockten in ihren Firmensitzen mit bunten, freundlichen Büros, inklusive Meetings im Bällebad und abendlichen Billardrunden im Gemeinschaftsraum. Auch Experimentierfreude war gerne gesehen: Lange Jahre stand es etwa jedem Google-Mitarbeiter frei, 20 Prozent seiner Arbeitszeit frei für Leidenschaftsprojekte zu nutzen.

Natürlich hatte diese große Freiheit durchaus auch für die Firmen ihren Vorteil. Wenn die Angestellten im Büro viel Spaß haben, sind sie eher bereit, einen größeren Teil ihrer Freizeit für den Job zu opfern. Und eine größere Bereitschaft, den Angestellten zuzuhören und ihre Vorschläge umzusetzen, kann zu einer höheren Innovationskraft führen. Vor allem ist es aber ein klarer Vorteil im Kampf um die größten Talente. Zusammen mit den guten Gehältern war das ein meßbarer Erfolg: Unter den laut Angestellten beliebtesten Arbeitgeber der USA finden sich in den Top-20 ganze elf Unternehmen aus dem Techbereich, meldete "Glassdoor" im Januar. Google wurde gar in mehreren Ländern als attraktivster Arbeitgeber überhaupt betrachtet - selbst in den ohnehin schon arbeitnehmerfreundlichen skandinavischen Staaten.

Das Silicon Valley wird erwachsen

Doch in den letzten Jahren hat sich das Denken im Silicon Valley verändert. Von den fünf größten Techkonzernen Amazon, Apple, Alphabet (Google), Meta (Facebook) und Microsoft wird nur noch Meta von seinem Gründer geführt, alle anderen haben das Ruder an Nachfolger abgegeben. Auch in den Management-Ebenen sitzen immer öfter Wirtschafts-Experten statt Visionäre. Und: Viele der extrem experimentellen Bestrebungen sind nicht mehr Teil des ursprünglichen Konzerns.

Hatte Google einst verrückte Projekte wie das Internet über Heißluftballons (Project Loon) unter derselben Marke betrieben und Facebook seine Virtual-Reality-Bestrebungen im selben Haus angeschoben, wurden beide längst ausgelagert. Die Experimente leisten sich Alphabet und Meta nun in eigenen Firmen - während sich die Angestellten von Google und Facebook auf das Kerngeschäft mit Werbung konzentrieren sollen.

Eine große Rolle bei dieser Entwicklung spielt ein recht banaler Fakt: Das Silicon Valley ist mit seinem wirtschaftlichen Erfolg auch erwachsener geworden. Apple, Microsoft und Amazon gehören zu den wertvollsten Konzernen der Welt. Und müssen sich entsprechend auch vor ihren Aktionären rechtfertigen. Dass die Branche nun zehntausende Mitarbeiter entlässt, dürfte auch dem Druck der Wall Street geschuldet sein. Die ersten Folgen gab es schon vor den Kündigungen. Hatte man die Angestellten im letzten Sommer noch mit Parties und Konzerten ins Büro zu locken versucht, wurden diese Events immer weiter zurückgefahren. Auch andere Vorteile wie kostenlose Massagen seien gestrichen worden, erinnert sich eine Google-Angestellte gegenüber "CNN". "Viele von uns hatten gehofft, dass wir damit so viel einsparen könnten, dass es unsere Jobs rettet."

Harsche Realität

Diese Hoffnung wurde nicht nur enttäuscht, sondern regelrecht zerstört. Als die Kündigungswellen bei Google, Twitter und anderen Firmen losrollten, machten schnell Meldungen die Runde, wie rabiat viele der Angestellten gefeuert worden waren. Twitter-Mitarbeiter wurden aus dem Nichts aus den Arbeitslaptops ausgeloggt, mussten tagelang auf die Bestätigung warten, dass sie gekündigt worden waren. Viele der Angestellten erfuhren erst beim verweigerten Einlass ins Büro, dass sie nicht mehr dort arbeiteten. Besonders hart traf es eine Google-Angestellte: Sie erfuhr während der Geburt ihrer Tochter, dass sie entlassen worden war, berichtete sie bei Linked.in. Selbst nachdem Zehntausende ihre Arbeit verloren hatten, konnten sich die übrigen Angestellten nicht sicher fühlen. Immer wieder meldeten die Konzerne zusätzliche Kündigungen. Zuletzt setzte etwa Amazon diese Woche weitere 9000 Mitarbeiter vor die Tür – nachdem im Januar bereits 18.000 das Unternehmen verlassen mussten.

Das Bild vom Traumjob im Silicon Valley wird unter diesen Eindrücken wohl nachhaltig leiden. Was nützen schließlich Versprechen eines anderen Arbeitsansatzes und von Spaß im Büro, wenn die Angestellten beim Anzeichen einer Krise schnell und ohne Zögern vor die Tür gesetzt werden? 

Wie es anders geht, zeigt ausgerechnet der Techriese, der am wenigsten dem Start-up-Klischee entspricht. Apple hat zwar ebenfalls einen Ruf als guter Arbeitgeber. Das Spaßimage eines Googles hatte der Konzern allerdings nie. Nun beweist es sich auf andere Art: Die aktuellen wirtschaftlichen Herausforderungen versucht der iPhone-Konzern Berichten zufolge vor allem durch Einsparungen zu meistern. Massenentlassungen im Stile der Konkurrenten will man so vermeiden. Für den Ruf als Arbeitgeber dürfte das besser sein als jedes Bällebad.

Quellen: CNN, Universum, Linked.in, CNBC

Mehr zum Thema

Newsticker

VG-Wort Pixel