Volkswagen gegen Apple,Mercedes gegen Google: Aus Autoherstellern werden Internetkonzerne, oder umgekehrt - wie das Rennen ausgeht, ist noch nicht ausgemacht. Die traditionellen Autohersteller basteln an rollenden Datensammelgeräten, genannt "autonome Fahrzeuge", und die Internetfirmen stellen Gefährte vor, die im Moment bestenfalls wie überdimensionale Spielzeug-Autos aussehen. Das Google Car mit dem lustigen Smiley-Gesicht wirkt jedenfalls nicht so, als könne man sich damit außerhalb eines Golfplatzes sicher bewegen.
Wir sollten uns aber nicht täuschen lassen: Hier fährt die Zukunft. Bei diesem Wettrennen geht es einmal nicht um PS und Höchstgeschwindigkeiten, diesmal geht es um das Wertvollste, was wir den Herstellern liefern können: Die Daten, die wir im Straßenverkehr unablässig produzieren, und die moderne Autos mit all ihren Sensoren präzise aufzeichnen. Das sind Bewegungsprofile, sämtliche technische Daten rund ums Auto, Wettermeldungen, Stauwarnungen, und, und, und ...
Thomas Ammann
Stellvertretender Chefredakteur des stern, 58, beschäftigt sich seit vielen Jahren mit Netzpolitik und den sozialen Aspekten der digitalisierten Gesellschaft, der internationalen Hackerszene und der Computerspionage, zuletzt als Co-Autor des im Herbst 2014 erschienenen Buches "Die digitale Diktatur – Totalüberwachung, Datenmissbrauch, Cyberkrieg".
Daten sind der Schatz des 21. Jahrhunderts
Richtig interessant wird es erst, wenn das Auto wie von Geisterhand gesteuert wird, und wir selbst beim Fahren ständig surfen, mailen oder posten. Damit ist nicht nur klar, wohin wir fahren, sondern auch noch, womit wir uns dabei beschäftigen. "Vergesst Big Brother – Google ist besser!", warnte Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner im vergangenen Jahr. Das ist ein Milliardenschatz, der da weltweit geschaffen wird, auf den die Konzerne alle scharf sind - in der Internet- wie in der Autobranche, aber nicht nur dort. Wenn der Treibstoff des 20. Jahrhunderts die fossilen Brennstoffe gewesen seien, so Döpfner, seien Daten und Nutzerprofile ganz sicher der des 21. Jahrhunderts.
Missbrauch? Ausgeschlossen, versichern die Vorstandschefs. „Keiner von uns sollte akzeptieren, dass die Regierung oder ein Unternehmen Zugang zu all unseren privaten Informationen hätte“, meint Apple-Chef Tim Cook. Sein Unternehmen verkaufe ja ohnehin nur Hardware, an den Kundendaten sei Apple nicht interessiert. Allerdings verdient Apple prächtig an genau jenen Geräten, mit deren Hilfe die Daten überhaupt erst erhoben werden. Ähnlich äußerte sich auch Daimler-Boss Dieter Zetsche: "Mercedes steht für Sicherheit, künftig auch für Datensicherheit.“ Und Volkswagen-Lenker Martin Winterkorn erklärte kurz und bündig: "Die Daten gehören uns!"
Die Daten gehören uns!
Ich meine: Die Daten gehören uns – also denjenigen, die sie herstellen. Wenn die Konzerne hier schon das Geschäft der Zukunft wittern, dann stellt sich doch die Frage, was sie bereit sind, uns für die Verwendung unserer Daten zu bezahlen. Bislang schien die Frage eindeutig, besser gesagt einseitig, geklärt: nichts. Das muss sich dringend ändern.
Schon jetzt haben sich Apple, Google, Facebook und Co. mit den schicken neuen Geräten und dem geballten Wissen, das diese über uns anhäufen, in die höchsten Sphären der New Economy katapultiert. Google setzte 2014 rund 62 Milliarden Euro um, davon blieben 13 Milliarden als operativer Gewinn, was einer Marge von 20 Prozent entspricht. Das Meiste stammt aus Werbeeinnahmen. Es gibt wenige Geschäfte, die lukrativer sind - Waffenschmuggel und Drogenhandel einmal ausgenommen. Googles Unternehmenswert lag übrigens Ende 2014 bei etwa 350 Milliarden Euro, bei Apple sind es zurzeit mehr als 620 Milliarden.
Wir geben ihnen das Wertvollste, das wir besitzen – unsere privatesten Geheimnissen, und sie machen daraus pures Gold. Es ist ein gigantischer Vermögenstransfer, der da stattfindet, gegen den sich die Raubzüge der spanischen Eroberer bescheiden ausnehmen.
Datenagenten in eigener Sache
Es ist an der Zeit, dass die Konzerne uns bezahlen für das, was wir für sie produzieren. Zum Beispiel, indem sie uns die Geräte kostenlos zur Verfügung stellen, mit denen wir die Daten liefern.
Im Gegenzug, meint einer der bekanntesten Silicon-Valley-Kritiker, der Publizist Evgeny Morozov, könnten wir uns damit einverstanden erklären, dass diese Geräte Daten über unsere Gewohnheiten sammeln. Smarts, VW Up!s oder das Google-Smiley-Car künftig also kostenlos? Das könnte ein fairer Deal unter Geschäftspartnern sein, wenn Transparenz auf beiden Seiten herrscht. Wir Internet-User, sagt Morozov, sollten zu "Datenagenten in eigener Sache" werden.
Und vielleicht kommen wir dann zur Erkenntnis, dass man manchmal besser mit Geld bezahlt als mit den eigenen Geheimnissen.