Mitten im Gefecht erscheint ein großer Pfeil im Sichtfeld der Soldaten. Die Kommandozentrale hat gerade ein Gebäude markiert, nun wird es im Helmvisir der Bodentruppen hervorgehoben. Was wie eine Szene aus einem Science-Fiction-Film klingt, ist mit den neuesten Werkzeugen der US-Streitkräfte jederzeit möglich. Trotzdem hat der US-Kongress einen weiteren Einkauf der smarten Kampfhelme fürs erste abgelehnt. Und den Hersteller Microsoft zu Hausaufgaben verdonnert.
Mit einem smarten Helm wollten die US-Streitkräfte den Bodenkampf der Zukunft einläuten. Durch moderne Aufklärungstechnik haben die Kommandozentralen ein immer umfangreicheres Bild des Kampfgeschehens, mit in den Helm integrierten smarten Brillen, Combat Goggles getauft, sollten sie auch für die Bodentruppen jederzeit im Sichtfeld verfügbar sein. Dieser Plan wurde nun verschoben: Der Kongress weigerte sich, die im Verteidigungsbudget dafür vorgesehenen Gelder zu bewilligen, berichtet "Bloomberg".
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Lebensgefährliche Brillen
Ums Geld dürfte es dabei weniger gehen. Das Ende Dezember von Präsident Joe Biden unterzeichneten Haushaltsgesetz umfasst Ausgaben in Höhe von sagenhaften 1,7 Billionen Dollar. Die für 6900 Datenbrillen eingeplanten 400 Millionen Dollar wären da nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Dass der Kongress sie verweigerte, hängt in erster Linie damit zusammen, dass sie in der jetzigen Form im Einsatz eher eine Gefahr für die Soldaten statt einer Hilfe sein dürften.
Das war das Ergebnis des ersten umfangreichen Tests der Brillen im vergangenen Sommer. In einem dreitägigen Manöver hatten 70 Soldaten die Brille in Vorstoß-, Angriffs- und Verteidigungs-Szenarien ausführlich getestet. Die nüchterne Bilanz: Über 80 Prozent der Soldaten klagten in den ersten drei Stunden nach der Nutzung über körperliche Beschwerden durch das lange Tragen der Datenbrille, von Übelkeit, über Kopfschmerzen bis zu überanstrengten Augen.
Dass die Brille zudem für die Soldaten als schlicht lebensgefährlich bewertet wurde, hat aber einen anderen Grund: Weil das Licht der Displays trotz Abschirmung leicht das Gesicht der Soldaten beleuchtet, sind die Träger im Dunkeln auch über größere Distanzen zu sehen. Und damit ein leichtes Ziel für feindliche Schützen, die nur noch auf die illuminierten Köpfe zielen müssen. "Diese Geräte hätten uns das Leben gekostet", lautete das erschreckend klare Fazit eines Soldaten.

Hausaufgaben für Microsoft
Im US-Kongress wurde entsprechend eine Überarbeitung der Brillen angeordnet. 40 Millionen der geforderten 400 Millionen Dollar für den Einkauf wurden stattdessen für die Fehlerbehebung umgewidmet und freigegeben, bestätige ein Armeesprecher "Bloomberg" in einer E-Mail. Schon vor einem Monat hatte die Army 125 Millionen Dollar für die Entwicklung eines "Version 1.2" genannten neuen Modells eingeplant. Das Geld stammte noch aus dem Vorjahresbudget. Die Neuentwicklung solle sowohl die Probleme mit dem längeren Tragen als auch die Gefahr durch das Displayleuchten adressieren, heißt es in einem Statement. Zudem wolle man den Tragekomfort erhöhen, Software anpassen und die Akkulaufzeit verbessern.
Für Microsoft ist das eine ärgerliche Entwicklung. Der Konzern hatte in den letzten Jahren trotz Protesten aus der Belegschaft zunehmend die US-Streitkräfte als möglichen Großkunden umgarnt. Neben der Entwicklung der Combat Goggles hatte sich der Konzern vor allem darum bemüht, im Rahmen eines JEDI genannten Programmes die digitale Infrastruktur der US-Streitkräfte auf den neuesten Stand zu bringen. Nachdem Amazon das Rennen um den 10-Milliarden-Vertrag verloren hatte, klagte der Konzern. Der Verdacht: Ex-Präsident Donald Trump habe den Konzern wegen seines Hasses auf Gründer Jeff Bezos benachteiligt. Obwohl Microsoft vor Gericht gewann, wurde das Programm am Ende eingestellt. Das nur noch 9 Milliarden Dollar schwere Nachfolgeprojekt musste Microsoft dann mit drei weiteren Unternehmen teilen.
Bei den Combat Goggles geht es indes noch einmal um ein deutlich größeres Geschäft. In den nächsten zehn Jahren möchten die US-Streitkräfte bis zu 121.000 der Brillen einkaufen und einsetzen. Mit Ersatzteilen und Serviceleistungen sind dafür Kosten von fast 22 Milliarden Dollar eingeplant. Aber nur, wenn Microsoft ein Produkt liefert, das die Soldaten auch nutzen können.
Quellen: Bloomberg, Business Insider, CNN