Es ist ein riesiges Geschäft: Mit zehn Milliarden Dollar will das US-Militär endlich seine IT zukunftsfähig machen und die verschachtelten Systeme in einer Cloud vereinen. Doch das im letzten Herbst zugunsten von Microsoft beendete Vergabeverfahren hat sich längst zur Polit-Posse um US-Präsident Donald Trump und dessen Erzrivale Amazon-Chef Jeff Bezos entwickelt. Ein neuer Bericht des Pentagon soll nun Licht ins Dunkle bringen. Doch die wohl wichtigste Frage klärt er nicht.
Die lautet seit Monaten: Hat Donald Trump das Zünglein an der Waage gespielt und wegen seines Hasses auf Bezos das Blatt zu Ungunsten von Amazon gewendet? Der Konzern galt wegen seiner längeren Erfahrung seiner Cloudsparte AWS als Favorit für den als JEDI bezeichneten Auftrag, die Entscheidung für Microsoft überraschte selbst Experten. Kein Wunder, dass Amazon längst gegen die Entscheidung klagt.
Keine Klarheit über Trumps Rolle
Ein gerade erschienener Bericht des Pentagons sollte eigentlich Klarheit schaffen. Ein Generalinspekteur des Verteidigungsministerums hatte untersucht, ob bei der Vergabe an Microsoft geltendes Recht gebrochen wurde. Doch ausgerechnet der Einfluss des Weißen Hauses wird in dem über 300 Seiten starken Bericht nicht vollständig beleuchtet. Das Weiße Haus habe "auf ein präsidentiales Geheimhaltungsrecht gepocht" und dadurch das Verhör wichtiger Zeugen auch innerhalb des Verteidigungsministeriums verhindert, heißt es in dem Bericht.
Die Vorwürfe gegen Trump wiegen durchaus schwer. Bei einer Pressekonferenz hatte der US-Präsident im letzten Jahr gesagt, er werde sich das Vergabeverfahren genau anschauen weil er von "Vorwürfen" gegen Amazon gehört hatte. Laut Zeugen soll er kurz darauf dem damaligen Verteidigungsminister James Mattis gesagt haben, der solle "auf Amazon sch***en". Andere an dem Gespräch Beteiligte wollen das laut einem Bericht von "Yahoo" allerdings so wörtlich nicht gehört haben. Trotzdem habe Mattis eine einseitige Vergabe abgelehnt. Er habe laut mehreren Berichten betont: "Wir machen das genau nach den Regeln." Der ehemalige General verlor seinen Posten aber bald danach.

Schwere Vorwürfe und das "I"-Wort
Die Frage nach Trumps Einfluss beschäftigt seit Februar auch ein Gericht. Ungewöhnlich offen erhebt Amazon harte Vorwürfe gegen den US-Präsidenten. Dabei schreckt der Konzern auch nicht davor zurück, den Präsidenten vorladen zu wollen - und fordert sogar seine Absetzung. Die Lage wäre sehr ähnlich der in Trumps Impeachment-Verfahren, argumentieren die Anwälte. Der Präsident hätte seine Position ausgenutzt, um seine eigenen Interessen vor denen seines Landes durchzusetzen. Ob er einen direkten Befehl gab, spiele kaum eine Rolle, so Amazon: Die Verantwortlichen hätten "bewusst oder unbewusst" versucht, den Willen öffentlich geäußerten Willen des Präsidenten durchzusetzen.
Tatsächlich kocht der Streit zwischen Trump und Amazon-Chef Jeff Bezos seit Jahren. Trump nimmt Bezos die negative Berichterstattung von dessen Zeitung, der etablierten "Washington Post", vor. Er sieht die Berichterstattung als persönliche Attacken in Bezos' Auftrag, obwohl der laut der Zeitung keinen Einfluss auf die Inhalte des Blattes hat. Immer wieder vermengt Trump Amazon und die "WaPo", obwohl beide Firmen bis auf Beteiligungen von Bezos nichts miteinander zu tun haben. Die Fehde ging soweit, dass Trump als einer der Hauptverdächtigen für eine Erpressungsaffäre um ein Fremdgehen des Amazon-Chefs gilt.
"Das ist eine völlig neue und erstaunliche Situation", sagte der Rechts-Professor Charles Tiefer gegenüber "Yahoo". "Es gab noch nie eine so deutliche verbale Attacke eines US-Präsidenten gegen einen Bewerber in einem Beschaffungsverfahren. Und natürlich gab es daher auch noch die Situation, dass der so Angegriffene dann am Ende auch noch verloren hat." Inwieweit zwischen den Verbalattacken und der Auftrags-Vergabe nun ein konkreter Zusammenhang besteht, dürfte die Gerichte noch eine Weile beschäftigen.
Microsoft zwischen den Stühlen
Das Verfahren verspricht interessant zu werden. Nach dem Pentagon-Bericht soll Amazon durch einen Fehler an Teile von Microsofts Bewerbungsmaterialien gelangt sein und seine Strategie auch auf diesen Kenntnissen aufbauen. Der Windows-Konzern befindet sich in einer unbequemen Situation. Ohne eigenes Verschulden muss er die Entscheidung des Pentagons verteidigen, um sein Geschäft zu schützen. Der Konzern habe mit seiner Cloud-Plattform Azure ein "besseres Angebot zum besseren Preis" gemacht, erklärte das Pentagon. Trotz der Unklarheiten zur Rolle des Weißen Hauses sei das Verfahren "rechtmäßig und fair verlaufen", erklärte die Behörde gegenüber "CNBC". Auch Microsoft sieht das so. "Es sieht so aus, als ob Amazon zu hoch kalkuliert hätte und nun noch mal von vorne anfangen will", sagte ein Sprecher dem TV-Sender.
Am Ende wird aber ein das von Amazon begonnene Gerichtsverfahren darüber entscheiden. Die Richterin hat laut "Yahoo" bereits signalisiert, einige von Amazon bemängelte Fehler Microsofts ebenfalls kritisch zu sehen. Das Verteidigungsministerium versucht aktuell, das Verfahren für vier Monate aussetzen zu lassen, um einen von der Richterin als besonders schwerwiegend bemängelten Fehler auszubügeln.
Quellen: Pentagon-Bericht, CNBC, Yahoo