Twitter, das stehe nun für einen einsamen Leuchtturm der Meinungsfreiheit, das betont Elon Musk seit seiner Übernahme des Kurnachrichtendienstes immer wieder. Doch während immer mehr problematische Stimmen auf die Plattform zurückkehren dürfen, sperrt Twitter in den letzten Tagen zunehmend Kritiker Musks. Nun hat sich der Chef in ein Gespräch von Journalisten eingeklinkt. Nur, um ihn kurz darauf völlig überhastet wieder zu verlassen.
Dabei dürfte er gewusst haben, worauf er sich einlässt. Unter dem Namen "Save Ryan Mac" hatte sich bei Twitters Gesprächsplattform Spaces eine Gruppe von Journalisten getroffen. Ähnlich der Hype-App Clubhouse können sich dort Nutzer:innen zu öffentlichen Gesprächen treffen, bei denen Einzelne als Sprecher auf die Bühne gebeten werden. Als Musk dazukam, waren bereits über 37.600 Zuhörer dabei. Das Thema: die Twitter-Sperrung des "New York Times"-Journalisten Ryan Mac.
Musk im Kreuzverhör
Der war, gemeinsam mit mehreren anderen Kollegen großer US-Zeitungen, wenige Stunden vorher bei Twitter suspendiert worden. Alle hatten in der Vergangenheit negativ über Musk berichtet. Die Sperrung begründete Twitter mit vermeintlichen Regelverstößen. Und auch Musk versuchte nach dem Einklinken in den Space diese Rechtfertigung. "Informationen über den Standort eines Nutzers zu posten, ist einfach unangemessen", wiederholte er seinen Vorwurf an die Gesperrten. Journalisten würden unter seiner Führung wie jeder andere behandelt. "Es gibt keine Sonderbehandlung: Du verrätst persönliche Informationen (Musk verwendete den Internet-Slang "doxxing", Anmerkung der Redaktion), du fliegst raus. Ende der Geschichte."
Weder Mac noch seine Kollegen hätten Musks Adresse verraten, merkt Katie Notopoulos von "Buzzfeed News" an. Der Vorwurf stammt daher, dass die Journalisten über den Twitter-Kanal "Elonjet" berichteten. Dort wurden die öffentlich verfügbaren Daten zusammengetragen, wo sich Musks Privatjet gerade aufhält. Die Artikel und Tweets hatten lediglich auf den Blog verwiesen. Musk will das nicht anerkennen. "Das ist doch eine Umgehungstaktik. Man versucht clever zu sein: Ich habe nur auf einen Link verwiesen und nicht die Informationen selbst. Das ist doch offensichtlich eine Ausrede", schimpft er. Musk wirkt dabei leicht fahrig und abgelenkt, im Hintergrund scheint er schnell auf seiner Tastatur zu schreiben, während er spricht.
Haltloser Vorwurf
Der ebenfalls gesperrte Drew Harwell, seinerseits für die "Washington Post" tätig, will diesen Vorwurf nicht stehen lassen. Obwohl Musk ihn mehrfach mit dem Vorwurf unterbricht, er habe die Privatadresse des Twitter-Chefs verraten, stellt er ruhig seine Sicht der Berichterstattung dar. Er und seine Kollegen hätten lediglich über Elonjet berichtet, die Links seien nach der Sperrung des Accounts nicht mehr aktiv, betont er. Damit habe er selbst nie die Adresse verbreitet. Dann geht er in den Angriff über: "Ist das nicht genau die Blockade-Technik, die Sie im Rahmen der Geschichte um Hunter Bidens Laptop kritisiert haben", will er vorwurfsvoll vom Twitter-Gründer wissen.
Musk bringt das in eine unbequeme Position. Nur wenige Tage vorher hatte er unter großem Trara die vermeintlichen Vertuschungen der ehemaligen Twitter-Führung öffentlich gemacht. Dort hatte man 2019 mit dem Umgang zu Informationen gehadert, die auf einem Laptop des Sohnes von Präsident Biden gefunden worden waren. Weil Links zu einigen Dateien unterbunden worden waren – es handelte sich teilweise im private Nacktfotos Hunter Bidens – hatte Musk eine Verschwörung behauptet.
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Twitter-Chef hat keine Lust auf Kritik
Damit konfrontiert, stammelt der Twitter-Chef im Spaces-Gespräch. "Das ist für mich nicht akzeptabler als bei ihnen", bringt er unsicher heraus. "Also war ihr Handeln inakzeptabel?": hakt Harwell nach. "Nein. Wenn man doxxt, wird man gesperrt. Das war's", antwortet Musk. Und verlässt den Space so schnell, dass die anderen Gesprächsteilnehmer es erst zwanzig Sekunden später am Ende der nächsten Nachfrage von Moderatorin Notopoulos bemerken.
Die übrigen Gesprächsteilnehmer sind ob des schnellen Abgangs überrascht. "Ich hatte so viele Fragen", ärgert sich "CNN"-Journalist Ben Collins noch. Lange geht das Gespräch allerdings nicht mehr weiter: Kurz nach Musks grußlosem Abschied schaltet sich die gesamte Spaces-Funktion Twitter-weit ohne Erklärung offline.
Quelle: Spaces-Gespräch (via Bradley Eversley)