Insider packen aus "Diese Firma ist fertig": Selbst Musk-Fans bei Twitter verlieren den Glauben an sein Genie

Elon Musk schaut dem Twitter-Symbol entgegen
Elon Musk traf bei Twitter auf wenig Gegenliebe
© Adrien Fillon/ZUMA Press Wire / DPA
Elons Musks Image leidet zunehmend unter dem öffentlichen Chaos der Twitter-Übernahme. Im Unternehmen selbst ist das nicht besser. Selbst bei den Mitarbeitern, die ihn als Rettung für Twitter sahen.

Twitter, das war ein Unternehmen, in dem vieles anders lief als in anderen. Gründer Jack Dorsey legte wenig Wert darauf, sämtliche Entscheidungen zu treffen, überlies vieles der Belegschaft. Nicht jeder Mitarbeiter war Fan dieses Ansatzes. Entsprechend hoffnungsvoll waren die Erwartungen, als Elon Musk im Oktober das Ruder übernahm. Doch die Freude währte offenbar nur kurz.

Das geht aus einem sehr ausführlichen Bericht des "New York Magazine" hervor, der sich auf Berichte von mehr als zwei Duzend aktuellen und ehemaligen Angestellten des Unternehmens beruft. Und die haben viel zu erzählen.

Harte Umstellung

Besonders hart war demnach der Wandel in der Kommunikation. Der Gründer und langjährige CEO Jack Dorsey und seine Nachfolger hatten einen sehr laxen Führungsstil gepflegt. Die Mitarbeiter waren es gewohnt, viel selbst zu entscheiden, die Führung in jeder Frage auch hart angehen zu können. Unter Musk war das auf einen Schlag vorbei, erinnern sich gleich mehrere von ihnen. 

Stattdessen traf sich der Chef wenn überhaupt nur noch zur Verkündung bereits getroffener Entscheidungen mit seinen Angestellten, gab sich dabei oft arrogant und herablassend. "Ihr versteht es einfach nicht", soll er Angestellten entgegen geschleudert haben, wenn diese kritisch seine teils sehr schwammig bleibenden Visionen hinterfragten.

Verwirrende Termine

Ohnehin hatten viele Angestellte schnell den Eindruck, dass Musks Sachkenntnis sich in Grenzen hielt. Eine Mitarbeiterin, die sich nur Alicia nennt und eigentlich eher optimistisch in die Übernahme ging, sollte dem müde wirkenden Musk etwa die hohen Kosten der Server erklären. "Ich dachte mir: Na gut, wenn er über Geld reden will, dann gerne", berichtet sie. Doch als sie ihm die Details vorzurechnen begann, wurde sie sofort unterbrochen. "Ich habe in den Neunzigern schon programmiert, ich weiß wie Computer funktionieren", fuhr ihr Musk ins Wort.

Statt über Technik wollte er plötzlich über die Chance von Videos mit langer Laufzeit für die Plattform diskutieren - in einem Termin mit einem Infrastrukturteam, das damit gar nichts zu tun hatte. Dabei schien Musk bewusst zu sein, mit wem er sich traf. "Dieses Meeting ist zu technisch für dich", soll er seinen engen Mitarbeiter David Sacks aus dem Raum verscheucht haben. Das Ingenieurs-Team, das mit ihm nicht über Technik reden durfte, war sprachlos.

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Entsprechend amüsiert war Alicia, als Musk plötzlich alle Programmierer aufforderte, ihre Arbeit vorzulegen, damit er sie eigenhändig prüfen könne. "Auf das Meeting hatte ich mich regelrecht gefreut", berichtet sie. Statt ihrer über zehn Jahren entwickelten, hochkomplexen Programme hatte sie ihm einige hingeschluderte Zeilen der als eher einfach geltenden Programmier-Sprache Python ausgedruckt. "Das entspricht eher seiner Kragenweite", so ihre hämische Einschätzung. Doch am Ende wurde der Termin einfach ersatzlos gestrichen.

Kein Bonus für Musk-Fans

Einige Angestellte hatten sich extrem auf Musk gefreut. In einem eigenen Channel bei Slack namens "i-dissent" (etwa: ich widerspreche) hatten sich Twitter-Mitarbeiter zusammengeschlossen, die mit dem generell eher liberalen Meinungsbild in der Firma nicht übereinstimmten. Dort wurde etwa diskutiert, warum man Trans-Personen nicht mehr mit ihrem alten Namen ansprechen sollte. Als Musks Übernahme bekannt wurde, jubelte der Mitarbeiter dort regelrecht.

"Ich habe ihm eine Slack-Nachricht geschrieben", freute er sich. Schließlich sei die Übernahme eine gigantische Chance. Nach der ersten Runde Entlassungen war er trotzdem gefeuert worden. Und sämtliche anderen besonders aktiven Teilnehmer des Channels ebenfalls.

Selbst Überzeugungstäter gehen

Auch überzeugte Fans von Musks Strategie waren nicht vor ihr sicher. "Elon Musk ist ein genialer Ingenieur und Wissenschaftler, er hat ein goldenes Händchen", freute sich etwa Entwickler Like Simons in Chats auf die Übernahme. Ihm war die Führung zu schwach, die Arbeitshaltung zu entspannt.

Selbst nachdem Musk die Hälfte der Belegschaft rausgeworfen hatte und man plötzlich überlegen musste, doch einige Entwickler zurückzuholen, blieb er auf Seiten des Milliardärs. "Die Leute, die ich zurückholen soll, sind schwach, faul und unmotiviert. Sie wurden mit Grund gefeuert", ereiferte er sich. Einen Monat später hatte er das Unternehmen selbst verlassen.

"Diese Firma ist fertig."

Mit seinem rabiaten Vorgehen und seiner klaren Positionierung gegen die alte Unternehmenskultur hat Musk auch die überzeugtesten Anhänger Twitters vergrault, so das Fazit der Berichte. Es seien nur noch Angestellte geblieben, die aus verschiedenen Gründen wie einem Visa oder der Krankenversicherung keine andere Wahl hätten. Oder die das Machtvakuuum kaltblütig als Karrierechance sehen würden. Ein Mitarbeiter zieht ein nüchternes Fazit. "Diese Firma ist fertig."

Und auch die letzten Angestellten dürften nicht aufhören zu zittern. Nach einem aktuellen Bericht des "Insiders" plant das Unternehmen gerade die nächste Kündigungswelle.

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