Teure Übernahme Einnahmen um jeden Preis: Warum Twitter unter Musk noch dringender Geld verdienen muss

Seit Elon Musk am Ruder ist, ändert sich bei Twitter vieles – für die Belegschaft genauso wie für die Nutzer:innen. Der neue Chef schaut vor allem aufs Geld. Und hat dafür einen guten Grund.

Es gehe ihm nicht ums Geld, das betonte Elon Musk während des monatelang anhaltenden Streits um die Twitter-Übernahme immer wieder. Und obwohl die Aussage bei einem derart teuren Deal auch für den reichsten Mann der Welt wenig glaubhaft schien, hat sie mit den ersten Amtshandlungen Musks jede Glaubwürdigkeit verloren. Unter der neuen Führung soll Twitter endlich Geld verdienen. Denn der finanzielle Druck ist durch Musk nur gewachsen.

Das spürt man auch an seinen Entscheidungen. Schon kurz nachdem Musk letzten Donnerstag das Ruder übernommen hatte, bekamen Angestellte und Nutzer:innen zu spüren, dass nun ein anderer Wind weht. Musk hat sehr offensichtlich vor, die Kosten zu senken und gleichzeitig die Einnahmen zu erhöhen. In einem Tweet gab der Chef das auch völlig offen zu: "Irgendwie müssen wir unsere Rechnungen bezahlen", twitterte er am Dienstag.

Harte Finanzen

Dass die nun noch höher ausfallen, hat auch der neue Chef zu verantworten. Musk zahlte die 44 Milliarden Dollar für den Kurznachrichtendienst natürlich nicht komplett aus der eigenen Tasche. Seine 200 Milliarden Dollar Vermögen liegen schließlich nicht bar herum, sondern sind vor allem Aktienvermögen. Würde er die Anteile von Tesla oder SpaceX verkaufen, würde der Kurs crashen. Musk musste sich das Geld also teilweise leihen – und einen Teil davon muss nun auch Twitter selbst zurückzahlen.

Mit 13 Milliarden Dollar hat Musk Twitter belastet. Laut der "New York Times" steigen dadurch die Zinsen des Unternehmens gewaltig an – sie betragen nun alleine eine Milliarde Dollar im Jahr. Während ein solcher Ausfall für Konkurrenten wie Google oder Facebook keine große Hürde darstellen würde, ist er für Twitter ein gigantisches Problem: Der Konzern hat im gesamten letzten Jahr gerade einmal fünf Milliarden Dollar eingenommen. Und unterm Strich trotzdem 200 Millionen Dollar Miese gemacht..

Einnahmen um jeden Preis

Kein Wunder also, dass Musk sich in seiner ersten Woche kaum mit der von ihm so hochgehaltenen Meinungsfreiheit auf seiner Plattform beschäftigte und umso mehr mit den Finanzen. Der neue Chef wolle aus Kostengründen 75 Prozent der Mitarbeiter vor die Tür setzen, meldete schnell die "Washington Post" am Wochenende. Musk dementierte. Nun scheint aber doch die Axt angesetzt zu werden: 3700 der 7000 Mitarbeiter sollen am Freitag vor die Tür gesetzt werden, meldete "Bloomberg" unter Berufung auf Insider, Es wäre mehr als die halbe Belegschaft.

Auch bei den Einnahmen will Musk ansetzen. "Twitter kann sich nicht nur mit Werbung finanzieren", versuchte sich Musk am Dienstag zu erklären, als plötzlich eine Abogebühr für verifizierte Accounts im Raum stand. Nachdem er dafür zunächst 20 Dollar im Monat in den Raum stellte, ist die Gebühr nun nach zahlreichen Beschwerden auf acht Dollar gesunken. Dafür stehen aber weitere Bezahlfunktionen im Raum: Zum Beispiel Gebühren für das Ansehen von Videos oder den Versand von Direktnachrichten. 

Ob diese Einnahmen auf Dauer hoch genug ausfallen werden, ist völlig offen. Selbst wenn jeder der 400.000 bisher verifizierten Accounts nun für die blaue Marke bezahlen würde, kämen monatlich gerade einmal 3,2 Millionen Dollar zusammen, im Jahr wären es 38,4 Millionen. Das Milliardenloch wird so kaum zu füllen sein.

Einbrechende Werbeeinnahmen

Dass die Werbeeinnahmen nicht ausreichen, dürfte auch Musk selbst geschuldet sein. Mit seinem Versprechen, bei Twitter künftig weitgehend unmoderierte Meinungsfreiheit zulassen zu wollen, hat er zahlreiche Werbekunden verschreckt, viele Werbeagenturen haben ihre Buchungen aus Vorsicht pausiert. Dabei war der Markt ohnehin schon schwierig. Durch den Ukraine-Krieg und seine wirtschaftlichen Folgen sind die Ausgaben für Werbung drastisch gesunken, selbst die Giganten wie Facebook mussten deutliche Einbußen verzeichnen. 

Für Twitter kam das genau im falschen Moment. Nachdem der Konzern 2018 zum ersten Mal in seiner Geschichte Profit melden konnte und mit 2019 ein weiteres gutes Jahr schaffte, rauschte der Gewinn im Coronajahr trotz gestiegener Einnahmen in den Keller. Im letzten Jahr robbte man sich langsam wieder an die Gewinnschwelle. Mit dem russischen Angriff auf die Ukraine war dieser Traum geplatzt: Mit 344 Millionen Verlust machte Twitter alleine im letzten Quartal fast doppelt soviel Miese wie im gesamten Jahr 2021.

Musks Zerreißprobe

Der neue Chef steht nun vor einer schweren Wahl. Einerseits sind ausgerechnet die wichtigen Werbekunden wenig begeistert von der Idee, ihre Botschaften künftig neben potenziell extremistischen, beleidigenden oder anderweitig problematischen Aussagen stehen zu sehen, die aber Musks Idee von freier Meinungsäußerung entsprechen. Andererseits muss Twitter nicht nur seine Verluste ausgleichen, sondern auch noch die Zinsen einbringen, wenn er den Dienst nicht aus der eigenen Tasche finanzieren möchte. Einen Preis wird er zahlen müssen – es fragt sich nur, welcher es sein wird.

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