Es war eine Show, wie sie Elon Musk gefiel. Mit einem Popcorn-Emoji und dem Zusatz "Das wird großartig" hatte er die Veröffentlichung der sogenannten "Twitter Files" angekündigt. Sie behandeln die Frage, wie der Kurznachrichtendienst mit möglicherweise problematischen Nachrichtenberichten umging. Obwohl die Erkenntnisse letztlich gering sind, fiel er bei Donald Trump damit auf fruchtbaren Boden.
Die nun veröffentlichten Dokumente zeigten "verschiedene Formen von Regierungs-Betrug, vor allem Wahlbetrug", behauptete der Ex-Präsident bei seinem Netzwerk Truth Social in Reaktion auf Musks Aktion. Und verstieg sich in eine radikale Forderung: "Massiver Betrug dieser Art und Schwere erlaubt es, alle Regeln, Vorschriften und Artikel auszusetzen, sogar die in der Verfassung", so Trump. Dabei ließ er keinen Zweifel, dass er weiß, was er gerade forderte. "Ein beispielloser Betrug erfordert eine beispiellose Gegenmaßnahme", ergänzte er in einer Antwort an sich selbst.
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Angriff auf die Verfassung
Verbunden war dieser Angriff auf die Grundlage des amerikanischen Staates mit der üblichen Forderung Trumps: Man solle die Wahlergebnisse der von ihm verlorenen Präsidentschaftswahl 2020 aberkennen und ihn zum Sieger erklären, verlangte er offen. Am Ende ging es ihm also wieder um seine seit zwei Jahren wiederholte Behauptung, dass eigentlich er die Wahl gewonnen habe. Dafür das Ende der USA wie man sie kennt zu fordern, ist allerdings selbst für Trumps Verhältnisse eine neue Eskalationsstufe.
Dass er diese ausgerechnet mit den Twitter-Leaks begründen will, ist dabei durchaus bemerkenswert. Schaut man sich die Enthüllungen genau an, bleibt von Trumps - und auch Musks - Behauptungen zur Brisanz des Inhaltes relativ wenig übrig. Und: Die von Trump behaupteten Eingriffe durch eine Regierung gab es zwar. Sie kam allerdings von Trump selbst.
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Vorwürfe nicht haltbar
Primär sollen die von Musk an den Journalisten Matt Taibbi durchgestochenen Twitter-Dokumente aus Sicht von Musk und Trump vor allem beweisen, dass der Kurznachrichtendienst eine vermeintliche Verschwörungs-Geschichte um einen Laptop von Joe Bidens Sohn Hunter gezielt unterdrückte, um Biden bei der Wahl zu unterstützen. Doch der Skandal und selbst der Nachrichten-Gehalt der Dokumente ist angesichts des Hypes darum erstaunlich gering.
Tatsache scheint, dass die Moderatoren die anfängliche Meldung der "New York Post" zunächst unterdrückten, das Teilen des Links und selbst von Screenshots des Berichts unterbanden. Allerdings gab es auch intern sehr schnell Debatten darüber, ob diese Entscheidung richtig war. Und: Der damalige Twitter-Chef Jack Dorsey scheint erst recht spät von der Entscheidung erfahren zu haben. Hinzu kommt: Laut den Dokumenten trat nicht nur Bidens Wahlteam wegen vermeintlicher Fakenews an den Kurznachrichtendienst heran. Sondern auch die Trump-Regierung.
Die Argumentation des Ex-Präsidenten lässt sich daraus nicht begründen. Weder zeigen die Dokumente, dass - wie von ihm behauptet - die "Tech-Branche" gezielt beim Wahlbetrug geholfen hätte, noch lässt sich der Vorwurf des Regierungsbetruges gegen Trump halten. Als Bidens Team den Bericht bei Twitter als problematisch meldete, war er noch gar nicht Teil der Regierung. Die einzige Regierungseinmischung erfolgte also von Seiten Trumps.

Munition für die Anklage
Der Angriff auf die Verfassung könnte sich für Trump noch als Bärendienst erweisen. Das Kongress-Komitee zum Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021 will sich in seinem Abschluss-Bericht voll auf die Rolle des Ex-Präsidenten bei dem gewalttätigen Protest konzentrieren. Ihm wird vorgeworfen, den gemeinhin als Angriff auf die US-Demokratie verstandenen Aufstand persönlich angestachelt zu haben. Ein Ende der Verfassung zu fordern, dürfte diesen Eindruck kaum schmälern.
Quellen: Twitter, Truth Social