Das Auto rast durch die Stadt, die in der Luftaufnahme winzig wirkt. Es fährt geradeaus, wie von einer unsichtbaren Hand geschoben. Vorbei an einem weißen Transporter und parkenden Wagen. Nach einigen Sekunden kommt es an einer Kreuzung fast zum Stehen, und als es gerade wieder beschleunigt, wird das Auto plötzlich in einen hellen Lichtblitz gehüllt. Rauch steigt auf, Wrackteile fliegen durch die Luft. Dann wird das Bild schwarz.
Zehn Sekunden dauert der Clip, er ist ohne Ton und in Schwarz-Weiß. Die Qualität ist schlecht. Wer der Fahrer ist und durch welche Stadt er fährt, erfährt der Zuschauer durch die Videobeschreibung: Die Szene stammt vom 14. November und zeigt die Tötung des Hamas-Militärchefs Ahmed al-Jabari durch Truppen Israels. Die militärische Führung des Landes war es denn auch, die den Clip auf die Videoplattform Youtube hochgeladen hat. Mehr als vier Millionen Menschen haben das Video in den vergangenen fünf Tagen gesehen. Doch das war nur der Anfang einer beispiellosen Propaganda-Maschinerie.
Schlachtfeld Social Media
Nicht nur an der Front setzen die israelischen Streitkräfte auf High-Tech, sondern auch beim Herausposaunen ihrer Botschaften: Auf allen Kanälen verbreitet das Militär Bilder und Videos. Die Bandbreite reicht von Youtube, Twitter, Facebook bis zum eigenen Blog. Die Social-Media-Flut zeigt Wirkung: Mehr als 27 Millionen Aufrufe verzeichnet der Youtube-Kanal des israelischen Militärs. Auf Facebook heben 273.000 User den virtuellen Daumen.
Mehr als 181.000 Follower lesen die beinahe stündlich erscheinenden Mitteilungen auf Twitter, die von beeindruckenden Bildern des Waffenarsenals bis zu offenen Drohungen reichen. So schrieb der Militärsprecher kurz nach dem Angriff auf Ahmed al-Jabari: "Wir empfehlen allen Hamas-Kämpfern, ob einfachen Mitgliedern oder Anführern, ihre Köpfe in den kommenden Tagen nicht über der Erde zu zeigen."
Die Reaktion der Gegenseite ließ nicht lange auf sich warten: Die Kassam-Brigaden, der militante Arm der Hamas, antworteten auf die Drohung der Israelis via Twitter: "Unsere gesegneten Hände werden eure Führer und Soldaten erreichen, wo auch immer sie sind (Ihr habt die Tore der Hölle für euch selbst geöffnet)." Der Twitterkanal wird von Experten als echt eingestuft. Beide Fraktionen verfassen ihre Beiträge auf Englisch und richten sich damit nicht nur an die eigene und die Gegenseite, sondern an die ganze Welt.
Widerstand im Netz
Auch auf dem Bilderdienst Flickr buhlt das israelische Militär um Verständnis für die Militärschläge: Ein Bild zeigt eine Collage des Opernhauses in Sydney, der New Yorker Freiheitsstatue, des Big Ben in London und des Pariser Eiffelturms, während Raketen auf die Sehenswürdigkeiten niederprasseln. Daneben prangt in riesigen roten Lettern: "Was würdest du tun?", darunter heißt es, man solle das Bild teilen, wenn man der Meinung ist, Israel dürfe sich selbst verteidigen. Fast 24.000 Menschen sind auf Facebook dieser Forderung nachgekommen.
Doch die israelische Berichterstattung sorgt nicht nur für Zustimmung. Der Konflikt zwischen Israel und der radikal-islamischen Hamas eskaliert nun auch zunehmend im Netz. Das Internetkollektiv Anonymous wettert schon seit längerem gegen die Politik Israels. Seit einigen Tagen ruft es lautstark zu Cyber-Attacken auf, weil der Staat gedroht habe, Gaza von allen Telekommunikationsmöglichkeiten abzuschneiden.
Hacker-Sturm gegen Israel
Der Aufruf zeigte Wirkung: Laut der israelischen Regierung habe es allein in den vergangenen vier Tagen 44 Millionen Angriffe auf Webseiten der Regierung in Tel Aviv gegeben. Finanzminister Yuval Steinitz spricht von einer "zweiten Front". Erfolg hätten die Hacker allerdings nicht gehabt, sagt der Regierungsmitarbeiter. Bis auf einen Angriff seien alle Attacken erfolgreich abgewehrt worden.
Dem widersprechen mehrere Medienberichte: Laut BBC sind diverse israelische Regierungswebseiten lahmgelegt worden. Auf einigen sollen pro-palästinensische Botschaften hinterlegt worden sein. In einer Erklärung hieß es, Anonymous habe sich "viel zu lang" darauf beschränkt, "verzweifelt die barbarische, brutale und verabscheuungswürdige Behandlung des palästinensischen Volkes" durch Israel zu betrachten. Unter dem Hashtag #OpIsrael läuft die Anti-Israel-Kampagne des Hackerkollektivs weiter. Zudem hat das Internetkollektiv Tipps für Mitstreiter parat: Es erläutert, wie die Überwachungsmaßnahmen des israelischen Militärs umgangen werden können.