Spam-Angriff bei Twitter 5000 neue Follower, alles Pornostars

Eine Schülerin aus den USA wunderte sich über Tausende neue Twitter-Follower mit seltsamen Profilen. Dann stellte sich heraus: Sie waren alle nur Maschinen.

Olivia machte gerade ihre Hausaufgaben, als der Angriff der Pornostars begann. Die High-School-Schülerin aus San Diego bemerkte, dass sie plötzlich 30 neue Follower bei Twitter hatte. Die meisten hatten Profilbilder mit leichtbekleideten Frauen und seltsam konstruiert klingende Namen - wie Darstellerinnen in Filmen für Erwachsene. "Leute, was zum Teufel ist hier los?", twitterte Olivia verdutzt. "Mir sind gerade 30 Pornostars gefolgt."

Und es wurden immer mehr. Bis zum Abend hatte die Schülerin 5000 neue Follower. Ihre Freunde fingen an, Witze zu machen: "Vielleicht wollen sie dich für ihren Beruf gewinnen", twitterte einer. Ein anderer beschwerte sich: "Warum folgen mir nicht hunderte Pornostars?" Und ein Mädchen schlug ein Spiel vor: "Jedes mal, wenn jemand Olivia folgt, einen Schnaps trinken."

Das Mädchen selbst fragte hingegen: "Muss ich dafür bezahlen? Seid ihr genauso besorgt wie ich?" Und sie entdeckte ein Muster: Jeder ihrer neuen Follower folgte seinerseits genau sechs Twitterern, fast immer so genannten verifizierten Accounts von Firmen oder Berühmtheiten. Dem Sportsender ESPN zum Beispiel, oder NBA-Star Lebron James.

Ein "Schwarm" aus Fake-Accounts

Alexis Madrigal, Technikjournalist bei "The Atlantic", schaute sich Olivias mysteriöse Follower genauer an und stellte schnell fest: Sie sind nur Maschinen, sogenannte Spambots, die automatisch Twitterprofile generieren, um andere User mit Werbenachrichten zu überschwemmen. Madrigal entdeckte einen "Schwarm" von mehreren Tausend Accounts, die aus der gleichen Quelle zu stammen schienen. Alle trugen Frauennamen, ihre Biografien waren wild aus Social-Media-Schlagworten zusammengewürfelt und keiner hatte auch nur einen Tweet abgesetzt, bevor er Olivia gefolgt war.

Jetzt begannen sie jedoch, Links zu twittern, die über Umwege zu einer angeblichen Casting-Agentur führten. Ihr Angebot: Berühmt werden für 35 Dollar im Monat. Madrigal fand heraus dass der Betreiber der Website wegen Betruges zu einer Geldstrafe von 45.000 Dollar verurteilt worden war - für ein ähnliches Angebot. Das seien eben die zwei Seiten des Geschäftemachens im Internet, schrieb der Reporter. Oben seien großen Konzerne wie Apple oder Twitter, "die Milliardäre machen". Und unten seien die Bots, kleine Programme, "die nur eine einzige Sache tun, aber dafür ohne Unterlass."

Aber warum folgten die Spambots ausgerechnet einer Schülerin aus San Diego? Und warum waren es so viele? Madrigal erklärt es etwa so: Ein Spambot kreiert eine Handvoll Fake-Profile und folgt damit einigen berühmten Accounts, wie sie Twitter zum Beispiel bei der ersten Anmeldung vorschlägt. Anhand von deren Kontakten findet er neue Ziele, denen er mit wieder neuen Profilen folgt. So vergrößert sich das Netzwerk Stück für Stück. Dass wie bei Olivia massenhaft Fake-Accounts einem User folgen, sollte eigentlich nicht passieren, damit niemand Verdacht schöpft.

Zu Olivia (und einigen ihrer Mitschüler) kam der Bot nach Madrigals Meinung so: "Vielleicht hatte eines dieser Kids einen sehr berühmten Account unter seinen Followern. Und durch diese Verbindung stolperte der Bot in ihren Freundeskreis." Dort setzte eine ungewollte Kettenreaktion ein: Viele Fake-Profile folgten Olivia, und weil sie das taten, machten immer neue es ihnen nach. "Aufmerksamkeit floss zu ihr, weil Aufmerksamkeit zu ihr floss", schreibt Madrigal: "Das Kernprinzip von Ruhm und Prominenz."

Am Freitagabend war der Spuk nach einem Tag vorbei. Twitter löschte den "Schwarm" und Olivia hatte wieder nur 600 Fans. Besser so, twitterte sie: "Ich habe lieber nur ein paar Follower, die echt sind und mich mögen, als Tausende falsche."

Timo Brücken

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