Man stelle sich vor: Der aktuelle Job bei einem vergleichsweise kleinen, aber aufstreben Unternehmen ist verloren. Keinen Tag später klopft ein Gigant der Branche an und bietet eine berufliche Zukunft. Klingt doch super, oder? Genau das dürfte auch für viele der erste Gedanke gewesen sein, als Microsoft beim OpenAI-Chaos einschritt und dem geschassten CEO Sam Altman eine Stelle anbot.
Auch die Bedingungen klangen paradiesisch. Microsofts CEO Satya Nadella verkündete öffentlich, man werde Altman und eigentlich jedem, der sich von OpenAI trennen will, eine neue Heimat bieten und genug Raum lassen, damit sich die ehemaligen Kollegen als geschlossene Einheit unter dem neuen Dach frei entfalten können.
Ebenso schien es, als habe Nadella das Beste aus einer schwierigen Situation geholt. Als Großinvestor von OpenAI geht es für den Windows-Konzern um sehr viel Geld, sollte das KI-Start-up nachlassen oder gar scheitern – beide Fälle waren nach dem Abgang von Altman denkbare Szenarien. Sich zumindest den führenden Kopf und sein Team zu sichern, dazu noch losgelöst von Mitentscheidern an neuen Projekten arbeiten zu können, hätte den Schmerz sicherlich zumindest gemildert.
Tech-Riesen rissen sich um OpenAI-Fachkräfte
Doch es musste schnell gehen: Kurz nach Bekanntwerden der Tatsache, dass viele OpenAI-Mitarbeiter kündigen wollen, sollte Altman nicht zurückkehren, umwarben auch andere Größen der Branche die hochspezialisierten Talente. So meldete sich beispielsweise Salesforce-CEO Marc Benioff mit einer öffentlichen Ansprache an OpenAI-Forscher und schrieb am 20. November: "Salesforce bietet jedem OpenAI-Forscher, der seine Kündigung eingereicht hat, eine volle Bar- und Kapitalbeteiligung, um sofort in unser Salesforce Einstein Trusted AI-Forschungsteam unter Silvio Savarese einzusteigen."
Jobangebote von Firmen wie Nvidia, XAi, oder Meta säumten die Unterhaltungen in den sozialen Medien – der Bedarf an Experten auf diesem Gebiet ist ganz offensichtlich riesig. Doch Altmans alte Mannschaft erwies sich wieder und wieder als ausgesprochen loyal – und wartete, was der ehemalige Chef als nächstes tut.
Am Ende wurde es – so scheint es nun – nicht Microsoft, sondern wieder OpenAI. Und das ist für beide Seiten sogar besser, als Altman samt Mannschaft eine neue Heimat zu geben. Warum?
Microsoft wäre für Sam Altman nicht die beste Alternative
Zwar hätte Microsoft mit Altman ein echtes KI-Schwergewicht an Bord geholt, letztlich hätte die Arbeit an Projekten wie ChatGPT aber von vorne losgehen müssen. Denn Altman besitzt zwar enormes Wissen, die Projekte aber gehören seinem Unternehmen.
Kein Mitarbeiter hätte also einfach die Arbeit fortsetzen oder wiederholen können – im Gegenteil. Hätte Microsoft das versucht, wäre der Konzern womöglich mit Klagen wegen Diebstahls von Geschäftsgeheimnissen überhäuft worden. Es ist gut möglich, dass die meisten, wenn nicht alle Forscher von OpenAI zusätzlich entsprechende Passagen in ihren Verträgen haben, die genau das ohnehin untersagen und bei Verstößen die jeweiligen Personen direkt haftbar machen.
Hinzu kommt der erwähnte Verlust von rund 13 Milliarden US-Dollar, die Microsoft in OpenAI investiert hat. Bei einem Wechsel von derart bedeutenden Teilen der Belegschaft wäre das Start-up wohl untergegangen – und das Geld wäre verloren gewesen.
Zuletzt wären Onboarding und Bezahlung von 500 neuen Mitarbeitern ein gewaltiger Akt für Microsoft geworden – und obendrein kein gutes Signal für die dortige Belegschaft, die sich in letzter Zeit mit zahlreichen Entlassungen und eingefrorenen Gehältern plagen muss.
Es bleibt abzuwarten, was Microsoft tut
Ohne Zweifel ist es für alle Beteiligten also am bequemsten, wenn Altman zunächst seinen Posten bei OpenAI zurückbekommt und dort weitermacht, wo er vergangene Woche aufhören musste.
Es ist nicht ausgeschlossen, dass Microsoft die Zusammenarbeit nun nochmals verstärkt oder sich gar Gedanken macht, OpenAI gänzlich zu übernehmen. Zwar müsste der Konzern dann eine weitere, gewaltige Summe in die Hand nehmen, hätte aber neben Altman und seiner Crew auch sämtliche Produkte an Bord. Mit derartigen Übernahmen hat Microsoft durchaus Erfahrung, etwa bei Linkedin, Github und den Minecraft-Machern von Mojang.