Einfache Handys Simpel, aber elegant

Einfach nur Telefonieren: Mehr wollen viele Handybesitzer gar nicht. Das haben die Hersteller jetzt als Trend entdeckt - und bringen Geräte ohne komplizierte Zusatzfunktionen auf den Markt.

Nichts gegen Tante Gisela - aber mit Technik hat sie's nicht so: Weihnachten vor zwei Jahren haben wir ihr ein Mobiltelefon mit Prepaid-Karte unter den Christbaum gelegt. Nach tagelangem Training war die Routine "Nummer eintippen und dann grüne Taste drücken" gelernt. Doch Telefonfunktionen, die darüber hinausgehen, überfordern Tante Gisela völlig. "Ich habe wieder so ein Brief-Symbölchen auf dem Handy. Heißt das, mir hat wieder jemand auf die ... Sprachbox? ... gesprochen? Oder ist das so eine S-M-S?" Kennen Sie das? Fühlen Sie Seelen-verwandschaft mit Tantchen? Dann rückt die Lösung Ihrer Sorgen näher: Denn die Handybranche hat Sie als Zielgruppe entdeckt.

Nachdem Technikfreaks und Geschäftstelefonierer flächendeckend mit Mobil-telefonen versorgt sind, besinnen sich die Anbieter auf neue Märkte. Und da interessieren sie die vielen Verbraucher, die keine Technikspielereien wollen, sondern einfach nur telefonieren.

Mit Megapixel-Kamera, MP3-Player, MMS, WAP 2.0 und Push-E-Mail brauchen die Handyhersteller solchen Kunden allerdings gar nicht erst zu kommen. Allein schon diese Aufzählung von Kürzeln und Fachbegriffen verschreckt die Normalo-Klientel.

"Keep it simple, stupid!"

Gefragt sind stattdessen Einfachst-Handys, deren Bedienung keinem Kunden Rätsel aufgibt. "Die neue Einfachheit" statt Feature-Overkill lautete der Auftrag an die Entwicklungsabteilungen der Handyhersteller. Gleich mehrere Firmen kommen derzeit mit dem Ergebnis dieser Forschung auf den Markt.

Der Mobilfunkanbieter Vodafone, gerne mal Erster beim Ummünzen neuer Mobilfunktrends in marktreife Produkte, hat den Simpel-Trend bislang am konsequentesten umgesetzt und ihm eine neue Produktreihe namens "Vodafone Simply" gewidmet. Bislang sind in dieser Serie zwei Handymodelle namens VS1 und VS2 erschienen. Technisches Innenleben und Benutzerführung beider Varianten sind identisch, und beide Geräte kosten samt einem Vodafone-Vertrag mit Minutenpaket bis zu 49,50 Euro. Die Wahl zwischen den Modellen ist Geschmackssache: Das VS1 tritt in Silber mit griffgünstig abgerundetem Gehäuse an, während sich sein Bruder VS2 in Schwarz mit edler gerader Linienführung präsentiert. Beide Handys werden nach Vorgaben des Mobilfunkkonzerns beim französischen Hersteller Sagem produziert.

Vieles ist so offensichtlich

Das von Vodafone in Eigenregie entwickelte Bedienkonzept enthält einige Ideen, die eigentlich nahe liegen, aber in so konsequenter Umsetzung bislang nirgends zu finden waren: Die Tastensperre zum Beispiel, die jedesmal gebraucht wird, wenn das Handy in der Tasche verschwindet, versteckt sich nicht hinter einer komplizierten Knopfdruckkombination. Sie wird mit einem Schiebeschalter am Gehäuserand aktiviert. Zur Einstellung der Lautstärke und zur Auswahl eines Klingeltons oder des diskreten Vibrationsalarms gibt es jeweils eine Tastenwippe. Über dem Display sind drei Tasten angeordnet: Die erste mit einem Haussymbol bringt den Nutzer aus jeder Funktion immer zur Startanzeige des Telefons zurück. Die zweite, mit drei stilisierten Menschen beschriftet, ruft das Telefonbuch auf. Und die dritte mit Handy- und Pfeilsymbolen führt zum Nachrichteneingang, der SMS-Mitteilungen anzeigt oder per Tastendruck die Mailbox abruft.

Die Standard-Darstellung auf dem Display zeigt in Farbe keine schwer verständlichen Minisymbole, sondern Klartexte wie "Akku halbvoll" oder "Signal gut" - und, ganz wichtig, die eigene Telefonnummer. Und das Bimmeln der beiden Simpel-Telefone nennt sich zielgruppengerecht "Wellness-Klingeltöne". Die verbreiten tatsächlich eher zenartige Gelassenheit als schrillen Alarm. Per Tastendruck zeigt das Handy Tipps zur Bedienung an - zum Beispiel den Hinweis, dass sich drei "Topkontakte" an die Spitze des Telefonbuchs stellen lassen.

Es muss nicht an Funktionen mangeln

Funktionsausstattung und Kundenansprache unterstreichen allerdings auch, dass es sich bei den Simply-Telefonen keineswegs um "Seniorenhandys" oder Basismodelle handelt, die außer Telefonieren gar nichts können. Ein programmierbarer Wecker, eine Freisprech- und eine Erinnerungsfunktion zählen zu den Ausstattungsmerkmalen, die darauf warten, vom einen oder anderen Anwender entdeckt zu werden.

Sogar ein PC-Verbindungskabel liegt den Telefonen bei. Doch obwohl diese Funktion eigentlich zum Kompliziertesten gehört, was Handys zu bieten haben, überraschen die Einfachgeräte: Wird das Computerkabel an einer freien USB-Buchse des Windows-Rechners eingesteckt, installiert sich aus einem Speicherchip im Kabel-Stecker automatisch die Software "Telefonbuch-Manager" - ganz ohne Programm-CD. Mit ihrer Hilfe lassen sich über die PC-Tastatur bequem Namen und Telefonnummern im Handy abspeichern. Für jeden, der mit einem Computer umgehen kann, ist diese Art, das Telefonbuch zu füllen, auf jeden Fall komfortabler als die Eingabe über die Handytastatur. Alle anderen können das Computerkabel ja einfach ignorieren.

Zwar bieten auch die anderen Handyhersteller Einfachgeräte, die dem Simpel-Trend mit interessanten neuen Ansätzen gerecht werden. Doch die Simply-Serie, die Vodafone in den nächsten Monaten in allen europäischen Ländern einführen will, in denen der britische Mobilfunkanbieter aktiv ist, setzt den Wunsch nach Einfachheit bislang mit Abstand am überzeugendsten um.

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Hannes Rügheimer

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