Foto-Handys Klicken und schicken

Party-Spielzeug? High Tech für Spanner? Abzocke? Über Sinn und Nutzen von Foto-Handys lässt sich diskutieren. Unstrittig ist aber: Sie sind Verkaufshits des Jahres.

Schon etwas angetrunken hatten Brian Roberts, 27, und sein Freund Jedi, 25, aus London Anfang des Jahres eine Idee: Warum eröffnen wir nicht eine Website, wo Menschen ihre mit einem Foto-Handy geknipsten Bilder wie an einer Pinnwand zeigen können? Der weltweite Exhibitionismus funktioniert: Seit März klicken jeden Monat bis zu 16 Millionen Menschen bei Phonebin.com auf oft verschwommene Bilder. Zigtausend Momentaufnahmen des Alltags gibt es in einem kunterbunten Fototagebuch zu sehen: von wilden Partys, Schmusekatzen, aufgemotzten Autos und mehr oder weniger bekleideten Freundinnen. Jeder fünfte Web-Voyeur kommt aus Deutschland.

Der ins Mobiltelefon eingebaute Fotoapparat hat sich in diesem Jahr durchgesetzt - beim Handykauf kosten die so ausgestatteten Geräte kaum mehr als normale Telefone. Fast ein Viertel aller erhältlichen Modelle hat schon eine Kamera. Bei vielen anderen lässt sie sich anschließen.

Nicht nur Spielkram

Neben Schnappschüssen bei allen Gelegenheiten kann man auch vernünftige Sachen mit einem Foto-Handy anstellen, etwa Blechschäden am Wagen dokumentieren oder bei einer Wohnungsbesichtigung den Blick vom Balkon ablichten und dann herumzeigen. Mehr Spaß macht es aber, beschwipste Freunde bei einer Party aufzunehmen oder bei einem Konzert Richtung Bühne zu zielen.

Einige haben Angst

Die Gefahren der Handy-Fotografie machten Schlagzeilen: Obwohl sich kaum Opfer beklagten, verhängten wackere Bademeister im Supersommer Freibadverbote für Spanner mit Kamera-Handy. Angeblich bedrohten "Alltags-Paparazzi" die Privatsphäre, jeder könne in peinlichen Situationen abgelichtet werden und sein Bild dann im Internet wiederfinden. Am lautesten warnte ausgerechnet das Blatt, das sich mit unscharfen Promi-Bildern am besten auskennt - und zeigte gleich ein paar Handy-Fotos aus dem Freibad. Immerhin: Industriekonzerne wie Audi oder Samsung verboten aus Angst vor Werksspionage Foto-Handys auf dem Firmengelände.

Auch mit eingebauter Kamera bleibt der Umgang mit dem Handy eine Frage guten Benehmens: Wer im Restaurant oder Theater sein Telefon laut klingeln lässt oder im Bus mit stundenlangen Gesprächen nervt, wird womöglich auch nicht die Situationen erkennen, bei denen ein Foto besser nicht gemacht werden sollte.

Problem 1: die Bildqualität

Zwei Probleme allerdings behindern derzeit noch die Verwendung der Kamera-Handys. Bislang ist die Qualität eher mäßig: Mehr als Bildchen im Briefmarkenformat geben die aktuellen Telefone nicht her - auch wenn die Werbung anderes suggeriert. Zur Computermesse Cebit im März sollen neue Modelle mit mindestens einem Megapixel Auflösung zu sehen sein - immer noch kein Ersatz für die Digitalkamera, aber doch eine erhebliche Verbesserung.

Problem 2: die Kosten

Das zweite Hindernis für den Massenversand von Fotos sind die Kosten: Im Vergleich zu SMS-Textnachrichten ist eine MMS-Multimediamitteilung mit Foto bis zu sechsmal teurer - 1,29 Euro im schlimmsten Fall. Klicken und schicken aus allen Lebenslagen von Urlaub bis Party, wie es sich die Netzbetreiber vorstellen, wird so zum Luxus. Bei vielen Handys lassen sich die Bilder nicht einmal per Kabel oder Infrarot auf einen PC übertragen, damit sie von dort per E-Mail billiger Verbreitung finden.

Wenn die Kamera im Handy also mehr werden soll als ein zwar selbstverständlich eingebautes, aber dennoch von vielen wenig genutztes Zubehör, müssen sich die Mobilfunkmanager wohl schleunigst zu einer Tarifsenkung durchringen.

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Dirk Liedtke

PRODUKTE & TIPPS