Die Nachricht vom größten jemals entdeckten Piratenschatz klang schon unglaublich genug. 800 Tonnen Gold lägen auf einem verlorenen Eiland weit draußen im Pazifik, teilten chilenische Rechtsanwälte am 22. September der überraschten Öffentlichkeit mit. Auf etwa 10 Milliarden Dollar (8,2 Milliarden Euro) belaufe sich der Gesamtwert der Schätze, die englische Korsaren Anfang des 18. Jahrhunderts auf der Insel Robinson Crusoe vergraben hätten. Aber es ist nicht diese schon ausreichend fantastische Geschichte allein, die Chile seither in Atem hält, sondern die angeblichen Superfähigkeiten des Roboters Arturito, mit dessen Hilfe die Schätze lokalisiert worden sein sollen.
"Wonach Schatzsucher seit 200 Jahren vergeblich suchen, habe Arturito von einem Schiff aus binnen Minuten ausfindig gemacht", behauptet der Rechtsanwalt Fernando Uribe. Er vertritt das chilenische Unternehmen Wagner Tecnologia, das den Scanner auf Rädern unter Federführung des Ingenieurs Manuel Salinas entwickelt hat. Salinas hat Anfang der 90er Jahre auch in Köln studiert. Das Gerät erzeuge mit Hilfe eines Mini-Atomreaktors Gammastrahlen, die es ermöglichten, durch einen Art Antimaterie-Tunnel in einem Umkreis von 15 Kilometern jede beliebige Atomstruktur exakt zu lokalisieren, versucht der Jurist die Wirkungsweise des Geräts zu erklären.
Roboter als Allzweckwaffe
"Erdöl, Süßwasser, Kupfer oder eben auch Goldschätze lassen sich damit sofort aufspüren", wirbt Uribe für Arturito. Aber das sei noch nicht alles. Auch Menschen seien aufspürbar. Salinas habe im Gespräch mit US-Vertretern sogar vorgeschlagen, ihm solle ein Satellit und die DNS von Terroristenchef Osama Bin Laden zur Verfügung gestellt werden. "Sie geben mir das, und ich sage ihnen, wo er steckt", habe der 39-Jährige angeboten.
Chilenische Wissenschaftler halten die Geschichte indes schlicht für Seemannsgarn. Die Angaben zur Wirkungsweise seien "konfus und unvollständig", klagt etwa der Präsident der chilenischen Gesellschaft für Physik, Leopoldo Soto. Mit der heute bekannten Physik sei der Roboter jedenfalls nicht zu bauen. Und schon gar nicht in einer Hinterhofwerkstatt á la Daniel Düsentrieb. Der Physik- Professor Patricio Häberle von der Technischen Universität in Valparaíso schimpfte Salinas bei einer Veranstaltung sogar einen Pseudo-Wissenschaftler. Salinas stapfte verärgert aus dem Hörsaal.
Reiner Marketing-Gag?
Uribe aber, der zu den renommiertesten Strafverteidigern Chiles gehört, will keine Zweifel zulassen. "Ich habe Salinas das biochemische Profil meines Enkels gegeben. Er hat es dem Roboter eingespeichert. Nur ich wusste, dass mein Enkel etwa 12 Kilometer von Arturito entfernt war. Und der Roboter gab genau den richtigen Ort an, an dem sich der Junge befand", erzählt Uribe. Unwillkürlich sucht der Zuhörer nach einer versteckten Kamera für eine Witzsendung. Aber der Blick trifft nur auf die gediegene Holzvertäfelung der Anwaltskanzlei im Zentrum von Santiago und auf eine Reihe ernst blickender Rechtsanwälte.
"Wenn die Welt sich erst davon überzeugt habe, dass die Technik funktioniere, werde die Geschichte ähnlich wie bei der Atombombe in die Zeit davor und danach eingeteilt", sattelt Uribe noch drauf. Krebszellen, Plastik-Landminen, Kokainreste in Mitarbeitern, nichts entgehe dem Gamma-Scanner. Ein vergrabenes Mordopfer und ein unterirdisches Waffenlager in der berüchtigten früheren Deutschen-Siedlung "Colonia Dignidad" hat Arturito schon aufgespürt. "Das Gold interessiert uns nicht in erster Linie. Der wirkliche Schatz ist der Roboter", ergänzt der Marketingdirektor von Wagner, Ruperto Casanova. "Wir verstehen die Zweifel ja, aber der Staat soll doch einfach den Piratenschatz dort ausgraben, wo wir ihn lokalisiert haben", fordert er.