Am vorletzten Wochenende drängelten sich im Elektronikmarkt Saturn in der Hamburger Innenstadt Dutzende von Kunden um Paletten mit kleinen silbernen Boxen. Eigens angeheuerte junge, freundliche Berater erklärten geduldig die Funktion der Geräte. Der Start von DVB-T, dem digitalen Antennenfernsehen, hatte die Nordlichter in die Läden getrieben - denn diese Neuerung kann nur empfangen, wer sich einen DVB-T-Receiver samt Antenne zulegt. "Fünf - vier - drei - zwei - eins, Trommelwirbel, Applaus, Erleichterung", so überschlug sich ein Lokalblatt zum Start des "Überallfernsehens".
Im Briefkasten vieler Norddeutscher aber pestete zugleich die Konkurrenz: "Lieber Kabelanschluss als nachher ärgern", stand auf einer Postwurfsendung. Sie zeigt einen jungen Mann, der sich in den Hintern beißt. "Sie verpassen vieles, was Sie sicher gerne sehen würden", listet der Prospekt als "Nachteil bei DVB-T" auf. Kein Wunder, dass viele Zuschauer verwirrt sind. Ist die "digitale TV-Revolution" vielleicht gar keine? Wie viele Sender lassen sich über Antenne wirklich empfangen? Was bieten Kabel und Satellit?
Drei unterschiedliche Ar- ten, Fernsehen zu empfangen, gibt es: per Kabel, über die Satellitenschüssel oder mit Zimmer- und Dachantenne vom Funkturm. Dessen Signale werden in immer mehr Ballungsräumen auf Digitalübertragung umgestellt (siehe Karte) - eben das ist DVB-T. Aber auch die Satelliten strahlen inzwischen digital aus, im Kabel werden ebenfalls zusätzlich zu den analogen Sendern Digitalprogramme übertragen.
Worauf die Kabelwerbung anspielt: Statt wie im analogen Kabel meistens 34 Sender bietet DVB-T je nach Empfangsgebiet derzeit allerhöchstens 27 Programme. Sportfans müssen beispielsweise in Hamburg auf DSF verzichten, in Berlin ist der Sender im Digital-Bouquet enthalten. Dagegen steht als größter Vorteil von DVB-T: Es gibt keine monatlichen Gebühren - ebenso wie beim Satellitenempfang per Schüssel. Außerdem ist die Bildqualität wie bei allen Digitalübertragungen besser, und es gibt elektronische Programmführer, die am Bildschirm angezeigt werden.
Die Nachteile des Digitalfernsehens: Jedes TV-Gerät und jeder Recorder braucht seinen eigenen DVB-Decoder - da ist ein finanzieller Vorteil schnell dahin. Auch das praktische VPS-Signal, das den Recorder genau zum Sendebeginn startet, gibt es bei digitaler Übertragung nicht. Und auf die digitale Übertragung von Radiosendern per DVB-T wurde komplett verzichtet.
Bei der Euphorie über das digitale Antennenfernsehen wird übersehen, dass auch Kabel und Satellit schon lange digital Programme ausstrahlen - ebenfalls in überlegener Bild- und Tonqualität ohne Schnee und Schattenbilder. Der Pay-TV-Sender Premiere beliefert etwa drei Millionen Zuschauer mit Fußball, Filmhits und Erotik - alles digital über Kabel oder Satellit, alles gegen eine Monatsgebühr. Hollywoodfilme werden dort fast durchgängig in Raumklang und wählbarer Synchron- oder Originalfassung ausgestrahlt. Auch die Kabelfirmen sind im Digital-Zeitalter angekommen - und machen dafür jetzt kräftig Werbung: Die größte, Kabel Deutschland, bietet für neun Euro im Monat 30 zusätzliche Digital-TV-Programme an - eine Mischung für die ganze Familie, von Disney-Cartoons über den National Geographic Channel bis zu Playboy TV für Papa (mit Kindersicherung).
Weit übertroffen wird die Programmvielfalt im Kabel vom digitalen Satellitenempfang über die Astra-Satelliten: Rund 60 deutschsprachige Programme sind dort frei empfangbar, dazu mehr als 100 Sender in anderen Sprachen. Dafür muss man allerdings eine unansehnliche Schüssel aufs Dach oder den Balkon schrauben - für viele ist das ein entscheidendes Gegenargument.