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Start von Waipu.tv Revolutioniert Freenet jetzt das deutsche Fernsehen?

Jeden Tag hocken die Deutschen im Schnitt mehr als drei Stunden vor dem Fernseher. Doch im Netflix-Zeitalter wirkt das klassische Fernsehen arg angestaubt. Freenet will es nun auf das nächste Level heben - doch was kann das neue "Waipu.TV"?

Fernsehen ist bislang alles andere als komfortabel. Neben dem Fernseher benötigt man zwingend ein Empfangsgerät, und will man eine Sendung aufnehmen, sogar noch einen Festplatten- oder DVD-Rekorder. Verpasst man den Beginn des Tatorts, bleibt einem nichts anderes übrig, als später einzusteigen - oder abzuwarten, bis der Film im Fernsehen vorbei ist, um ihn dann in der Mediathek abzurufen. Im Zeitalter von Netflix, Prime Video und Co. ist das geradezu anachronistisch. Doch viele Menschen tun es sich trotzdem Tag für Tag an, denn trotz der Konkurrenz aus dem Silicon Valley erfreut sich das klassische Fernsehen immer noch extrem großer Beliebtheit. Im Schnitt sitzt jeder Deutsche mehr als drei Stunden vorm Fernseher, jeden Tag.

Wisch auf den Fernseher

Nun will ausgerechnet Freenet, früher bekannt als Internetportal und E-Mail-Anbieter, das Business umkrempeln - und zwar mit dem Dienst "Waipu.TV". Waipu kommt aus dem Japanischen und bedeutet Wischen. Diese Geste ist das zentrale Element: Startet man die App auf dem Smartphone, ist nach zwei, drei Sekunden ein Livestream des aktuellen TV-Programms zu sehen. Wischt man das Bild nach oben, erscheint es auf dem großen Fernseher.

Das geht leicht von der Hand, die grundlegende Technik dahinter ist jedoch altbekannt: Um das Bild vom Smartphone auf den Fernseher zu bekommen, benötigt man einen Chromecast (35 Euro) von Google, den man einfach in den HDMI-Eingang des Fernsehers steckt. Eine eigene App für Smart-TVs wird es nicht geben, erklärt Freenet-Chef Christoph Vilanek auf Anfrage des stern. Noch in diesem Jahr soll Waipu.TV zusätzlich auf dem Apple TV und Amazons Fire TV angeboten werden. Als Mindestvoraussetzung wird eine Internetleitung mit 6 Mbit/s angegeben.

12.000 Kilometer Kabel

Doch was genau unterscheidet Waipu.TV vom herkömmlichen Fernsehen via DVB-T oder Konkurrenten wie Zattoo? Zunächst, und das ist das größte Alleinstellungsmerkmal, nutzt Waipu.TV ein eigenes, 12.000 Kilometer langes Glasfasernetz. Es stammt vom Münchner Unternehmen Exaring, an dem sich Freenet im März dieses Jahres beteiligte. Es ist mit allen Internetknoten verbunden und erreicht 23 Millionen Haushalte.

Der große Vorteil: Während sich Anbieter wie iTunes, Netflix, Amazon oder Sky alle durch die normale Internetleitung quetschen müssen und das Netz in der Prime Time spürbar unter der Last ächzt, hat Freenet einen eigenen Daten-Highway quer durch Deutschland. Das Unternehmen verspricht eine Übertragung "in Lichtgeschwindigkeit", und weil man bei einigen Sendern quasi einen Direktanschluss hat (Freenet ist hierzulande auch der Provider von DVB-T2 HD), gibt es kaum Verzögerungen. Dass der Nachbar beim Fußball früher jubelt, hält Freenet-Chef Vilanek für ausgeschlossen. Ein Test wird zeigen, ob er am Ende Recht behält.

Aufnahmen und Pause-Funktion

Auch den Festplattenrekorder kann man in Rente schicken. Um Sendungen aufzuzeichnen, genügt ein Klick in der App. Der Film oder die Serie wird dann direkt in der Cloud abgelegt - das klappt auch von unterwegs. Um die Aufnahme anzusehen, benötigt man allerdings ein kostenpflichtiges Abonnement, dazu später mehr. Eine nette Funktion für Serien-Junkies: Man kann automatisch Woche für Woche die neueste Episode der Lieblingsserien aufzeichnen lassen.

Ein Feature, das viele Portale nicht anbieten, ist die Pause-Funktion, mit der man das laufende Programm anhalten und später fortsetzen kann. Und wenn man die ersten Minuten einer Sendung verpasst hat, kann man direkt zum Anfang zurückspringen.

Im Grunde erinnert Freenets Waipu.TV ein wenig an das Sonos-Modell, nur eben fürs Fernsehen: Sämtliche Inhalte werden in der Cloud abgelegt, sind jederzeit zugänglich und können in mehreren Räumen parallel wiedergegeben werden. Gesteuert wird alles vom eigenen Smartphone aus. Allerdings baut Freenet im Gegensatz zu dem kalifornischen Lautsprecher-Hersteller keine eigene Hardware, sondern konzentriert sich voll auf die Software.

Was kostet das?

Es gibt mehrere Preismodelle, die eine Laufzeit von einem Monat haben:

- Das kostenlose Basisangebot beinhaltet 26 Sender in SD, Aufnahmen sind nicht möglich.

- Das Comfort-Paket kostet 4,99 Euro pro Monat, enthalten sind 52 Sender in SD-Qualität, außerdem kann man bis zu zehn Stunden TV-Material in der Cloud aufnehmen und das Programm pausieren

- für 5 Euro monatlich mehr werden die meisten Sender in HD-Qualität ausgestrahlt

- Das Perfect-Paket kostet 14,99 Euro pro Monat, bietet die meisten der 52 Sender in HD, erlaubt 50 Stunden Aufnahmen und man kann auch unterwegs fernsehen.

Pro Abonnement kann man bis zu vier Sendungen gleichzeitig schauen, auch auf mehreren Fernsehern.

Fazit

Das Konzept hinter Waipu.TV ist spannend. Das Smartphone hat man sowieso immer dabei und wenn die Exaring-Datenleitung wirklich so schnell ist, wie der Anbieter verspricht, wäre das ein absolutes Alleinstellungsmerkmal. Ob es wirklich zu keinen nennenswerten Verzögerungen kommt, sieht man spätestens bei Großereignissen wie Spielen der Fußball-Nationalmannschaft. Die Online-Aufnahme und Pausen-Funktion sind nette Funktionen, mit denen sich Waipu.TV von der Konkurrenz wie Zattoo abhebt.

Die große Fernseh-Revolution ist es dann aber doch nicht. Zwar braucht man die klassische Set-Top-Box nicht mehr, aber ohne Zusatzgerät (Chromecast, Apple TV, Fire TV) geht es dann doch nicht. Und man muss in Zukunft zwar seltener zur Fernbedienung greifen, einmotten kann man sie aber nicht - will man etwa den Ton lauter stellen, nützt einem das Smartphone nichts. Und wer noch kein Smartphone besitzt, ist sowieso aufgeschmissen. Der Preis ist mit 4,99 Euro günstig, allerdings hat man dann noch keine HD-Sender - die kosten nochmal extra.

Ob das reicht, um Hunderttausende, wenn nicht gar Millionen Deutsche zum Umstieg zu bewegen, bleibt abzuwarten.

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