Aufrüstung Raketen, Bomben und deutsche U-Boote: So mächtig ist Israels Nuklearprogramm

Das U-Bootes INS Tanin gehört zur Dolphin AIP-Klasse und wurde in Deutschland gebaut. 
Das U-Bootes INS Tanin gehört zur Dolphin AIP-Klasse und wurde in Deutschland gebaut. 
© Amir Cohen / Picture Alliance
Offiziell gibt es keine Atomwaffen in Israel. Tatsächlich verfügt das Land über ein mächtiges Arsenal, auch dank deutscher Hilfe. Im Krieg gegen die Hamas nützt es nichts.

Israels Atomprogramm ist der sprichwörtliche Elefant im Raum. Jeder weiß, dass er auf der Tanzfläche steht, aber alle tun so, als gäbe es ihn nicht. Israel verfolgt seit langem eine Politik der "nuklearen Ambiguität" – das heißt, es hat die Existenz eines Atomwaffenarsenals nie direkt bestätigt oder dementiert. Und die Staaten, die bei der atomaren Aufrüstung mitgeholfen haben, halten das gleiche Tabu ein. Darum gibt es viele Annahmen darüber, aber keine bestätigten Erkenntnisse. Damit wäre auch ein weiteres Problem angesprochen: "Alle" bedeutet nicht "alle", gemeint sind Israel und die Unterstützer aus dem Westen.

Geheim - aber existent 

Da dieses Atomprogramm offiziell gar nicht existiert, gibt es offiziell keine Einsatzdoktrin, keine Befehlskette für einen möglichen Einsatz, keine Freischaltcodes und keinen schwarzen Koffer. Tatsächlich wird alles existieren, denn anders wären Atomwaffen nicht einsetzbar. Es wird nur nicht darüber gesprochen. Auch für Israel ist der Einsatz von Atomwaffen keine "Kleinigkeit". Er ist den existentiellen Bedrohungen des Landes vorbehalten. Einmal war es beinahe soweit: In der ersten Phase des Jom-Kippur-Krieges sah es aus, als würde die ägyptischen und syrischen Truppen die israelischen Kräfte auf den Golanhöhen und im Sinai schlagen und dann ungehindert ins Kernland vorstoßen können. Ministerpräsidentin Golda Meir ließ daraufhin 13 Atomsprengköpfe für die israelischen Jericho-Raketen und für Kampfjets einsatzbereit machen. Die Sprengkraft von 20 Kilotonnen deutet darauf hin, dass diese taktischen Atomwaffen gegen die feindlichen Panzerkonzentrationen eingesetzt werden sollen.

Was ist der Unterschied zwischen taktischen und strategischen Nuklearwaffen?
Was ist der Unterschied zwischen taktischen und strategischen Nuklearwaffen?
© Picture Alliance
Möglicher Einsatz von Atomwaffen: Experte erklärt Unterschied von taktischen und strategischen Kampfmitteln
© Bildquelle: Picture Alliance/Michael Bihlmayer

Erste Atomwaffen vor 1967

Bereits Ende der 1950er Jahre wurde mit dem Bau des Kernforschungszentrum Negev begonnen, der eigentliche Zweck der Anlage war das Erzeugen von waffenfähigem Uran. Man nimmt an, dass Israel bereits vor dem Sechstagekrieg 1967 über erste einsatzfähige Atomwaffen verfügte. Zahlreiche Details des Programms wurden 1986 von einem ehemaligen Techniker an die Presse gegeben. Demnach verfügte Israel schon damals über Material für 20 Wasserstoffbomben und 200 Uranbomben. Der Informant Mordechai Vanunu wurde daraufhin nach Israel verschleppt und dort verurteilt. 

Massive Hilfe des Westens

Die atomare Aufrüstung gilt einerseits als geheim, andererseits erfolgte sie von Beginn an mit dem Wissen und aktiver Hilfe der westlichen Regierungen. Sei es bei der Beschaffung von Material und Technik oder schlicht mit Geld. Auch Deutschland half bei der atomaren Aufrüstung. Eine Tarnung des Negev-Reaktors war der Bau einer großen Meerwasserentsalzungsanlage. Sie wurde maßgeblich von Deutschland finanziert und nie gebaut. Vermutlich floss das Geld direkt in den Bau des Reaktors.

Ein neueres Beispiel für die deutsche Atom-Waffenhilfe sind die U-Boote der Dolphin-Klasse. Sie wurden nach israelischen Vorgaben in Deutschland entwickelt und gebaut. Die Kosten für die U-Boote wurden zu einem guten Teil vom deutschen Steuerzahler beglichen. Anders als die deutschen U-Boot-Baureihen ist die Dolphin-Klasse für den Start von Marschflugkörpern vom israelischen Typ Popeye Turbo ausgelegt (Submarine Launched Cruise Missiles – SLCM). Ihre Reichweite liegt bei über 1500 Kilometern. Offiziell nicht bestätigt wird angenommen, dass die SLCMs mit einem nuklearen Gefechtskopf von 200 Kilotonnen Sprengkraft versehen sind. Hier liegt auch die besondere Bedeutung der Dolphin-Klasse.

Neben anderen Einsätzen können sie einen nuklearen Zweitschlag ausführen, für den Fall, dass es einem Gegner gelingt, mit einem überraschenden und überwältigenden ersten Schlag Israels nukleares Arsenal auf dem Land zu vernichten. Mit der Hilfe steht Deutschland nicht allein da, zahlreiche westliche Staaten haben die nukleare Aufrüstung Israels massiv unterstützt. Möglich wurde die einseitige nukleare Aufrüstung Israels durch die damalige Dominanz des Westens und auch, weil die UdSSR kein Interesse daran hatte, weitere Staaten im "Pulverfass" Naher Osten nuklear zu bewaffnen.

Spekulation über die Größe des Arsenals

Die genaue Größe des israelischen Arsenals ist nicht bekannt. Schätzungen basieren auf weiteren Schätzungen über die Menge des waffenfähigen Materials, das Israel hätte produzieren können, entsprechend unsicher sind sie. Sie reichen von 80 bis über 400 Sprengköpfen. Es wird angenommen, dass Israel über die ganze Bandbreite nuklearer Bewaffnung von Mini-Nukes im Aktenkoffer bis hin zu Wasserstoffbomben verfügt. F-15 und F-16 Jets können Atomwaffen über lange Strecken transportieren, die Jericho-3-Raketen sollen eine Reichweite von 4800 bis zu 6500 Kilometern haben. Dazu kommen die Boote der Dolphin-Klasse mit ihren Marschflugkörpern. Insgesamt ist das ein gigantisches Arsenal, zumal die Nachbarstaaten Israels über keine Atomwaffen verfügen und Israel und die Verbündeten alles daransetzen, um diesen Status zu erhalten.

Hier, Sim himon Peres Negev Nuclear Research Center, wird das israelische Atomprogramm entwickelt,
Hier, Sim himon Peres Negev Nuclear Research Center, wird das israelische Atomprogramm entwickelt,
© Uncredited / Picture Alliance

Einzige regionale Atommacht

Würde ein potenzieller Gegner Israels über Atomwaffen verfügen, wäre Israel in einem nuklearen Patt wie Ost und West im Kalten Krieg gefangen. Durch die geringe Größe des Landes würden einige Treffer in den Zentren ausreichen, um Israel de facto auszulöschen. Das hieße aber auch, dass die Einsatzoptionen für das israelische Arsenal in dem Moment drastisch begrenzt wären, in dem ein Gegner auch über Atomwaffen verfügt. Atomwaffen wären dann eine Entscheidung zum kollektiven Selbstmord des eigenen und generischen Landes. Ein fiktives Beispiel: Hätte Golda Meir 1973 versucht, die ägyptischen und syrischen Panzermassen mit Atomwaffen zu stoppen, hätte das zu einer massiven nuklearen Vergeltung führen können. Um nicht in diese Situation zu kommen, muss Israel buchstäblich alles unternehmen, dass keiner der Nachbarn ebenfalls nuklear aufrüstet.

Gaza ist keine Option

Aber auch heute, ohne die Drohung eines nuklearen Gegenschlages, ist ein Einsatz von Atomwaffen die letzte mögliche Option. Ein Einsatz im nördlichen Gazastreifen, wie vom inzwischen suspendierten Minister Amihai Eliyahu angeregt, ist komplett undenkbar. Schon aus pragmatischen Gründen. Der Fallout einer Explosion über der Oberfläche würde das israelische Kernland und vor allem die um Gaza versammelten Truppen erreichen. Dazu würde eine nukleare Explosion Israel zum Paria der internationalen Gemeinschaft machen und die internationale Unterstützung des Landes weitgehend beenden. Weiterhin würden israelfreundliche Regierungen innenpolitisch stark unter Druck geraten.

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