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Windkraftanlagen Wo der Wind weht

Seit ein paar Jahren sieht man immer häufiger Windkraftanlagen in der Landschaft. Ende 2004 drehten sich bereits 16.543 Anlagen in Deutschland. Und in der 17.000 Einwohner-Stadt Hilchenbach im Kreis Siegen-Wittgenstein entsteht zurzeit einer der höchsten Windkraftparks Europas.
Von Matthias Lauerer

Besucher des "Bürgerwindparks Hilchenbach" sollten bei ihrer Visite keine Scheu vor Matsch mitbringen. Denn der Weg zur Windkraft führt sie hoch oben auf dem Kamm des Rothaargebirges zunächst über eine kilometerlange, unwegsame Schotterpiste. Lässt man diese mit dem Pkw hinter sich, folgt der knapp 20 Minuten lange Marsch über aufgeweichtem Waldboden, der von bis zu 120 Tieflader-Fahrten zerfurcht wurde. Entlohnt wird man dann mit einem Blick auf eine der imposanten Windkraftanlagen.

Seit gut sechs Monaten errichtet das Auricher Unternehmen "Enercon" oberhalb der Stadt fünf Windkraftanlagen. Hier im Siegerland betritt der Hersteller damit Neuland, denn die Stromspender gelten mit als die höchsten in Europa: "Zum ersten Mal haben wir hier einen 137 Meter hohen Turm für die Anlage E 82 gebaut. Die Gesamthöhe mit Blättern eines Windrades liegt bei knapp 180 Metern", sagt Dirk Schneider, 26. Er arbeitet seit eineinhalb Jahren für die "Enercon GmbH" und teilt sich mit seinem Kollegen Volker Grimm, 39, die Bauleitung im Wald.

Neben ihn haben sich einige Kollegen in festen Schuhen, blauen Arbeitshosen, roten Helmen und dicken Pullis gruppiert. Denn auf dem Höhenzug Lümke in 600 Metern Höhe bläst der Wind recht kalt. Immerhin strahlt heute die Sonne über der Schar, und so kann es mit dem Aufbau der letzten Anlage vorangehen. Der Grund, warum erst vier der fünf Anlagen mit einer Nennleistung von je zwei Megawatt Ende Dezember 2007 ans Netz gingen? Schnee behinderte die Bauarbeiten.

Die Bauarbeiten schreiten voran

Turm zwei ist, wie auch seine vier Nachbaranlagen auf seinen unteren 25 Metern schon in fünf Grünschattierungen angestrichen. Damit will man die Windkraft-Anlage optisch an die grüne Waldumgebung anpassen. Weiter oben folgt dann ein grauweißer Farbton, nur unterbrochen von einem roten Streifen. Der nennt sich Tageskennzeichnung und verhindert den Crash von Flugzeugen mit den Millionen Euro teuren Anlagen.

Wer sich die Anlage von innen ansehen will, steigt zunächst über fünf Gitterstufen hinauf und blickt dann auf große, fest installierte Maschinen. Und riecht Farbe. Denn selbst die Innenwände sind ordentlich in weiß gestrichen. Und dies, obwohl nur im Notfall ein Monteur den Turm betreten wird und der Anstrich allen anderen Betrachtern verborgen bleibt. Darauf angesprochen sagt Bauleiter Grimm: "Unser Chef soll früher einmal eine Anlage betreten haben, die, wie damals üblich, innen nicht angestrichen war. Dies gefiel ihm nicht. Deshalb werden seitdem alle Anlagen auch von innen gestrichen."

Es herrscht also Ordnung im Turm. Davon zeugt auch das dichte, grüne Netz, das sauber in einigen Metern Höhe über den Strom wandelnden Maschinen steht. Damit will man diese vor eventuell herabstürzenden Werkzeugteilen schützen. Im Halbdunkel ist links an der Betonwand neben den dicken schwarzen Stromkabeln noch eine Sprossenleiter erkennbar, über die sich im Notfall die Spitze per Muskelkraft erklimmen lässt. Doch dies gilt nur, wenn die davor stehende Kabinen-Seilwinde einmal ausfallen sollte.

Am Boden hat der Turm mit der Serien-Nummer 2004 einen Durchmesser von 13,20 Meter, an der Spitze sind es dann nur noch knapp zwei Meter. Ihren Namen erhielt die "E 82" übrigens von dem Durchmesser ihrer Rotorblätter. Denn der Durchmesser liegt bei 82 Metern, ein Rotorblatt ist knapp 41 Meter lang.

20 Jahre lang will der Betreiber der Anlage, die "Rothaarwind GmbH Co. KG" hier aus Windkraft Strom erzeugen. Die Menge des produzierten Stroms ist dabei beachtlich. "Je nach Windstärke produziert eine Anlage im Jahr circa 4,7 Millionen Kilowattstunden Strom. Das entspricht einer durchschnittlichen Tagesproduktion von 12.328 Kilowattstunden." So rechnet es der Parkbetreiber seinen Netz-Besuchern auf der Homepage vor. Und mit dieser Menge lassen sich drei Einfamilienhäuser ein Jahr lang mit Strom versorgen.

Bei der Finanzierung ging man in der Nähe des bekannten Wanderroute "Rothaarsteig" eigene Wege. Knapp 16 Millionen Euro kostete das Projekt, betrieben wird es durch die "Rothaarwind GmbH Co. KG". Deren Geschäftsführer heißt Günter Pulte, 43: "20 Prozent des Gesamtkapitals stammen von 88 Bürgern, die sich hier mit mindestens drei Anteilsscheinen a 1000 Euro einkaufen konnten", sagt der Landwirt. Wichtig ist ihm "der Gedanke, dass Bürger Besitzer sein sollen." Und weiter: "Strom verbrauchen kann jeder, Strom erzeugen auch." Bereits 2001 entwickelte Pulte die Idee für den Bürgerwindpark gemeinsam mit seinem Geschäftspartner Franz- Josef Ochs.

Lukrativ macht den Bau eines Windparks jedoch erst das 2000 eingeführte "Gesetz für den Vorrang Erneuerbarer Energien", kurz EEG. Denn in ihm wird die Entlohnung des erzeugten Stroms geregelt und staatlich garantiert. Für Anlagen, die 2007 ans Netz gingen, wurde dabei die Summe von 8,19 Cent pro Kilowatt Stunde Strom bezahlt.

Und um sicher zu gehen, auch den korrekten Ort für den Aufbau gewählt zu haben, ließen die Stadtväter 2005 die Windgeschwindigkeit messen. Ergebnis: der Wind weht auf dem Höhenzug mit einer Geschwindigkeit von 6,1 Meter bis 6,8 Meter pro Sekunde. Genug, denn die Anlagen springen schon bei Windgeschwindigkeit von 2,5 und 3 Metern pro Sekunde an. Ende März soll Anlage zwei in Betrieb gehen. Dann rücken die Baufahrzeuge ab, und der Weg zum Bürgerwindpark ist dann für Wanderer und Radler wieder passierbar.

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