Editorial Symbol des sozialen Kahlschlags

Liebe stern-Leser!

Er sollte Gerhard Schröders Joker sein in einem Wahlkampf, der schon verloren schien: Am 16. August 2002 trat Peter Hartz im Französischen Dom zu Berlin in einer Veranstaltung auf, die Spötter ein "Hochamt" nannten. Vor 500 erlauchten Gästen stellte Hartz sein Konzept vor, die nationale Arbeitslosigkeit zu halbieren.

Die Halleluja-Rufe blieben jedoch aus. Deutschland hatte andere Sorgen: Die große Flut rollte gerade durch den Osten, der Irak-Krieg rückte näher - und Schröder fand damit zwei bessere Themen, um die Wahl doch noch zu gewinnen. Später wurde das hoch gelobte Konzept zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit von Rot-Grün und den Gewerkschaften durch die Kompromiss-Mühle gedreht, bis der Autor es kaum noch wiedererkannte. Was blieb, war der Name: Hartz I bis Hartz IV - für viele mittlerweile ein Symbol des sozialen Kahlschlags.

Wer ist der Mann, gegen dessen Pläne auch diesen Montag wieder Zigtausende demonstrierten? stern-Reporter Arne Daniels beobachtet das Wirken von Peter Hartz schon seit 1993, als der bei VW die Vier-Tage-Woche einführte. Seither traf er ihn immer wieder zu Interviews und Hintergrundgesprächen. Sein Porträt des Mannes, der "vom Erlöser zum Buhmann" wurde, beginnt auf Seite 24.

Mit dem Ende

des republikanischen Parteitages in New York beginnt nun die heiße Phase des Wahlkampfes in den USA. Präsident George W. Bush und seine Berater machen mobil und setzen auf ihre treueste Klientel: konservative Christen. Sie versprechen sich aus diesem Kreis wenigstens vier Millionen neue Wähler. Wer in Amerika Präsident werden will, das ist kein Geheimnis, muss gläubig sein und das auch betonen. Aber kein Präsident in der Geschichte der Vereinigten Staaten hat die Religion derart unverhohlen und systematisch politisiert wie der "wiedergeborene Christ" George W. Bush, der sich selbst als "Botschafter Gottes" bezeichnet.

Welche Auswirkungen das hat, erfuhren unser Amerika-Korrespondent Michael Streck und Fotograf Thomas Hegenbart während ihrer Recherche. Die Reise durch das gottesfürchtige und zugleich tief gespaltene Land führte sie nach Florida, Georgia, South Carolina, Texas, Kalifornien, Washington und New York. Sie trafen Missionare, Fernsehprediger, religiöse Eiferer und mächtige Lobbyisten, die den Amtsinhaber unterstützen und teilweise sogar von der Kanzel für seine Wiederwahl predigen. Sie trafen aber auch auf viele besorgte Amerikaner, die sagen: "Dieser Mann hat die Religion für seine Zwecke gekidnappt."

Ihre Reportage "Mit Gott ins Weiße Haus" beginnt auf Seite 52.

Herzlichst Ihr
Thomas Osterkorn

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