Berufswahl Bloß kein Handwerk

Nicht die Tätigkeit ist für den Nachwuchs bei der Berufswahl entscheidend, sondern der Imagefaktor.

Berufsbezeichnungen sollen eine erste Vorstellung vom Berufsinhalt vermitteln - doch Jugendliche haben ihre eigene Lesart, wenn sie vor der Berufswahl stehen: Sie nehmen den Namen eines Berufs nicht nur als Orientierungshinweis auf die mit ihm verbundenen Tätigkeiten, sondern prüfen vor allem auch dessen Image-Tauglichkeit unter Freunden.

Wichtig für sie ist der Eindruck, den seine Erwähnung als (Lehr-)Beruf macht. Erscheint die Berufsbezeichnung dem eigenen Ansehen während der Ausbildung, aber auch im späteren Arbeitsleben eher abträglich, wird eine solche Lehrstelle nicht in Betracht gezogen - auch dann nicht, wenn noch freie Ausbildungsplätze zur Verfügung stehen. Zu diesem Ergebnis kommt das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) nach Auswertung erster Ergebnisse seiner in Kooperation mit der Universität Bonn durchgeführten Studie zum Thema "Berufsbezeichnungen und ihr Einfluss auf die Berufswahl von Jugendlichen".

Jugendliche lesen Berufsbezeichnungen wie Hinweisschilder

In den bisherigen Erklärungsansätzen zum Berufswahlverhalten haben die Bezeichnungen von Berufen bisher kaum Beachtung gefunden. Wie die vom BIBB und der Universität Bonn jetzt vorgelegten Ergebnisse jedoch zeigen, lassen sich aber zumindest drei wichtige Funktionen nachweisen:

Informations- und Signalfunktion: Jugendliche lesen die Berufsbezeichnungen wie Hinweisschilder, was sie im Beruf erwartet. Dies wird oft zum Problem für traditionelle Berufe, weil ihre Bezeichnungen falsch interpretiert werden. Namen wie Müller/in, Schornsteinfeger/in oder Bäcker/in verbinden sie mit den Märchenbüchern ihrer Kindheit, aber nicht mit der modernen Berufswirklichkeit. Die Folge: Die Jugendlichen halten diese Berufe für hoffnungslos altmodisch und meiden sie.

Mehr zur Studie

"Berufsbezeichnungen und ihr Einfluss auf die Berufswahl von Jugendlichen. Theoretische Überlegungen und empirische Ergebnisse", von Andreas Krewerth, Tanja Tschöpe, Joachim Gerd Ulrich, Alexander Witzki (Hrsg.), 18,90 Euro, W. Bertelsmann Verlag.

Selektionsfunktion: Jugendliche versuchen, die Belastungen der Berufsfindung und Lehrstellensuche möglichst auf ein Mindestmaß zu reduzieren. Deshalb neigen sie dazu, die Zahl der in Frage kommenden Berufe überschaubar zu halten. Berufsbezeichnungen dienen ihnen dabei als Raster: Das, was nicht sofort interessant klingt, fällt durch. Dem ersten Eindruck, den eine Berufsbezeichnung macht, kommt somit eine entscheidende Weichenstellung zu: Ist er negativ, bestehen kaum noch Chancen, dass der Beruf weiter beachtet wird. Die Folge: Das Spektrum der in Frage kommenden Berufe wird von den Jugendlichen bisweilen unterschätzt.

Selbstdarstellungsfunktion: Jugendliche überprüfen die Berufsbezeichnungen auf ihre Tauglichkeit als "Visitenkarte" der eigenen Persönlichkeit. Attraktiv sind deshalb Bezeichnungen, die auf einen intelligenten, erfolgreichen und geachteten Menschen schließen lassen. Ein Positivbeispiel ist der/die "Mediengestalter/in für Digital- und Printmedien". Negativ bewertet werden dagegen Namen wie "Gebäudereiniger/in" oder "Fachkraft für Kreislauf- und Abfallwirtschaft" - sie sind aus Sicht der Jugendlichen keine Image-Förderer.

Soziale Berufe: Jungen nehmen ablehnende Haltung ein

Berufsbezeichnungen sind auch nicht unerheblich für die geschlechtsspezifische Berufswahl, sondern mit ein Grund für die Zurückhaltung der Mädchen wie auch der Jungen bei bestimmten Berufen: Begriffe wie "...verarbeiter/in", "...monteur/in", "...mechaniker/in" oder "...bauer/in", die in vielen Berufsbezeichnungen des gewerblich-technischen Bereichs benutzt werden, locken allenfalls Jungen, kaum aber die Mädchen. Schon merklich positiver reagieren Mädchen auf Namen, die auf feinmotorisch-gestalterische Tätigkeiten schließen lassen, wie Feinoptikerin, Feintäschnerin oder Konditorin. Jungen dagegen nehmen eine ablehnende Haltung ein, wenn Tätigkeiten im sozialen Sektor auf nachrangige Positionen schließen lassen: Arzthelfer oder Gesundheits- und Krankenpfleger zu werden, fällt ihnen allein schon aus Imagegründen schwer.

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